Über den Nordgrat auf Ötzis Grabwächter

Bergporträt: Die Fineilspitze (3.516 m)

Im Gipfelmeer der Ötztaler Dreitausender nimmt die Fineilspitze eine Sonderstellung ein. Sie ist ein ganz und gar zentraler Berg: An der Schnittstelle zwischen dem Gurgler Hauptkamm und dem Weißkamm gelegen, ist ihr unverwechselbares Gipfeltrapez von nahezu jedem anderen Ötztaler Berg gut sichtbar.

Die Fineilspitze bildet das Zentrum des Ötztaler Dreitausender-Gipfelmeeres.
© IMAGO / blickwinkel

Obwohl sie nicht ganz in die höchsten Höhen der Ötztaler Gipfelwelt hinaufragt, ist die Fineilspitze eine absolut elegante Erscheinung. Keine Grande Dame wie die Weißkugel, aber eine anmutige Prinzessin. Auch wenn das Eis auf den umliegenden Gletschern merklich dünner wird, trägt sie die Nase noch immer recht hoch.

Später im Jahr kommt dann mit zunehmender Ausaperung der Schutt so ziemlich überall zum Vorschein. Und spätestens ab August oder September mutiert die strahlende Eisprinzessin meist zum Aschenbrödel.

<p>Ein sanfter Firn- oder Blockgrat leitet entspannt  zum höchsten Punkt.</p>

Ein sanfter Firn- oder Blockgrat leitet entspannt zum höchsten Punkt.

© Herbert Raffalt

Die Fineilspitze: Lage

Im Gipfelmeer der Ötztaler Dreitausender nimmt die Fineilspitze eine Sonderstellung ein. Sie ist ein ganz und gar zentraler Berg: An der Schnittstelle zwischen dem Gurgler Hauptkamm und dem Weißkamm gelegen, ist ihr unverwechselbares Gipfeltrapez von nahezu jedem anderen Ötztaler Berg gut sichtbar. 

<p>Gipfelkonferenz auf der Fineilspitze: Seit Jahrtausenden werden rund um  diesen Berg die Alpen überquert.   </p>

Gipfelkonferenz auf der Fineilspitze: Seit Jahrtausenden werden rund um diesen Berg die Alpen überquert.

© Herbert Raffalt

Zu ihren Füßen sind mit dem Nieder- und Hochjoch zwei Passwege eingeschnitten, auf denen die Menschen wohl schon seit Urzeiten die karge Hochgebirgswelt durchquert hatten.

Die Fineilspitze: Historisches

Direkt unter dem Gipfelaufbau der Fineilspitze wurde am 19. September 1991 in einer Gletschermulde zwischen Hauslab- und Tisenjoch die mumifizierte Leiche eines jungsteinzeitlichen Jägers entdeckt. Für die Wissenschaftler ein sensationeller Fund, für die internationalen Medien ein gefundenes Fressen: „Ötzi“ gelangte in kürzester Zeit zu Weltruhm. Etwa 5300 Jahre dürfte die Mumie gefriergetrocknet im Eis gelegen haben, ehe der außergewöhnlich heiße Sommer 1991 den Leichnam ausapern ließ.

Ganz anders fanden die touristischen Erstbesteiger die Fineilspitze am 8. September 1865 vor. Der Venter Pfarrer (und Mitbegründer des Alpenvereins) Franz Senn kam mit seinem Begleiter Cyprian Granbichler und dem Maultiertreiber Josef Gstrein über den Hochjochferner heraufgestapft – "… ein wahres Labyrinth mächtiger Klüfte mühsam passirend …". 

Der Weiterweg schien den ortskundigen Pionieren kaum Schwierigkeiten in den Weg zu stellen, "blos die letzte, zum Hoch- und Niederjoch senkrecht abfallende Schneide der Spitze nöthigte die Bergsteiger, den höchsten Punkt reitend, wie auf einem Sattel, zu erklimmen." Das waren noch Zeiten!

