Exklusiv-Interview nach Seven Summits Rekord

Philipp Reiter: "Den Gipfel der Zugspitze für sich allein zu haben, ist etwas besonderes"

In 5 Tagen 178 Kilometer mit Skiern auf die sieben höchsten Berge der Alpenländer. Das ist Rekord. Holger Rupprecht sprach eine Woche nach dieser rasanten Gipfeltour mit Philipp Reiter über Planung, Flexibilität und die besonderen Momente bei seinem Speed-Rekord.

Alpinist Philipp Reiter vor der Abreise.
© Philipp Reiter

Letzte Woche schlossen der deutsche Alpinist Philipp Reiter und der Schweizer Adrian Zurbrügg ein Projekt ab, für das die meisten ein ganzes Bergsteigerleben benötigen würden. Sie bestiegen die Seven Summits der Alpen mit Ski - in nur fünf Tagen.

ALPIN-Portalmanager Holger Rupprecht konnte mit Philipp Reiter über ihre Wahnsinns-Leistung, die Planung des Projekts und die besonderen Momente auf Tour sprechen.

<p>Tag 1: Gran Paradiso.</p>

Tag 1: Gran Paradiso.

© Philipp Reiter

Du bist als Ausdauerwunder bekannt, aber die sieben höchsten Berge der Alpenländer mit 17.000 Höhenmeter in fünf Tagen auf Skier ist schon auch für Deine Verhältnisse eine Ansage. Wie geht’s Dir heute?

"Die ersten drei Tage ging es mir relativ gut, aber jetzt, eine Woche danach, merke ich, dass ich wirklich müde bin und vor allem meine Füße richtig weh tun. Ich war die letzten beiden Wochen permanent unterwegs und komme erst jetzt richtig zur Ruhe."

Wie seid Ihr auf die Idee für das Projekt gekommen und wer hat es initiiert? 

"Das war Adrians Projekt. Er hatte das schon von drei oder vier Jahren probiert. Er ist damals mit einem anderen Schweizer gestartet, der sich dann leider bei der Abfahrt vom Montblanc verletzt hat, so dass sie das Projekt abbrechen mussten. 

Bei diesem Anlauf hat er die Planung zusammen mit Stephan Hugenschmidt begonnen. Eigentlich war ich als Fotograf für einen Berg eingeplant. Auf die Frage, welchen Berg ich mitgehen würde, habe ich natürlich geantwortet: 'Auf alle!'. Woraufhin mich der Adrian ins Boot geholt hat - als Teilnehmer."

Philipp Reiter im Interview: Es kommt immer anders, als man denkt

Wie habt ihr das alles organisiert?

"Ursprünglich hatte ich Camper mit Fahrern organisiert, um zeitlich komplett unabhängig zu sein. Bei Hotels oder Pensionen muss man sich wegen Schlüsselübergabe und Einchecken doch immer festlegen. Die Camper standen in München bereit. Nach zwei krankheitsbedingen Absagen sind jedoch nur Adrian und ich übriggeblieben.

<p>Planung ist alles - und trotzdem kommt es oft anders.</p>

Planung ist alles - und trotzdem kommt es oft anders.

© Philipp Reiter

Das war am Donnerstagmorgen. Am Freitag wollten wir auf den Gran Paradiso. Ich war noch in Grindelwald und der Adi war auf der Mönchsjochhütte. Wir haben telefoniert und uns war klar, dass wir das unbedingt durchziehen wollen. Die Verhältnisse waren gut und wir hatten uns beide dieses Zeitfenster freigehalten.

Wir saßen also beide in der Schweiz, an verschiedenen Ecken, wir hatten keine Autos, keine Fahrer und wollten am nächsten Tag in Italien sein. Also haben wir uns ans Telefon gehängt und Eugen als Fahrer organisiert.

<p>Philipp Reiter (l.) mit Fahrer Eugen und Adrian Zurbrügg.</p>

Philipp Reiter (l.) mit Fahrer Eugen und Adrian Zurbrügg.

© Philipp Reiter

Tatsächlich wurde aus unserer akribischen Planung dadurch eine komplette Hau-Ruck-Aktion. Ein Teil des Equipments lag in Garmisch. Daher mussten wir auch noch schnell neue Eisschrauben und Eisgeräte besorgen.Total wild alles."

Wurde dieser Speed-Rekord auf Skiern auf Seven Summits der Alpen schon versucht?

