Die mehrfache Biathlon-Olympiasiegerin im Interview

Laura Dahlmeier: "Ohne Berge könnte ich nicht leben!"

Im Exklusiv-Interview mit ALPIN verrät die mehrfache Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier, warum Berge mehr als ein Hobby sind und wie ihr Leben nach dem Leistungssport aussieht.

Laura Dahlmeier: Ohne Berge könnte ich nicht leben!
© Julian Bückers

Laura Dahlmeier: Die Taussendsassa

Ein goldener Herbsttag. Der Konglomerat-Fels des Herrgottschrofens in Garmisch leuchtet hell. Die Bäume ringsum haben fast alle Blätter abgeworfen. Leise rauscht die Loisach unterhalb der Felswand. Apropos rauschen: Eine Radfahrerin kommt mit Mountainbike und Rucksack angerauscht, schwingt sich vom Rad, so dass ihre Locken fliegen – an ihrem Markenzeichen ist Laura Dahlmeier eindeutig zu erkennen! 

Sie setzt sich still auf die kleine Holzbank und genießt die warme Nachmittagssonne. Ein kurzer Moment der Ruhe vor unserem Gespräch. Gar nicht so einfach, das zu terminieren. Laura ist viel beschäftigt. Neben ihrem Studium der Sportwissenschaften, der Arbeit als TV-Wintersport-Expertin engagiert sie sich in der heimischen Bergwacht, schreibt ein Buch und absolviert die Ausbildung zur Bergführerin. Das alles fordert ein straffes Zeitmanagement.

<p>ALPIN-Redakteuer Andreas Erkens mit Laura Dahlmeier am Herrgottschrofen.</p>

ALPIN-Redakteuer Andreas Erkens mit Laura Dahlmeier am Herrgottschrofen.

© Julian Bückers

Laura Dahlmeier im Interview

Du schreibst gerade ein Buch, bist TV-Wintersport-Expertin, studierst Sport, bist in der Bergführer-Ausbildung …

… wo ich gerade Theorieprüfung geschrieben habe. Außerdem sitze ich an meiner Bachelorarbeit. Das sind gerade riesengroße Baustellen, weshalb ich mich ja so auf die Pausetaste freue. (lacht)

Im Rückblick: War der Fokus auf den Leistungssport eine gute Prioritätsvorgabe?

Das ist ein super Schutzschild, natürlich! Also die beste Ausrede. Du kannst immer sagen, 'Ich muss trainieren.' Aber es ist natürlich auch einseitig, weil du nur den Sport hast. Mit all seinen Vorgaben, dem Terminplan, den Rennen und auch der festen Urlaubszeit.

<p>Laura Dahlmeier triumphiert bei Olympia in Pyeongchang 2018.</p>

Laura Dahlmeier triumphiert bei Olympia in Pyeongchang 2018.

© picture alliance / Sven Simon

Was hast du aus deiner aktiven Zeit mitgenommen für deinen Alltag heute?

Einerseits die sportlichen Fähigkeiten wie Ausdauer und Koordination. Andererseits Willensstärke. Wenn ich etwas will, kann ich mich extrem gut fokussieren, alles reinlegen und versuchen, es wirklich hundertprozentig durchzuziehen. Und zuletzt Planung: Ich musste als Sportlerin schon sehr früh verschiedene Sachen unter einen Hut bringen.

Und hast du etwas für die Berge gelernt?

Den Fokus. Etwa in einer schweren Kletterstelle. Wenn ich mich unwohl fühle, schaffe ich es so, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten oder nur auf diesen einzelnen Kletterzug. Das Außenrum blende ich komplett aus – vergleichbar zum Schießen früher. Da darf man auch nicht vor der Schussabgabe überlegen, wie viele Leute eigentlich gerade im Stadion sind und Lärm machen. Das kann man dann im Ziel wieder analysieren.

Machst du den Bergführer nur für dich oder willst du wirklich später führen? 

Beides. Die meisten Bergsteiger oder Kletterer haben sicher früher oder später kurz überlegt, ob der Beruf nicht etwas für sie wäre. So ging’s mir auch. Lange dachte ich, dass mir die Fähigkeiten dafür fehlen. Weil der Aufnahmetest nicht einfach ist. Aber irgendwann hab ich’s einfach probiert. Ich hatte ja nichts zu verlieren. Schließlich hat es auf Anhieb geklappt! Was ich mal damit machen will? In jedem Fall auch selbst führen, da es sehr viel Spaß macht, andere dabei zu unterstützen ihre persönlichen Gipfel zu erreichen. Aber nicht Vollzeit, das wäre zu krass. So kann man sich die Leidenschaft für die Berge nämlich auch versauen.

<p>Laura Dahlmeier mit den Huberbuam bei der Ankunft am Eccles-Biwak am Montblanc.</p>

Laura Dahlmeier mit den Huberbuam bei der Ankunft am Eccles-Biwak am Montblanc.

© Terrex Mountaineering

Das Gute für dich: Du hast nicht den Druck, davon leben zu müssen, oder? 

Das nicht, aber die Leute erwarten meist sehr viel von mir. Ich bin nicht Bergführer-Anwärterin XY, sondern Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier, klar. Ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich das mit der Bergführerei verknüpfe: Das wird das Spannende für die Zukunft.

