Einigung durch Vergleich

Rappenalpbach: Zerstörter Bergbach soll schnell renaturiert werden

Bei ungenehmigten Arbeiten wurde der Rappenalpbach bei Oberstdorf begradigt und mit Kies aufgeschüttet. Der ehemals mäandrierende und verzweigte Bach wurde auf einen schmalen kanalisierten Flusslauf reduziert, die Uferbereiche wurden rigoros eingeebnet. Im Frühjahr sollen die Renaturierungsarbeiten starten, die das Gewässer wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzen sollen. Jetzt haben sich das Landratsamt und eine Alpgenossenschaft auf eine gemeinsame Wiederherstellung des Gewässers geeinigt.

Der durch Flussbaumaßnahmen begradigte Rappenalpbach bei Oberstdorf.
© picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Update 18.07.2023: Kreisbehörde und eine Genossenschaft einigen sich auf Vergleich

Ein Dreivierteljahr nach der Zerstörung des Wildbachs im Rappenalptal in den Allgäuer Alpen haben sich das Landratsamt und eine Alpgenossenschaft auf eine gemeinsame Wiederherstellung des Gewässers geeinigt. In einem Prozess vor dem Verwaltungsgericht Augsburg wurde am Montag ein entsprechender Vergleich geschlossen.

Wie alle Seiten in dem Verfahren betonten, soll dadurch ein möglicherweise jahrelanger Rechtsstreit vermieden werden. Beide Seiten beteiligen sich an den Kosten für die Renaturierung.

Hintergrund des Streits ist, dass die Genossenschaft im Herbst 2022 den streng geschützten Wildbach im Rappenalptal bei Oberstdorf auf einer Länge von etwa eineinhalb Kilometern mit einem Bagger begradigt und massiv verändert hatte. Auslöser der Bauarbeiten waren Hochwasserschäden, die die Genossenschaft Rappenalpe beseitigen wollte. Der Fall hatte in der Folge auch den bayerischen Landtag beschäftigt, der Bund Naturschutz in Bayern (BN) spricht von einem "der schlimmsten Naturskandale der letzten Jahre".

<p>Der Rappenalpbach nach den Baggerarbeiten.</p>

Der Rappenalpbach nach den Baggerarbeiten.

© Bund Naturschutz/Udo Schmitz

Dass die Arbeiten nicht zulässig waren, hatten in Eilverfahren bereits das Verwaltungsgericht in Augsburg und auch der Verwaltungsgerichtshof in München bestätigt. Streit gibt es allerdings zwischen der Genossenschaft und dem Landratsamt Oberallgäu über die Verantwortung. Denn die Naturschutzabteilung der Kreisbehörde hatte gewisse Arbeiten an dem Gewässer erlaubt, und die beiden Gerichte kamen auch zu unterschiedlichen Einschätzungen.

Wie die Richterin am Montag betonte, hatte sich die Genossenschaft für den Gewässerunterhalt zuständig gefühlt, obwohl es eigentlich Sache der Gemeinde Oberstdorf gewesen wäre. Die eigentlich ebenfalls zuständige Gewässeraufsicht sei zunächst nicht eingeschaltet worden. "Es sind auf beiden Seiten Fehler passiert", sagte die Kammervorsitzende.

Der Vergleich sieht nun vor, dass das Landratsamt die Kosten für gewisse vorbereitende Arbeiten zahlt. Die Alpgenossenschaft kümmert sich dann um die voraussichtlich vier Wochen langen erneuten Baggerarbeiten, um den früheren Zustand wiederherzustellen. Weitere Folgekosten werden dann gemeinsam bezahlt.

Der Bund Naturschutz (BN) verlangt eine umfassende Renaturierung des Rappenalpbachs. Wie ein Sprecher erläuterte, wird der Umweltverband nun das Konzept prüfen. Sollten die Maßnahmen nicht ausreichend sein, behalte sich der BN eine Klage dagegen vor. Wie der BN verlangt auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) eine deutliche Aufwertung des Rappenalptals bei den anstehenden Sanierungsarbeiten.

Update 27.01.2023: Renaturierungsarbeiten ab Frühjahr

Nachdem sich Landratsamt und Alpgenossenschaft seit Bekanntwerden der Zerstörung gegenseitig beschuldigten, meldete sich jüngst der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber zu den mutmaßlich illegalen Arbeiten zu Wort. Diese stellen laut Glauber einen "Eingriff in die Natur" dar, "der so nicht hinnehmbar ist". Da der Gebirgsbach nach europäischem Wasserrecht geschützt sei, sind Eingriffe "letztendlich verboten", kritisiert Glauber weiter.