"Dynafit hat das mit Benedikt Böhm schon gemacht. Das fand im Rahmen der Vermarktung ihrer 7 Summits-Produktserie statt. Sie waren allerdings nicht auf der Dufourspitze, haben es also nicht ganz abgeschlossen. 

<p>Adrian Zurbrügg auf der Dufourspitze.</p>

Adrian Zurbrügg auf der Dufourspitze.

© Philipp Reiter

Dass es dieses Projekt gab, haben wir allerdings erst bei unseren Recherchen entdeckt und es spielte auch überhaupt keine Rolle. Der Adi wollte die Seven Summits der Alpen einfach machen. Es war nie das Ziel schneller oder besser zu sein. Es ist einfach ein cooles Projekt die Alpen von West nach Ost über die höchsten Berge der jeweiligen Länder zu durchqueren."

Philipp Reiter im Interview: Großes Team? Fehlanzeige

Wie kann man sich das Drumherum und das unterstützende Team vorstellen?

"Der Eugen hat uns bis zur Vorderen Grauspitze gefahren und dann hat der Vater von Stephan Hugenschmidt netterweise das Fahren übernommen. Auf dem Gran Paradiso war eine Freundin von mir dabei. Auf die Vordere Grauspitze ist der Stephan mitgegangen. 

<p>Team Vordere Grauspitze: Stephan Hugenschmidt (l.), Phillipp Reiter und Adrain Zurbrügg.</p>

Team Vordere Grauspitze: Stephan Hugenschmidt (l.), Phillipp Reiter und Adrain Zurbrügg.

© Philipp Reiter

Wir hatten bei der Routenplanung die Berge vorab unter uns aufgeteilt, dass sich jeder nur auf einen maximal zwei Berge konzentrieren musste, was die Planung angeht. Die Grauspitze war Stephans Berg. Daher haben wir ihn gebeten, dass er "seinen" Berg mitkommt. Aber es gab kein großes Team oder einen Fotografen."

Philipp Reiter im Interview: Das Glück einer warmen Mahlzeit

Wie habt ihr während des Projektes geschlafen und gegessen?

"Die Unterkünfte haben wir von unterwegs aus schnell noch übers Internet gebucht. Auf der Tour hatten wir Riegel dabei und unterwegs haben wir von einem Großeinkauf in Italien gelebt. Einmal hat der Eugen für uns gekocht und einmal hat der Papa vom Stephan abends Geschnetzeltes und Nudeln für uns gemacht. Das war herrlich. Nachts um 23 Uhr nach der Tour auf die Zugspitze noch ein warmes Essen zu genießen.

Geschlafen haben wir in der Tat nicht besonders viel. Wir hatten die Tour auf sieben Tage geplant. Damit wären die ersten Tage mit den hohen Bergen Montblanc und Dufourspitze sehr lange Tage gewesen – hinten raus wäre es mit Großglockner, Zugspitze und Triglav jedoch relativ entspannt geworden. Aber es kam ja anders.

<p>Auf dem Weg zum Gipfel des Montblanc.</p>

Auf dem Weg zum Gipfel des Montblanc.

© Philipp Reiter

Während wir im Aufstieg zur Vorderen Grauspitze waren, haben wir erfahren, dass es am Donnerstag in Slowenien einen Wetterumschwung mit sehr viel Neuschnee geben wird. Am Donnerstag wären wir am Großglockner gewesen und Freitag am Triglav. Damit war klar: Unser Plan funktioniert so nicht mehr. 

Wir haben uns für die einzige Möglichkeit entscheiden, das Projekt durchzuziehen: nach dem Gipfel der Vorderen Grauspitze am gleichen Tag nachmittags noch auf die Zugspitze aufsteigen und am nächsten Tag in der Früh den Großglockner und nachmittags den Triglav zu machen. Wir haben quasi am Weg beschlossen, dass wir die sieben Tage auf fünf Tage komprimieren.

Alle Bilder des Gipfel-Rekords könnt ihr euch hier ansehen:

Waren die Routen vorher abgegangen, waren Euch Bedingungen und aktuelle Schwierigkeiten aus erster Hand aktuell bekannt?

"Die Verhältnisse insgesamt waren sehr dankbar. Es war zwar schneearm, aber das Wetter war sehr stabil und sehr trocken. Wir haben die üblichen Foren abgeklappert, Einheimische angeschrieben und natürlich mit den Hüttenwirten telefoniert. 

<p>Der Gletscherbruch am Montblanc.</p>

Der Gletscherbruch am Montblanc.