Jetzt studierst du Sportwissenschaft?

Mir war es sehr wichtig, nach dem Leistungssport etwas für den Kopf zu tun, was mich wirklich interessiert. Und ich wollte verstehen, wie im Sport alles funktioniert, was die theoretischen Hintergründe sind. Spannend, wie viele Facetten Sport hat. Schade nur, dass das Studium so theoretisch ist. Ich hätte gerne mehr sportpraktische Fächer gehabt.

<p>Laura Dahlemeier nach dem Durchstieg der Salathé-Wall am El Capitan im Yosemite Valley.</p>

Laura Dahlemeier nach dem Durchstieg der Salathé-Wall am El Capitan im Yosemite Valley.

© Archiv Dahlmeier

Du bist extrem bekannt. Wie war das für deine Familie? Deine Mama kennt das Thema Öffentlichkeit ja als ehemalige Profi-Mountainbikerin? 

Das ist vor allem für Geschwister schwierig. Mein Bruder wurde nie nach seiner Person gefragt, nur nach mir. Dabei hat er sein eigenes Leben! Das war nicht immer einfach für ihn. Aber wir haben ein super Verhältnis. Er ist ein feiner Kerl und erträgt alles mit Fassung. Für Eltern ist das anders. Die sind stolz auf ihre Kinder und sprechen natürlich gern über sie. Aber auch für Eltern ist es wichtig, ein eigenes Leben zu haben. Meine Mama ist Goldschmiedin, mein Papa hat das Einrichtungsgeschäft, ist in der Bergwacht aktiv. Die beiden haben selbst genug geschafft, auf das sie stolz sein können.

Du hast mal ein Kinderbuch zum Thema Nachhaltigkeit geschrieben. Liegen dir die beiden Themen am Herzen? 

Kinder auf jeden Fall. Sie sind die Erwachsenen von morgen! Und wir sollten sie ernst nehmen, denn sie checken so viel mehr, als wir denken, und sind so viel schlauer! Wenn wir die Möglichkeit haben, ihnen Positives mitzugeben, können wir so auch unsere Zukunft positiv verändern und mitbestimmen.

Und das Thema Nachhaltigkeit?

Ich bin echt gern und viel draußen. Es macht mich traurig, zu sehen, wie sich die Welt, insbesondere die Bergwelt, in der kurzen Zeit verändert hat, seit ich lebe. Den Fakten müssen wir ins Auge sehen und auch lernen damit umzugehen. Was wir früher falsch gemacht haben, können wir zwar nicht mehr ändern, aber überlegen, wie wir und kommende Generationen unsere Zukunft gestalten wollen

Versuchst du nachhaltig zu leben? 

Mir ist wichtig, aufmerksam zu sein. Dinge wahrzunehmen. Ich sammle Informationen, da ich nur ungern etwas konsumiere, das mir vorgesetzt wird. Gleichzeitig überdenke ich mein Handeln und ändere meine Gewohnheiten und mein Konsumverhalten. Zum Bespiel beim Thema Mobilität. Ich bin Fan von Fahrgemeinschaften und fahre ein Hybridmodell. Zu Terminen reise ich, wenn möglich mit dem Zug und falls ich einmal fliegen muss, kompensiere ich die CO2-Emissionen. 

Ich ernähre mich von regionalen Bio- und Fairtrade-Produkten und habe meinen Fleischkonsum stark reduziert. Bei meiner Ausrüstung achte ich auf nachhaltige Technologien und Materialien. Und seit über zehn Jahren haben wir eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Mir ist bewusst, dass viele Menschen auf mich schauen und hören. Aber ich bin sicherlich in vielen Punkten gar kein Vorbild. So viel, wie ich schon von einer Veranstaltung zur nächsten geflogen bin, reisen andere im Leben nicht! Darum ist es auch in Sachen Nachhaltigkeit ganz wichtig, zu überlegen: Was hat welche Veränderungen zur Folge und was kann ich selber machen im kleinen Umfang.

Ein spannender Gedanke, dass Nachhaltigkeit im Kleinen anfangen muss! 

Statt sich Gedanken über den Bau einer Photovoltaik-Anlage zu machen, lautet doch vielleicht die Frage, ob man überhaupt ein Haus braucht. Muss immer alles noch mehr werden? Das war vielleicht in der Generation meiner Großeltern so: Man brauchte mehr Fläche, Häuser, Grund, Reisen, Urlaub, Klamotten. Damals war das cool. Aber die heutige Generation sagt: Hey, weniger ist mehr!

Kann die Biathletin Laura etwas von der Bergsportlerin lernen und umgekehrt?

Die Bergsportlerin könnte sich von der Biathletin abschauen, strikter nach einem Trainingsplan auf Ziele hinzutrainieren und sie dann auch wirklich zu erreichen. Und die Biathletin könnte von der Bergsportlerin lernen, wie man Erfolge feiert. 

Mit welchem Vorurteil würdest du gerne mal aufräumen? 

Dass ich den ganzen Tag nur Sport mache. Denn ganz so ist es nicht. Auf Social Media teile ich gern mir wichtige Inhalte und dazu gehört halt einfach keine lästige Büroarbeit ... (lacht).

Die besten Cartoons zum Thema "Nachhaltigkeit & Umweltschutz" von Georg Sojer:

Text von Andreas Erkens

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