Der Lawinenlagebericht (LLB) am konkreten Beispiel erklärt

Den Lawinenlagebericht richtig lesen und interpretieren

Wer sich abseits von Pisten bewegen möchte, muss sich um seine Sicherheit Gedanken machen. Dazu zählt auch, vor Ausflügen ins Gelände den aktuellen Lawinenlagebericht zu lesen. Mit etwas Übung schafft man es schnell, die zentralen Informationen für die Tourenplanung im Winter in nur wenigen Minuten herausfiltern.

Den Lawinenlagebericht richtig lesen und interpretieren
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Den Lawinenlagebericht richtig lesen und interpretieren: So geht's!

Noch nie war der Lawinenlagebericht (LLB) so strukturiert und detailliert wie heutzutage. Und noch nie war er so einfach abzurufen wie aktuell: Fast jeder Wintersportler ist mit einem Smartphone unterwegs, auf dem man den Lawinenlagebericht selbst noch kurz vor der Tour (oder sogar unterwegs) checken kann, wenn man es nicht schon vorher getan hat. 

Hinzu kommt, dass die Alpenländer daran arbeiten, ihren jeweiligen Lawinenlagebericht bestmöglich zu vereinheitlichen.Wer also den Lagebericht in Bayern nutzt und versteht, sollte auch mit dem Bericht der übrigen Alpenländer klarkommen. Wenn gleich noch nicht alles so vereinheitlicht ist, wie es manchmal wünschenswert wäre. Doch Struktur, Inhalte und Piktogramme sind vielfach gleich.

Immer eine gute Idee, einer angelegten Spur nachzulaufen. Oder?

Trotz dieser großflächigen Verfügbarkeit hat man dennoch manchmal den Eindruck, dass viele Wintersportler den Lagebericht gar nicht nutzen. Warum? Oft hört man diese Erklärung: "Ich gehe ja eh nur auf Pisten oder in deren Einzugsbereich." Wenn dem wirklich so ist, mag der Ansatz funktionieren. Aber warum sich mit Pistentouren begnügen. "Echte" Skitouren bieten doch so viel mehr! 

Ein zweites Argument: "Ich gehe nur da, wo schon Spuren sind." Dieser Ansatz ist mitunter sogar gefährlich. Wer weiß schon, wie kompetent derjenige war, der die Spur angelegt hat? Und alle anderen sind hinterhergedackelt…Also lieber doch selbst aktiv werden und sich mit dem Thema Lawinenlage beschäftigen, wenigstens auf der Basic-Ebene.

Aufbau des Lawinenlageberichts

Der LLB ist pyramidenförmig aufgebaut. Ganz oben steht ein markanter Satz, der die Situation klar benennt: "Mit Schwerpunkt im Werdenfels fiel ergiebiger Neuschnee. Zusätzlich Triebschnee beachten." (1)

Unterhalb zeigen Piktogramme (2) die wichtigsten Fakten der momentanen Situation im Gelände.

<p>Beispiel: Der Lawinenlagebericht (LLB) für den bayerischen Alpenraum vom 6. Februar 2020.</p>

Beispiel: Der Lawinenlagebericht (LLB) für den bayerischen Alpenraum vom 6. Februar 2020.

© ALPIN

Im bayerischen Lawinenlagebericht ist das aufgeteilt in sechs Regionen von West nach Ost: Allgäuer Alpen, Ammergauer Alpen, Werdenfelser Alpen, Bayerische Voralpen, Chiemgauer Alpen, Berchtesgadener Alpen. Dazu wird pro Region immer noch unterschieden in die Gebiete unterhalb und oberhalb der Waldgrenze. 

Das heißt: Auf einen Blick erhält man so die wichtigsten Informationen für die Region, in der man eine Tour plant. In unserem Fall vom 6. Februar 2020 ist also allein schon durch die rote Farbe klar, dass Skitouren oberhalb der Waldgrenze in den Werdenfelser Alpen (3) tabu sind!

Ergänzend findet man auf der Seite noch weitere Anhaltspunkte in Piktogrammform: Welches der fünf typischen Lawinenprobleme (4) herrscht gerade vor (5)? Welche Expositionen also Hang-Ausrichtungen (6) sind betroffen? Darunter stehen die fünf europäischen Gefahrenstufen (7) sowie die fünf (4) typischen Situationen, die auf der Website der Lawinenwarndienste auch angeklickt werden können und zu denen man so die wichtigsten Erklärungen erhält. 

Fast ohne zu lesen hat man also die essenziellen Informationen des LLB mit wenigen Blicken erfasst. Dazu muss man auch kein Experte sein. Die Infos sprechen zumindest zu einem guten Teil für sich.