© Philipp Reiter

Zwei Wochen vor dem Start ist der Adi am Montblanc gewesen, um den Durchschlupf am Gletscher auszukundschaften. Da sich der Gletscher jedes Jahr verändert, ist der Weg auch jede Saison anders.

Und vor der Dufourspitze hat uns jemand aktuelle Bilder geschickt, da er unser Projekt über Social Media verfolgt hat und den Tag davor am Gipfel war. Das war sehr cool."

Philipp Reiter im Interview: Herausforderungen und Glücksmomente

Welcher Berg war für dich die größte Herausforderung?

<p>Philipp auf der Gipfel der Dufourspitze.</p>

Philipp auf der Gipfel der Dufourspitze.

© Philipp Reiter

"Die beiden schwierigsten waren der Montblanc und die Dufourspitze. Allein wegen der Höhe und den langen Distanzen, die man zurücklegen muss. Zudem war sehr eisig. 

Die letzten 100 Meter auf die Dufourspitze führt eine normalerweise unschwierige Flanke. Wir mussten aufgrund des Schneemangels Mixed-Klettern. Mit richtigen Steileisgeräten und den guten Steigeisen. Darauf waren wir vorbereitet, aber es ist natürlich deutlich anspruchsvoller und anstrengender als unter "normalen" Bedingungen."

Kannst Du verstehen, dass bei solchen Projekten die "Gigantomanie der Zahlen“ und die Nachhaltigkeit in der Kritik stehen?

"Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Tatsächlich haben wir lange überlegt, wie und ob wir das Projekt nach Außen kommunizieren. Auf der einen Seite ist es natürlich schön Begeisterung zu wecken und die Interaktion mit den Followern ist motivierend. Auf der anderen Seite erzeugt es natürlich auch eine Erwartungshaltung und damit auch Druck zu liefern. Und wir wussten ja nicht, was dabei rauskommt.

Für viele ist es ein Lebenstraum EINEN Gipfel der Seven Summits zu erreichen. Dafür muss man sich jahrelang vorbreiten. Mir ist bewusst, dass man mit so einem Projekt die Dimensionen verschiebt.

Und natürlich steht bei einem solchen Projekt das Bergerlebnis an sich nicht mehr im Vordergrund. Brotzeit am Gipfel und Aussicht genießen gab es bei uns nicht. Uns ging es um die Herausforderung es zu schaffen. Sind die Bedingungen konstant genug? Ist man fit genug? Schafft man es von der Logistik her?

Und ja wir sind weit gefahren. Das war sicher nicht nachhaltig. Bergsport ist einfach immer noch sehr viel Motorsport. In entlegene Täler kommt man einfach nicht mit dem Bus und für Frühjahrsskitouren krieg ich auch um 3 Uhr morgens keinen Bus. Das wird sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern. Für Tipps und Anregungen das zu verbessern sind wir jederzeit offen!"

Mal ehrlich: Macht das noch Spaß?

"Als wir ungeplant um viertel nach acht auf dem Gipfel der Zuspitze gestanden sind, ganz allein, unten leuchtete Garmisch – dann ist natürlich ein wahnsinnig tolles Erlebnis. 

<p>Allein auf der Zuspitze.</p>

Allein auf der Zuspitze.

© Philipp Reiter

Oder mit dem letzten Licht des Tages den Grat zum Triglav hochzugehen – im Neuschnee, kein anderer Mensch weit und breit, unten nur das kleine Licht des Winterraums. Das ist schon besonders. 

Nur Spaß ist vielleicht der falsche Ausdruck – beeindruckend trifft es vielleicht besser. Eventuell sogar Genuss – nur auf eine andere Art. Ein Großglockner an einem schönen Tag mit 300 Leuten am Gipfel ist schließlich kein Genuss."

Philipp Reiter im Interview:

Du bist sehr umtriebig. Was steht bei Dir als nächstes an?

<p>Philipp Reiter und Adrian Zurbrügg auf dem Gipfel des Gran Paradiso.</p>

Philipp Reiter und Adrian Zurbrügg auf dem Gipfel des Gran Paradiso.

© Philipp Reiter

"Zu diesem Projekt bin ich relativ spontan dazugekommen. Man braucht nach so einem Projekt auch eine gewisse Zeit, um sich etwas Neues zu überlegen. 

Da kann man sich nicht mit Stift und Block hinsetzen und einen Plan machen. Sachen entwickeln sich und da ich ja grundsätzlich sehr neugierig und spontan bin, kommt bestimmt bald etwas."

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