"Schonen schadet mehr, als dass es nutzt"

Rückenschmerzen: Was hilft - und was nicht

Bei Rückenschmerzen führt an Muskeltraining kein Weg vorbei. Denn in fast allen Fällen haben die Schmerzen keinen dramatischen Hintergrund.

Rückenschmerzen: Was hilft - und was nicht
© Imago / Panthermedia

Der Reflex, bei Rückenschmerzen einen Arzt aufzusuchen, ist weit verbreitet. Zuhauf strömen die Menschen mit diesen Beschwerden in Deutschlands Arztpraxen. "Durchschnittlich etwa acht Prozent der Patienten, die ein Hausarzt im Lauf einer Woche behandelt, kommen wegen Rückenschmerzen", bestätigt Professorin Annette Becker. 

Die Fachärztin hat an der Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz mitgearbeitet, die demnächst veröffentlicht wird. Befragungen unterstreichen Beckers Einschätzung: Je nach Quelle geben zwischen 70 und 90 Prozent der Befragten an, im letzten Jahr Kreuzschmerzen gehabt zu haben.

<p>Das Kreuz mit dem Kreuz: Vor allem ein aktiver Lebensstil hilft. </p>

Das Kreuz mit dem Kreuz: Vor allem ein aktiver Lebensstil hilft. 

© Imago / Panthermedia

Rückenbeschwerden sind in der überwiegenden Mehrheit völlig harmlos

Angesichts der Komplexität des Rückens verwundert dies nicht: Im fein abgestimmten Zusammenspiel aus Wirbelkörpern, Bandscheiben, Nerven, Bändern und Muskeln treten eben bisweilen unerwünschte Zwischenfälle auf. "Dabei reicht schon eine kleine Störung an einer Stelle und es schmerzt", sagt Becker. 

Für manche Patienten kommt es überraschend, doch Ärzte können fast immer Entwarnung geben: Rückenbeschwerden sind in der überwiegenden Mehrheit völlig harmlos. Unkomplizierte oder nichtspezifische Kreuzschmerzen sagen Mediziner dazu. Becker: "In etwa 80 Prozent trifft das zu."

In diesen Fällen schmerzt es im unteren Rücken. Bisweilen strahlen die Beschwerden auch in die Beine aus - dann handelt es sich um den sogenannten Hexenschuss. Meist lässt sich das Problem keiner krankhaften Veränderung zuordnen. Denn oft ist in dem System nichts beschädigt, sondern es hakt nur an einer Stelle. Um schwerwiegende Rückenprobleme von unkomplizierten zu unterscheiden, reicht Ärzten oft schon das Gespräch mit dem Patienten und eine kurze Untersuchung.

Bei leichten Schmerzen sind umfangreiche Untersuchungen kontraproduktiv

Oft ist bei dieser Art von Beschwerden weniger mehr. So bezeichnet Becker beispielsweise technische Untersuchungen wie Röntgen oder Computertomographie als häufig kontraproduktiv: "Je umfangreicher und aufwendiger unkomplizierte Rückenschmerzen durchuntersucht werden, desto schlechter ist die Prognose für die Patienten." Auf den ersten Blick erscheint es erstaunlich, doch der Zusammenhang ist wissenschaftlich bewiesen: Je genauer Ärzte einem Rückenproblem auf den Grund gehen, desto häufiger entwickelt der Patient chronische Beschwerden.

© ALPIN

Die Erklärung: Veränderungen an der Wirbelsäule finden sich ab einem gewissen Alter bei jedem Menschen. Zwar lassen sich diese mit aufwendiger Diagnostik oft gut erkennen, nur liefern die Untersuchungen meist keinen unumstößlichen Beleg dafür, dass die Veränderungen tatsächlich für die Rückenschmerzen verantwortlich sind. Und oft genug sind sie es eben nicht. Denn Abnützungen und Veränderungen an der Wirbelsäule stehen keinesfalls im Widerspruch zu voller Leistungsfähigkeit und Schmerzfreiheit.

"Schonen schadet mehr, als dass es nutzt"

Bringt die Untersuchung ans Licht, dass es sich um unkomplizierte Rückenschmerzen handelt, reicht eine Behandlung mit Schmerzmitteln. Die Arzneien erleichtern den Betroffenen, wieder in Gang zu kommen. "Denn Schonen wie längere Bettruhe schadet mehr, als dass es nutzt", erklärt Becker. "Besser ist es, sich wohldosiert zu belasten." Selbst leichte sportliche Aktivitäten sind wünschenswert - sogar dann, wenn es schmerzt.

Für viele Menschen werden Rückenschmerzen zum regelmäßigen Begleiter. In gewissen Abständen kehren sie immer wieder. Um die Beschwerden dauerhaft zu besiegen, bedarf es - nach der akuten Behandlung - eines aktiven Lebensstils, am besten mit Kraft- und Ausdauertraining.

Entscheidend ist, dass man regelmäßig trainiert

Ein für die Rückenmuskeln geeignetes Übungsprogramm kann man anfangs mit einem Physiotherapeuten erarbeiten. Anschließend können es die Betroffenen selbstständig durchführen. Entscheidend ist, dass man regelmäßig trainiert. Gelingt das, gehören die Beschwerden meist der Vergangenheit an. Becker warnt jedoch davor, sich nach einer gewissen Zeit in Sicherheit zu wiegen: "Wird das Training vernachlässigt, kommen die Beschwerden oft wieder."

Klettertraining zuhause? Ein paar Anregungen aus dem Netz:

Text von Dr. Ralph Müller-Gesser