Risiko, Planung, Technik, Ausrüstung, Spuranlage

Hochtouren: Auf Gletschern sicher unterwegs, Teil II

Teil zwei unseres Artikels "Hochtouren: Auf Gletschern sicher unterwegs".

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Sicherungstechniken

Auf Firnhängen ab 35 Grad wird die Absturzgefahr oft unterschätzt. Bei hart gefrorenem Firn oder Blankeis ist die Gletscherseilschaft nicht mehr die geeignete Seilschaftsform. Es besteht die Gefahr eines Seilschaftssturzes mit oft fatalen Folgen für alle Beteiligten.

<p>Steilt sich das Gelände auf, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten.</p>

Steilt sich das Gelände auf, ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten.

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Im flacheren Gelände wird als Gletscherseilschaft am langen Seil aufgestiegen. Im Steilgelände muss auf eine geeignete Sicherungstechnik wie Partnersicherung mit Standplatzwechsel, Fixseil oder Gehen am kurzen Seil gewechselt werden.

Leider passieren immer wieder Mitreißunfälle, da ohne Berücksichtigung von Steilheit, Gelände und Verhältnissen bis zum Gipfel als Gletscherseilschaft aufgestiegen wird.

Die Gründe liegen wohl in einem fehlenden Gefahrenbewusstsein und mangelndem Wissen über geeignete Sicherungstechniken. Das Risiko in eine Spalte zu stürzen, muss darüber hinaus einkalkuliert werden.

Spuranlage

Ein gute Spuranlage zeichnet sich dadurch aus, dass Spaltenzonen und Gletscherbrüche möglichst vermieden werden. Flache, regelmäßige und eher muldenförmige Strukturen bieten oft spaltenarmes Gelände. Spalten sollten möglichst im rechten Winkel überquert werden.

Um das Risiko von Eisschlag zu minimieren, empfiehlt es sich, Auf- und Abstiegsspuren in genügend großem Abstand zu Hängegletschern mit ihren tonnenschweren, oft absturzbereiten Eistürmen und Balkonen anzulegen.

Rastpunkte und Pausen werden in spaltenarmen Bereichen und auf keinen Fall unter Hängegletschern gewählt. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, vor Ort bei Bergführern oder Hüttenwirten die aktuellen Verhältnisse mit der gerade sichersten Route zu erfragen, welche von Jahr zu Jahr stark variieren kann.

Jahreszeit und Verhältnisse

Zwischen Frühsommer und Spätsommer verändern sich die Verhältnisse auf dem Gletscher stark. Der Frühsommer bietet gute Bedingungen mit überschneiten Spalten und stabilen Brücken, wobei bei hoher Schneelage und noch ungenügender Setzung der Schneedecke eine Spuranlage durch das tiefe Einsinken sehr kraftraubend sein kann.

<p>Auf dem sommerlichen Gornergletscher.</p>

Auf dem sommerlichen Gornergletscher.

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Mit zunehmender sommerlicher Ausaperung und steigenden Temperaturen nimmt die Tragfähigkeit der Spaltenbrücken ab und das Risiko von Spaltenstürzen steigt.

Im Spätsommer können teils anspruchsvolle und ungünstige Bedingungen mit Blankeis oder mit nach herbstlichen Schneefällen tückisch überschneiten Spalten herrschen.

Gletscherschwund

Der Gletscherrückgang der Alpengletscher hat weitreichende Auswirkungen für den Alpinisten. Einige früher spaltenreiche und schwierige Anstiege sind dadurch leichter und spaltenärmer geworden.

Dagegen sind ehemals einfache Anstiege durch das Abschmelzen und die damit verbundene Versteilung anspruchsvoller geworden (z. B. Ochsentaler Gletscher am Piz Buin). Neu entstandene Hängegletscher mit Eisschlaggefahr, Steilhänge oder neue Spaltenzonen erhöhen den technischen Anspruch und das Risiko teils erheblich.

An den seitlichen Moränenhängen entstehen durch die Abschmelzung lose Blockhalden mit großen labilen Blöcken, die ein hohes Steinschlagrisiko bilden. Die dabei durch Abrutschen auf Blankeis zum Liegen kommenden Blöcke bilden eine weitere Gefahrenquelle, wenn sie durch Temperaturanstieg ins Rutschen kommen.

Lawinen

Wie auch im Winter besteht in Steilhängen auf Gletschern Lawinengefahr. Im Frühsommer kann dies bei starker Durchfeuchtung in Form von oberflächlichen Nassschneelawinen und nach sommerlich starken Schneefällen auch in Form von Schneebrettern auftreten.

Eine besondere Gefahr stellen im Frühsommer Altschneelawinen dar, die bei starker Durchfeuchtung direkt auf dem Blankeis abgleiten.

<p>Eine Gletscherzunge im Ötztal</p>

Eine Gletscherzunge im Ötztal

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Normalerweise entspannt sich die Lawinensituation im Sommer mit den hohen Temperaturen relativ schnell, was bei der Tourenplanung berücksichtigt werden sollte. Falls die Lawinengefahr höher eingeschätzt wird als das Risiko eines Spaltensturzes, sollte man auf das Anseilen verzichten.

Zustiege zum Gletscher

Zustiege zu vielen Alpengletschern sind länger und teils schwieriger geworden. Das durch die Abschmelzung freigelegte Felsgelände mit glatt geschliffenen Felsplatten und Geröllauflage, labilem Blockwerk oder Felsschluchten ist mit erhöhtem Steinschlagrisiko verbunden.

Die Überquerung eines aus einem Gletscher abfließenden Baches verändert sich je nach Tageszeit, das sollte bei der Zeit- und Routenplanung berücksichtigt werden. Während eine Bachquerung in der Kälte des Morgens noch problemlos ist, kann man am Nachmittag mit einem unüberwindbaren reißenden Schmelzwasserbach konfrontiert sein.

Der Anstieg der Permafrostgrenze wirkt sich negativ auf die Festigkeit von Gesteins- und Erdreich im Randbereich von Gletschern aus, erschwert die Begehbarkeit und erhöht das Steinschlagrisiko.

Planung

Ein gutes Zeitmanagement zahlt sich bei sommerlichen Gletschertouren aus und reduziert viele Risiken wie Spaltensturz, Lawinengefahr und Steinschlag. Deshalb sollten Sie den sommerlichen Tagesgang der Temperatur bestmöglich nutzen.

Ein früher Aufbruch oft noch bei Dunkelheit ermöglicht einen kraftsparenden Aufstieg auf nach klaren Abstrahlungsnächten hart gefrorenem Firn mit tragfähigen Spaltenbrücken. Kehrt rechtzeitig von einer Gletschertour zurück, bevor die Schneeauflage ihre Festigkeit verliert.

Klickt Euch durch die Fotogalerie mit den Touren-Empfehlungen von "Viertausender-Frau" Marlies Czerny.

Der mit dem Klimawandel verbundene Temperaturanstieg schafft zunehmend ungünstige und gefährliche Verhältnisse für Gletschertouren mit weicher oder ungenügend tragfähiger Schneeauflage oft schon am frühen Morgen.

Bei solchen Verhältnissen ist eine Tour oft wenig sinnvoll, denn wie schon Goethe wusste: "Man verliert nicht immer, wenn man entbehrt."

Text von Andreas Wölki, Olaf Perwitzschky