Über- und Fehlbelastung erkennen & vermeiden

Fertige Finger beim Klettern? Das muss nicht sein!

Ohne sie geht beim Klettern nichts: Hände und Finger. Aber sie müssen auch extremen Belastungen standhalten. Nicht immer ohne Folgen. Hier erklären wir euch, wie ihr schonend in die Vertikale starten könnt.

Fertige Finger beim Klettern? Das muss nicht sein!
© IMAGO / GEPA pictures

Sport- und Felsklettern: Ursache für Überbelastungen

Sportklettern hat in den letzten 20 Jahren in Deutschland enorm an Beliebtheit gewonnen. Angesichts der Anforderungen, die der Sport mit sich bringt, überrascht es nicht, dass häufig Verletzungen und Überlastungen an Händen und Fingern auftreten. Dr. Matthias Hoppert, Orthopäde aus München, sagt: "Die hohe Krafteinwirkung bei speziellen Grifftechniken ist dabei meist die Ursache."

<p>Mehr als 20 verschiedene Krankheitsbilder an Händen und Fingern sprechen eine deutliche Sprache.</p>

Mehr als 20 verschiedene Krankheitsbilder an Händen und Fingern sprechen eine deutliche Sprache.

Die Probleme sind vielfältig: Mehr als 20 verschiedene Krankheitsbilder an Händen und Fingern sprechen eine deutliche Sprache. "Wichtig für die Diagnosefindung ist eine exakte Beschreibung der Beschwerden", erläutert Hoppert. So will der Arzt beispielsweise wissen, ob das Problem akut aufgetreten ist oder sich langsam entwickelt hat.

Die klinische Untersuchung umfasst verschiedene Tests und lässt meist bereits eine Verdachtsdiagnose zu. "Röntgenaufnahmen und Ultraschall ergänzen die Diagnostik. Nur in Ausnahmen sind Kernspin- oder Computertomographie-Aufnahmen sinnvoll", sagt Hoppert.

Sport- und Felsklettern: häufige Fingerprobleme

  • Ringbandverletzung: Dabei handelt es sich um die häufigste Handverletzung bei Kletterern. Die langen Beugesehnen der Finger werden durch fünf Ringbänder und drei Kreuzbänder gesichert. Besonders die Ringbänder sind bei Sportkletterern einer hohen Krafteinwirkung ausgesetzt. Bei Überlastung kann es zu Zerrungen oder auch Rissen kommen. Die Betroffenen empfinden einen örtlichen, dumpfen Schmerz, der sich bei Druck verstärkt. Bluterguss und Schwellung können ebenfalls auftreten. Das sogenannte "Bowstring- Phänomen" ist wegweisend für die Diagnose: Beim Anspannen gegen Widerstand treten die Sehnen hervor. Ist nur ein Ringband verletzt, reicht meist eine konservative Behandlung mit einer kurzen Ruhigstellung, die frühzeitig durch krankengymnastische Bewegungsübungen ergänzt wird. Bei gleichzeitiger Verletzung mehrerer Ringbänder dagegen müssen diese im Rahmen einer Operation genäht werden. Betroffene sollten anfangs den verletzten Finger mit einem Tapeverband sichern, wenn sie wieder klettern.

  • Sehnenscheidenentzündung: Sehnen und Sehnenscheiden sind vor allem durch Überlastung gefährdet. Bisweilen reicht eine einmalige massive Überanstrengung, z.B. ein besonders umfangreiches Training. Meist aber wird das Gewebe mehrmals in Folge überlastet, entzündet sich, schwillt an und schmerzt. Im Ultraschall erkennt der Arzt nicht selten eine Flüssigkeitsansammlung – eine Folge der Entzündung. Die grundsätzliche Gefahr bei dieser Art von Beschwerden: Sie können chronifizieren, wenn die Belastung trotz Schmerzen nicht vermindert wird. Das erschwert die Therapie, auch weil die Entzündung zu Gewebswucherungen und Verklebungen führen kann. In diesen Fällen ist dann unter Umständen sogar ein operativer Eingriff nötig. Ansonsten reichen eine konsequente Sportpause, entzündungshemmende Medikamente, Kühlen und Bürstenmassagen aus. Wird der Sport wieder aufgenommen, sind – zumindest am Anfang – Tapeverbände empfehlenswert.

  • Lumbricalis-Shift-Phänomen: Diese seltene Verletzung kommt fast ausschließlich bei Kletterern vor. Sie tritt als Überlastungsfolge beim Einfingerlochzug auf: Wenn ein Finger gestreckt ist, während die anderen gebeugt werden, verschieben sich bestimmte Sehnen gegeneinander. Das Problem: Ihre Muskeln haben den gleichen Ursprung, sodass die entstehenden Kräfte zu Muskelrissen und Zerrungen führen können. Die ziehenden Schmerzen lokalisiert der Sportler meist sehr gut, seitlich am Grundglied des Fingers. Örtliche schmerzlindernde Maßnahmen wie Salben und Kühlen werden durch spezifische Dehnübungen sowie Tapeverbände ergänzt.

  • Verletzung des Kapselband-Apparates: Kapseln und Bänder der Finger sind dann gefährdet, wenn der Sportler in Fingerlöchern verkantet. Betroffen sind oft die Seitenbänder und die Kapseln der Fingerend- und -Mittelgelenke. Tapeverbände sowie Schienen oder gar Gips kommen zur Ruhigstellung in Frage. Rutscht ein Kletterer bei hängender Fingerposition ab, kann er sich die Beugesehnen zerren oder sogar einreißen. Dann treten Schmerzen im Bereich der betroffenen Beugesehne, aber auch am Unterarm auf. Bisweilen lässt sich die Diagnose nur mit Ultraschall und Kernspin stellen. Typischerweise dauert die Heilung sehr lang. Oft hat der Sportler noch drei bis vier Monate später bei Belastung Beschwerden.

  • Ganglion: Im Volksmund heißen die gutartigen Wucherungen "Überbein". Dabei handelt es sich aber nicht um einen zusätzlichen Knochen, sondern um eine mit zäher Flüssigkeit gefüllte Gewebskammer. Ursache sind wiederholte Minischäden der Kapsel oder Sehenscheide. Bei Kletterern treten sie an der Streckseite der Fingerendgelenke, seltener im Bereich der Beugesehnen auf. Die Behandlung beschränkt sich darauf, die Symptome zu lindern – wenn das Ganglion überhaupt Probleme macht.

  • Arthritis und Arthrose: Hohe Druckbelastungen beim Klettern können dem Gelenkknorpel schaden. Mitunter führt dies zu einer akuten Entzündung im Gelenk (Arthritis). Es schwillt an und füllt sich mit Flüssigkeit. Die Behandlung umfasst eine Verminderung der Belastung, entzündungshemmende Medikamente, Kühlen und krankengymnastische Übungen. Vorsicht: Auf längere Sicht können nicht ausgeheilte Gelenkentzündungen eine frühzeitige Arthrose, hervorrufen.

Die acht wichtigsten Regeln für naturveträgliches Klettern findet ihr in dieser Bildergalerie:

Text von Ralph Müller-Gesser

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