Der Umweltminister sprach von einem "Naturfrevel", der "kein Versehen gewesen" sei. Eine Höhenvermessung per Drohne habe eine Vertiefung des Bachbetts um mehr als 2,5 Meter auf eine Länge von 1,5 Kilometern festgestellt, wie der BR berichtet. Der Rappenalbach war kanalisiert worden. Zudem wurden Dämme errichtet. Nun werde alles möglich gemacht, um den zerstörten Bachlauf wieder in seinen früheren Zustand zurückzuversetzen, betont Glauber. Wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen wird, ist noch unklar. Ein Konzept liege allerdings bereits vor. Beginn der Arbeiten ist im Frühjahr nach der Schneeschmelze.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete. CSU und Freie Wähler warnen vor einer Vorverurteilung der Beteiligten. Die Opposition drängt derweil auf Transparenz und schnellstmögliche Aufklärung.

Update 16.12.2022: Rappenalpbachtal soll ursprünglichen Lauf zurückerhalten

Nach den Baggerarbeiten der Alpgenossenschaft im Rappenalptal bei Oberstdorf soll der Wildbach nun wieder seinen ursprünglichen Lauf zurückerhalten. Die Arbeiten zur Renaturierung haben trotz Minusgraden bereits begonnen. Dafür kam auch eine Drohne für Vermessungsflüge zum Einsatz. Die gesammelten Daten dienen auch der Beweissicherung der wohl ohne Genehmigung durchgeführten Arbeiten, wie der Bayerische Rundfunk berichtet.

Alpgenossenschaft muss Renaturierung des Rappenalpbachtals bezahlen

Die nun stattfindenden Arbeiten sind nach Angaben des Landratsamts mit den involvierten Behörden abgesprochen und gehen trotz des aktuellen Wintereinbruchs zügig voran. Die Kosten für den Rückbau soll nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 06.12.2022 die für die Zerstörung verantwortliche Alpgenossenschaft tragen. 

Rappenalpbachtal: Die Ermittlungen laufen

Die Alpgenossenschaft hatte mittels Eilantrag gegen die Kostenübernahme geklagt. Dabei berief sie sich auf einen Aktenvermerk des Landratsamtes, in dem zuvor offenbar Arbeiten abgesprochen worden waren. Das Verwaltungsgericht wies den Antrag allerdings mit dem Verweis zurück, dass ein Aktenvermerk keine Genehmigung sei. Die Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt ebenfalls.

Update: 09.12.2022: Landrätin gibt Einblicke aus Behördensicht

Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller äußerte sich erstmals zu den Abläufen im Rappenalptal. Laut eines Berichts des Bayerischen Rundfunks war fälschlicherweise von einer Genehmigung ausgegangen worden. Die Behörden wussten wohl über einige der Vorgänge Bescheid.

Grund für den Beginn der umfangreichen Begradigung war laut BR-Informationen ein Unwetter am 19. August, das Überschwemmungen und Kiesablagerungen rund um den Bach verursacht habe. In Folge fand ein Beratungsgespräch mit der ansässigen Alpgenossenschaft statt, in dem Maßnahmen zum Gewässerunterhalt verabredet wurden.

Zerstörung des Rappenalpbachtals: Hielt sich die Alpgenossenschaft nicht an die Abmachungen?

Von umfassenden Arbeiten war darin keine Rede. Die Alpgenossenschaft hielt sich demnach mutmaßlich nicht an die Vereinbarung. Das Schreiben, das vom Landratsamt an die Alpgenossenschaft ging, enthielt ebenfalls keine Genehmigung. Eine spätere Aufforderung zum Baustopp, die laut Landratsamt mündlich am 6. Oktober erfolgte, wurde ignoriert. Somit dauerten die Arbeiten an.

Sogar ein Hubschrauberlandeplatz hatte angelegt werden sollen, wie Ende Oktober bei einer Vor-Ort-Besichtigung festgestellt worden war.

