Der erfolgreichste deutsche Ski-Weltcupfahrer im Interview

Felix Neureuther: "Wildfremde sagen mir, was meine Mama für sie bedeutet hat"

Im Exklusiv-Interview mit ALPIN sprach der erfolgreichste deutsche Ski-Weltcupfahrer Felix Neureuther mit uns über die Familie, den Skisport im (Klima-) Wandel und die Gesellschaft.

Felix Neureuther: "Das wichtigste ist ein respektvoller Umgang miteinander."
© Hansi Heckmair

Felix Neureuther: Buchautor, TV-Experte & Leiter eines Kinder-Sport-Programms

Felix Neureuther, Jahrgang 1984, beendete seine Skikarriere 2019. Seither ist er als ARD-Ski-Experte tätig und nimmt dabei genauso wenig ein Blatt vor den Mund wie in seinen Fernsehreportagen über die Olympischen Spiele oder den Skisport in Zeiten des Klimawandels. Denn das Leben draußen in der Natur und natürlich auch die Zukunft des Skifahrens in den Alpen liegt dem ­dreifachen Familien­vater besonders am Herzen.

<p>ALPIN-Redakteuer Andreas Erkens mit Felix Neureuther.</p>

ALPIN-Redakteuer Andreas Erkens mit Felix Neureuther.

© Julian Bückers

Felix Neureuther im Interview

Eine Frage zum Aufwärmen: Wann warst du zuletzt für dich allein alpin Skifahren?

In den letzten 2 Jahren war das ein Tag!

Ok, hast du keine Lust mehr auf Piste?

Doch, aber der Aufwand ist mir einfach zu groß. Wenn ich mal Zeit für mich hab, gehe ich lieber Langlaufen oder Laufen. Dann will ich was für meinen Körper tun, weil ich dann glücklicher zurückkomme. Und ich genieße die Ruhe und dass mich keiner erkennt. So kann ich einfach meinen Trott machen. Das ist wichtig für den Kopf. Aber wenn es einen halben Meter schneit, bin ich der Erste an der Gondel!

<p>Familienzeit: Felix und Miriam Neureuther auf der Loipe.</p>

Familienzeit: Felix und Miriam Neureuther auf der Loipe.

© Archiv Neureuther

Beschreib dich bitte mal kurz selbst.

Ich bin extrem bodenständig, außerdem sehr respektvoll anderen gegenüber und auch ­chaotisch (lacht).

Was schätzt du an anderen?

Das Wichtigste ist mir ein respektvoller Umgang miteinander. Denn jeder ist für mich gleich. Egal, welche Rolle er oder sie in der Gesellschaft hat. Wenn sich jemand über andere stellt, komme ich damit nicht klar. Ich schätze erfolgreiche Menschen, die normal geblieben sind. Meine Mama hat das ganz brutal vorgelebt. Und so sind wir aufgewachsen. Das habe ich sehr an ihr geschätzt! Leider Gottes ist das mittlerweile selten. Stattdessen ist alles immer nur auf Macht und Profit ausgerichtet.

<p>Ein mittlerweile eher seltenes Bild: Felix Neureuther auf der Skipiste.</p>

Ein mittlerweile eher seltenes Bild: Felix Neureuther auf der Skipiste.

© Schöffel

Felix Neureuther über den Tod seiner Mutter Rosi Mittermaier

Nach dem Tod deiner Mutter habt ihr eine schwere Zeit. Was hat dich seither am meisten überrascht?

Das zu verarbeiten, wird für uns noch ein langer Prozess sein. Weil wir uns ­extrem nah waren und auch immer noch sind. Die Leute nennen sie 'Gold-Rosi', aber des war und is mei Mama! Mir ist eigentlich erst nach ihrem Tod so richtig bewusst geworden, welchen Einfluss sie ihr Leben lang auf Menschen hatte.

Wegen der großen Anteilnahme?

Ja, weil es der Wahnsinn war, wie viele Menschen uns geschrieben haben! Wildfremde nehmen mich in den Arm und weinen. Sagen mir, was meine Mama für sie bedeutet hat. Für mich war sie aber nie eine Person des öffentlichen Lebens. Das haben wir nie zu spüren bekommen. Eine ganz große Leistung von ihr.

Was konnte man von ihr lernen?

Diese Normalität und Bodenständigkeit eben. Dass ihr der Erfolg oder das Streben danach völlig egal war. Ich glaub’, sie hat sich über Gänseblümchen mehr gefreut als über ihre zwei ­Olympia-Goldmedaillen.

<p>Zu Weihnachten gab es genau ein Paar Ski.</p>

Zu Weihnachten gab es genau ein Paar Ski.

© Archiv Neureuther

Felix Neureuther: Rückblick auf den Leistungssport

Welche Rolle haben deine Eltern für dein Leben als Leistungssportler gespielt?

Eine sehr große natürlich. Aber sie haben mich nie zu etwas gedrängt. Der Papa hat die Dinge in die richtige Richtung gelenkt, ohne dass ich es gespürt habe. Eine sehr große Kunst! Denn als "Sohn von" war der Weg nicht immer leicht. Nicht viele Kinder berühmter Sportler haben es geschafft. 

Meine Schwester und ich hatten aber eine ganz normale Kindheit. Lange wusste ich auch gar nicht, dass meine Eltern damals so gute Skifahrer waren. Mein Papa hatte mit Erbacher eine eigene Skifirma. Für ihn wäre es ein Leichtes gewesen, uns Ski zu besorgen. Trotzdem gab es immer nur ein Paar zu Weihnachten. Und selbstverständlich war alles sowieso nie.