<p>Von der Fineilspitze locken zügige Abfahrten für Skitourengeher  </p>

Von der Fineilspitze locken zügige Abfahrten für Skitourengeher

© Herbert Raffalt

Die Fineilspitze: Im Frühjahr eine beliebte Skitour

Wer die Fineilspitze wie einst Franz Senn erleben möchte, kommt im Frühling mit Ski oder Schneeschuh, wenn die Lawinenverhältnisse auf den langen Zustiegen durch das Nieder- und Rofental es zulassen. Dann glitzert der Nordostgrat manchmal noch als makellose Firnschneide und in der kurzen Nordwand können angehende Eisprinzen und Eisprinzesinnen sich an die ersten Schritte im steilen Firn wagen.

<p>Der teils felsige, teils eisige Nordostgrat am pyramidenförmigen  Gipfelaufbau erfordert noch einmal ordentliches Zupacken.</p>

Der teils felsige, teils eisige Nordostgrat am pyramidenförmigen Gipfelaufbau erfordert noch einmal ordentliches Zupacken.

© Herbert Raffalt

Die Fineilspitze: Über den Nordgrat auf Ötzis Grabwächter

<p>Fineilspitze: Die Tour in der Übersicht.</p>

Fineilspitze: Die Tour in der Übersicht.

© Tyrolia Verlag
  • Schwierigkeit: Der Zustieg verläuft über einen markierten Steig, später Steigspuren und ein kaum erwähnenswertes Gletscherrestchen. Der Grat selbst ist im oberen Bereich teilweise recht schmal und ausgesetzt, aber nicht steil, Felsstellen I–II (bei Vereisung eine heikle Angelegenheit), bis 40 Grad im Firn.

  • Höhenunterschied/Länge: Von der Martin-Busch-Hütte 1020 Hm, 3,5 Std. Aufstieg, 2,5 Std. Abstieg.

  • Material: Hochtourenausrüstung mit Seil, Pickel, Steigeisen.

  • Talort: Vent, 1896 m.

  • Ausgangspunkt: Gebührenpflichtige Parkmöglichkeit am Ortseingang von Vent. Nach Südwesten durch den Ort, über die Venter und Niedertaler Ache hinweg zum Eingang ins Niedertal, dort beginnt der Hüttenaufstieg.

  • Hütte: Martin-Busch-Hütte, 2501 m, DAV Berlin, bewirtschaftet Ende Juni bis Ende September sowie in der Skitourensaison von Mitte März bis Anfang Mai, sonst offener Winterraum. 21/2 Std. von Vent, hotel-vent.at

  • Route: Orientierungsprobleme sollte es auf dem Weg zur Fineilspitze kaum geben. An der Martin-Busch-Hütte folgt man dem Steig durch das Niedertal Richtung Similaunhütte. Auf etwa 2930 m zweigen "Beim Bild" nach rechts Steigspuren ins Moränengelände ab. Sie leiten auf den Gletscherrest unter dem Hauslabjoch. Im Bogen nach rechts in die weite Einsattelung und einem Firnbuckel nach Westen folgend auf den Gipfelaufbau der Fineilspitze zu. An einer Schulter wird der Grat deutlich schmaler. Je nach Verhältnissen über Firn oder Fels zum höchsten Punkt.

  • Abstieg: Ebenfalls über den Nordostgrat in 2,5 Std. zur Martin-Busch-Hütte.

  • Tipp: Mitte Juni und Mitte September findet der traditionelle Schafübertrieb über das Niederjoch statt. Etwa 2000 Schafe ziehen dann begleitet von Hirten und Hunden durch die hochalpine Landschaft auf die Sommerweiden oder in den heimischen Stall. Ein archaisches Bild – unbedingt sehenswert! Die Fineilspitze bietet von März bis Mai eine ausgesprochen schöne Skitour – Aufstieg von der Martin-Busch-Hütte, Abfahrt zum Hochjochhospiz. Dies ist auch eine Etappe auf der klassischen Ötztaler Ski-Durchquerung.

  • Weitere Routen: Nordwand und Nordgrat, 150 bzw. 250 Hm, beide 50 Grad im Firn/Eis, Stellen II im Fels, 3 Std. Zustieg, 1,5 Std. Kletterei, beide nur noch im Frühling empfehlenswert, da später im Jahr komplett ausgeapert.

<p>Austria Alpin - Große Gipfel Österreichs</p>

Austria Alpin - Große Gipfel Österreichs

© Tyrolia Verlag

Mit freundlicher Genehmigung aus:

Text von Robert Demmel

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