Zerstörung des Rappenalpbachtals: Pressetermin ohne Nachfragen

Augenscheinlich waren beim Pressetermin weder Nachfragen noch eine Live-Übertragung erlaubt. Der Bund Naturschutz war gar vollständig vom Termin ausgeschlossen worden. Dieses intransparente Vorgehen sorgte für Kritik bei den Verbänden und der lokalen Politik.

Mittlerweile nahm auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Das Bayerische Umweltministerium wollte sich auf BR-Anfrage nicht öffentlich zum zerstörten Rappenalpbach äußern.

Update 28.11.2022: Polizei durchsucht Räumlichkeiten und bittet um Mithilfe

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Kempten ist für die Bauarbeiten am Rappenalpbach die Alpgenossenschaft Rappenalp verantwortlich. Eine behördliche Genehmigung zur Durchführung dieser Arbeiten am Wildbach lag den Verantwortlichen laut Polizeiangaben nicht vor. Die Staatsanwaltschaft Kempten leitete nun Ermittlungen wegen des Verdachts der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete ein; hierzu hatten sich Vertreter der Staatsanwaltschaft zusammen mit der örtlich zuständigen Polizei persönlich vor Ort ein Bild vom Ausmaß der Baggerarbeiten gemacht. Ziel der Ermittlungen ist zunächst Beweismittel zu sichern und verantwortliche Personen zu identifizieren.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Kempten wurden Ende letzter Woche Räumlichkeiten der beteiligten Alpgenossenschaft sowie Räumlichkeiten des bearbeitenden Bauunternehmens durchsucht, dessen Baumaschinen und Bedienpersonal die Arbeiten durchgeführt hatten.

Daneben bitten die Beamten Wanderer, Touristen oder andere Personen, die über Bild- oder Videoaufnahmen aus dem Zeitraum der Baggerarbeiten verfügen, diese der Polizei zur Verfügung zu stellen. Hierfür ist ein Uploadportal eingerichtet worden. Hier können Bilder und Videos auch anonym hochgeladen werden.

Ursprünglicher Beitrag vom 22.22.2022:

Zerstörung im Naturschutzgebiet: Alpgenossenschaft begradigt Wildbach

Auf einer Länge von 1,6 Kilometern hat die ansässige Alpgenossenschaft den geschützten Wildbach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks nach ausbaggern und kanalisieren lassen. Betroffen sind Biotopflächen in einen geschützten Lebensraum.

Der ehemals mäandernde Bach schlängelt sich nicht mehr kurvenreich durchs Tal, sondern fließt gerade – wie in einem Kanal. An einzelnen Stellen ist das Wasser sogar ganz im Untergrund des Flussbetts verschwunden. Die Biotopfläche sei gänzlich zerstört, wie der BUND Naturschutz in einer Pressemeldung befürchtet.

"Diese Maßnahme hat den Wildbach als dynamischen Lebensraum auf rund 1,5 Kilometern Fließstrecke zerstört“, berichtet Alfred Karle-Fendt vom Vorstand der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu.

Naturschutzgebiet „Allgäuer Hochalpen“: Naturjuwel zerstört

Laut Bund Naturschutz zählt der Bach zum Schutzgebiet "Allgäuer Hochalpen", einem kombinierten Vogelschutz- und FFH-Schutzgebiet. Ein Gebiet, in dem natürliche Lebensräume sowie wild lebende Tiere und Pflanzen erhalten werden sollen. Außerdem sei der Bachlauf nach Bundesnaturschutzgesetz zu hundert Prozent als Biotop geschützt.

Laut Landratsamt war eine Genehmigung weder beantragt noch erteilt worden. Mit dem Landratsamt seien im Vorfeld lediglich vereinzelte, punktuelle Gewässerunterhaltungsmaßnahmen abgestimmt worden. Über den Umfang der nicht abgesprochenen Arbeiten zeigt sich die Behörde verwundert.

<p>Rappenalpbach: bisheriger Verlauf</p>

Rappenalpbach: bisheriger Verlauf

Beim Wasserwirtschaftsamt in Kempten reagiert man entsetzt über den kanalisierten Wildbach im Rappenalptal. Karl Schindele, der Leiter des Wasserwirtschaftsamts: "Da wurde ein wertvoller Lebensraum zerstört. Das ist ein erheblicher Schaden für die Umwelt." Das Wasserwirtschaftsamt sei vor zwei bis drei Wochen über die Baumaßnahmen am Rappenalpbach informiert worden. Seitdem liefen Gespräche mit dem Landratsamt Oberallgäu und der Regierung von Schwaben über das weitere Vorgehen. 