Diese fünf Lawinenprobleme solltet ihr im Schlaf beherrschen:

Beurteilung der Lawinengefahr im Lawinenlagebericht

Unterhalb der Gefahren-Piktogramme kommt der Kernsatzdes LLB, die "Beurteilung der Lawinengefahr" (8). Darin ist in Worten formuliert, was die Piktogramme oben zeigen.

Im nächsten Absatz (9) folgen weiterführende Informationen, wie sich die momentane Situation in den Regionen gestaltet. In unserem Fall wird das Was (Neuschnee-Problem) noch durch den Zusatz Triebschnee ergänzt. 

Außerdem wird beschrieben, was heute die Hauptproblematik ist und in welcher Form sie auftritt. Dazu wird auch fast immer genannt, welche Ausmaße Lawinen annehmen können. Gefolgt von einer Aussage zur Auslösewahrscheinlichkeit von Lawinen (A), die jeder Lagebericht enthält:

"Bereits durch geringe Zusatzbelastung eines einzelnen Skifahrers (…) ausgelöst werden." Man beachte: Skifahrers! Genau deshalb macht es auch Sinn, dass sich jeder Wintersportler den LLB ansieht, nicht nur Skitouren- oder Schneeschuhgeher. Denn besonders bei der hier beschriebenen Situation kann auch knapp außerhalb des gesicherten Pistenraums die Gefahr von Lawinen bestehen.

Was der Lagebericht anschließend nennt, verlangt schon etwas mehr Vorwissen: "Die Gefahrenstellen befinden sich im eingewehten Steilgelände der Expositionen Nord über Ost bis Südwest, hinter Geländekanten und in eingewehten Rinnen und Mulden." (6) Wer bisher wenig unterwegs war, wird damit nicht viel anfangen können. 

Dem Experten aber sagt das sehr genau, wo er im Gelände besonders aufpassen muss. Dabei ist das keine Hexerei. Doch nur, wer sich diese Zusatzinformationen auch durchliest, wird irgendwann über die Erfahrung verfügen, diese auch interpretieren zu können.

Informationen zum Aufbau der Schneedecke im Lawinenlagebericht

Als nächstes wird noch die Schneedecke (B) beschrieben. Jenach Lage fällt das sehr unterschiedlich aus. Im vorliegenden Lagebericht vom 6. Februar 2020 sollten einige Alarmzeichen jedoch auch weniger erfahrene Leser beunruhigen:

  • „... bis zu einem Meter mit Graupel durchsetzter Neuschnee...“ (= große Neuschneemenge, Graupel bildet Kugellagereffekt, Bilden einer Schwachschicht)

  • „...durch starken Wind verfrachtet...“ (= plattige Verbindung der verwehten Schneekristalle, hohe Schneemächtigkeiten im Lee möglich!)

  • Triebschnee ist von lockerem Neuschnee überdeckt und somit schwer zu erkennen...“ (= unvorhersehbare Veränderung der Schneedecke)

  • mit zunehmender Sonneneinstrahlung verliert der Neuschnee an Festigkeit...“ (= ab Mittags/durch Wärme Gefahr von Gleitschnee rutschen und Auslösen von Schwachschichten)

  • „... Schneedecke tiefreichend durchfeuchtet...“ (= Eigengewicht steigt, Gefahr von Rutschen und Anrissen)

Mit diesen sehr genauen Beschreibungen wird die vorherrschende Gefahrenstufe untermauert bzw. begründet. Wem es bis hierher noch nicht klar war, der weiß nun: Heute ist kein Tag für Touren im Gelände!

Hier findet ihr eine Fotogalerie zum Thema Sichereitsausrüstung:

Lawinenlagebericht: Der Ausblick

Abschließend werden Hinweise und Tendenz (C) der zuerwartenden Entwicklung gegeben. Die wichtigste Info hier: "Die Lawinensituation wird sich langsam entspannen."

Da der 6. Februar ein Donnerstag war, sind nach der Aussagedes LLB die Aussichten für das Wochenende gut. Und wirklich: Am 8. und 9. Februar herrschte im gesamten bayerischen Alpenraum eine Gefahrenstufe von 1 (gering) unterhalb der Waldgrenze und 2 (mäßig) oberhalb der Waldgrenze. 

Am 9. Februar war in einigen Bereichen sogar oberhalb der Baumgrenze nur noch Gefahrenstufe 1 (gering). Manchmal lohnt sich also das Warten. Aber um das abschätzen zu können, sollte man regelmäßig den Lawinenlagebericht lesen! 

Hier findet ihr Ausrüstungs-Tipps für Skitouren:

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