<p>Felix Neureuther mit der Bronzemedaille im Slalom 2017 St.  Moritz.</p>

Felix Neureuther mit der Bronzemedaille im Slalom 2017 St. Moritz.

© Nordica

Käme für dich heute ein Engagement beim Deutschen Skiverband in Frage?

Nein. Wenn ich das Gefühl hätte, dass ich dort etwas verändern könnte, würde ich das sofort machen. Aber dieses System ist so eingerostet und so zerfahren. Bis du da in einer Position bist, wo du wirklich etwas verändern kannst, musst du viele Türklinken putzen. Dazu bin ich nicht bereit. Ich würde zu viel Energie in etwas stecken, wo nichts rauskommen wird. Daran würde ich mich auf Kosten der Familie aufarbeiten. Das ist es nicht Wert.

Felix Neureuther über Nachhaltigkeit und die Freude an Bewegung

Du engagierst dich sehr für Natur und Nachhaltigkeit. Weil du jetzt älter bist oder wegen deiner eigenen Kinder?

Da kommt vieles zusammen. Natürlich haben sich die Zeiten auch geändert. Ich verteufel den Skisport ja nicht, im Gegenteil! Für mich ist wichtig, dass die Menschen rausgehen in die Natur, das Skifahren genießen. Darum steht der Skisport vor zwei Riesenaufgaben. Zum einen, die Glaubwürdigkeit zu erhalten, damit die Menschen noch guten Gewissens Skifahren gehen können. Und zum anderen muss ein Umdenken in der ­Ski-Industrie stattfinden. 

<p>Genießt die Ruhe in den Bergen - am liebsten zu Hause.</p>

Genießt die Ruhe in den Bergen - am liebsten zu Hause.

© Schöffel

Im Großen wie im Kleinen: Alle müssen ihren Teil dazu beitragen, den CO2-Abdruck zu verringern. Das war auch die Intention für meinen letzten Film. Ich wollte deutlich machen, dass es schon viele gute Ansätze gibt. Denn man zeigt immer mit dem Finger auf den Skisport. Weil viele Dinge passieren, die nicht gut sind. Etwa, dass Kitzbühel im Oktober ein Schneeband zum Skifahren ­präpariert, während drumherum noch die Kühe grasen. Das geht heutzutage nicht mehr. 

Oder Anfang November in Zermatt und in China eine Weltcup-Abfahrt zu veranstalten, wo Bagger die Gletscherspalten zuschaufeln müssen – nicht mehr zeitgemäß! Ebenso der Rennkalender, der Mitte ­Oktober anfängt. Andererseits: Was bringt es, wenn wir jetzt hier in Garmisch alles abbauen und Skifahren bei uns nicht mehr stattfindet? Dann werden dieses Tal und seine Menschen total ruiniert sein, weil kein Geld mehr da ist. Und Skifahren findet einfach irgendwo anders statt. 

Deswegen müssen wir doch versuchen, Dinge zu fördern, die schon bestehen. Es muss ja nicht alles immer noch größer und mehr werden. Stattdessen sollte man eher in die Forschung investieren. Damit Beschneiung und Lift­anlagen energieeffizienter ­werden. Und die Natur so umweltfreundlich wie möglich genutzt wird. Denn Skifahren ist so etwas Geniales!

Und wie soll das gehen?

Bei den großen Verbänden geht es einfach nicht mehr um das Produkt, sondern nur noch um Kommerz. Das tut mir im Herzen weh. Aber ich weiß nicht, ob die Verantwortlichen schon bereit sind für das nötige Umdenken. Also müssen wir die Jungen anpacken, in die richtige Richtung lenken, durch Bildung und Erziehung.

Darum engagierst du dich so für Kinder?

Ja, auch. Weil ich eben andere Werte vermitteln will. Deswegen schreibe ich Kinderbücher und habe mein Programm "Beweg dich schlau" entwickelt, das meine Stiftung finanziert. Mir sind solche Werte sehr wichtig! Ich glaube, dass man dadurch viel verändern kann.

© Julian Bückers

2022 hast du den bayerischen Verfassungsorden erhalten. Wofür?

Das weiß ich auch nicht. Es geht da wohl um Werte (lacht). Ganz ehrlich: Da waren so unglaublich tolle Menschen und dann komm ich daher. Warum also ich?

Denk doch mal an das, was du vorhin über deine Mutter gesagt hast und ihre Rolle für die Gesellschaft.

Aber so sehe ich mich ja gar nicht! Da hört man dann in der Laudatio, was über einen gesagt wird. Das ist mir unangenehm. Ich bin der Felix, fertig. Mehr nicht.

Was genießt du am Berg besonders und wo bist du am liebsten unterwegs?

Die Ruhe. Nirgends hast du so viel Ruhe! Alles hat seinen Charme. Aber dahoam ist halt dahoam. Ich brauch nirgends hin. Wir haben das große Glück, dort zu Hause sein zu dürfen, wo andere Urlaub machen. Das weiß ich sehr zu schätzen.

Deine letzten Worte?

D’Leit sollen rausgehen, sich bewegen, Spaß haben und freundlich miteinander umgehen. Das ist meine Botschaft.

Die besten Comics zum Thema "Nachhaltigkeit & Umweltschutz" von Georg Sojer:

Text von Andreas Erkens

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