Auch das bayerische Umweltministerium hat eine umfassende Stellungnahme gefordert. Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile ein Verfahren eingeleitet.

Die Baggerarbeiten waren amtlich nicht genehmigt. Die Alpgenossenschaft will sich bislang nicht zu den Vorgängen äußern.

<p>Rappenalpbach: neuer Verlauf.</p>

Rappenalpbach: neuer Verlauf.

© Bund Naturschutz Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu

Das Rappenalbtal: Beliebtes Tourenziel

Das Rappenalbtal ist ein Seitental des Stillachtales und liegt ganz im Süden des Allgäus zwischen Einödsbach, der südlichsten Siedlung Deutschlands und dem Haldenwanger Eck, dem südlichsten Punkt Deutschlands. 

Das Rappenalbtal ist ein Ausgangspunkt für viele beliebte Wanderungen zur Enzianhütte und Rappenseehütte, Mindelheimer Hütte und Fiderepasshütte. Auch der Mindelheimer Klettersteig und der Heilbronner Höhenweg sind von hier erreichbar. Der Schrofenpass am Ende des Tals ist ein beliebter Übergang ins Lechtal für Mountainbiker auf einer Transalp.

8 Kommentare

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Hubisepp

Hat man es im Tal nicht schoneinmal mit weiteren Wasserkraftwerken probieren wollen - da war das eventuell die Vorleistung. Mit lärmgedämmten Saugbagger den Schotter heraus und das nach Möglichkeit gleich wenn der Schnee weg ist.
Wer liefert eigentlich das Bruchgestein an? Woher stammt es?

Frederik auf unserer Facebook-Seite

Am Unterlauf von dem Ding sollten sich eventuelle Anwohner jetzt wohl besser zügigst mit stabilen Booten ausrüsten. Vor dem Winter ist da ja nicht mehr an Rückbau zu denken, und in der Schneeschmelze wird so eine Kanalrinne zur Super-Klosettspülung. Das wird witzig...

Berggeist

Eine archaische Gesellschaft, in der striktes Schweigen über die Untaten der Alphas herrscht, macht solche Gräuel erst möglich. Wie ein Reporter der Sendung Quer von einem Einwohner zu hören bekam: " I hab a Meinung, aber es ist besser die nicht zu sagen"... Hoffentlich lassen sich die Ermittler nicht mit Unsinn belabern und bohren tief hinein in den Morast, um an des Übels Wurzeln zu kommen.

Langerheinz

Ich will diese Aktion nicht für gutheißen. Aber zum Überlegen geben wie wenig Naturschutz in den Köpfen verankert ist. Jeder Übernachter im Camper wird aufgemischt und hier. Diese Aktion hatTage in Anspruch genommen und dort wimmelt es von Forstarbeitern, Jägern und Bergsteigern.... . Und niemand meldet dies .... Vielleicht doch nicht ALLES so schlimm - kann es sein dass die o.g. die Schnauze voll haben von den Gängeleien der Naturschutz Behörden ? Hier findet doch eine totale Entfremdung zwischen Bürger und den sogenannten Naturschützern ob behördlich oder privat statt - siehe Battert. Berg frei

ElTeq0r

Höchststrafe sind 5 Jahre ... und die haben sich die Verantwortlichen verdient.

Bernhard W.

Das ist schon sehr traurig, vor allem das Einheimische so wenig Bezug zu schützenswerter Natur vor der eigenen Haustür haben.
Was mir aber ein völliges Rätsel ist, solche Arbeiten erledigt man nicht in einer Nacht u. Nebelaktion, sondern geht über Wochen. Das muss doch irgendjemanden aufgefallen sein.

Besser als jede Gefängnisstrafe wäre eine Verurteilung zur vollständigen Renaturierung.

Eso

Das sehe ich auch so mit der Gefängnisstrafe. Für so einen Frevel an der Natur muss der Rechtsrahmen voll ausgeschöpft werden. Als Wildcamper bekommt man eine saftige Geldstrafe, obwohl man da nichts kaputtmacht. Dann kann bei einer Naturzerstörung dieses Ausmaßes nur eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung das richtige Mittel sein.

Korn

Für so eine Zerstörung können die Beteiligten gerne mal 24 Monate einsitzen!