Was tun bei Unterkühlung im Gebirge?

Unterkühlung am Berg: Das große Zittern

Auf verschneiten Hängen durchs Gebirge gleiten oder an vereisten Wasserfällen in entlegenen Tälern klettern – die pure Wonne. Habt ihr dabei schonmal an das Risiko einer Unterkühlung gedacht? Solltet ihr. Denn sie ist eine große und oft unterschätzte Gefahr.

Unterkühlung ist eine der größten Gefahren auf Wintertouren.
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Sie kommt oft schnell und unerbittlich. Sie beginnt mit einer harmlosen Gänsehaut, die über den Körper schleicht. Dann nistet sie sich in den Gliedern ein und umklammert schließlich den ganzen Körper mit festem Griff. Unzählige konnten sich daraus nicht mehr lösen und schliefen für immer ein. Die Kälte und die durch sie verursachte Unterkühlung des Körpers ist eine große Gefahr – meist unterschätzt. Denn eine Unterkühlung hat nichts mit einem harmlosen Kältezittern zu tun. Sie kann ein lebensbedrohlicher Zustand werden.

Günter Durner weiß, wovon er spricht. Der geprüfte Berg- und Skiführer und Co-Autor des Buches "Erste Hilfe Bergrettung" erläutert: "Fast jede Aktivität im winterlichen Hochgebirge, die mit Aufstiegen, Pausen und Abstiegen oder Abfahrten verbunden ist, stellt hohe Aufgaben an die Regulation der Körpertemperatur. Das Wechselspiel von heiß und kalt birgt das Risiko. Kommt dann noch Wind, eine Verletzung oder ein Wetterumschwung dazu, sind die Grenzen der Belastbarkeit schnell erreicht."

Was ist Unterkühlung?

"Von Hypothermie oder Unterkühlung spricht man, wenn die Körperkerntemperatur unter 37 Grad sinkt", erklärt Durner. "Unser Körper versucht diesen Temperaturabfall auszugleichen, indem er die Wärmeproduktion erhöht und die Wärmeabgabe reduziert."

Im fortgeschrittenen Stadium schaltet er aus reinem Selbstschutz alle "überflüssigen" Funktionen ab – zuerst die Extremitäten, denn mit ihrer großen Oberfläche sind sie echte Energieverschwender. Die Blutgefäße ziehen sich zusammen und dadurch wird die Blutzufuhr gedrosselt. Mit der gesparten Energie versorgt unser Körper seinen Kern und erhält so die lebenswichtigen Funktionen. Lokale Erfrierungen an Fingern und Zehen, aber auch an der Nase und den Ohren nimmt er dafür in Kauf.

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Was sind die Gefahren einer Unterkühlung?

Erfrierungen sind allerdings nur in Extremfällen zu erwarten. Eine Unterkühlung hingegen bewertet Günter Durner als "eine permanent vorhandene Gefahr im Alpinismus." Bei einer Unterkühlung, die durch ein Lawinenunglück verursacht wurde, kann es zum sogenannten Afterdrop kommen. "Gelangt kaltes Körperschalenblut ins wärmere Innere, droht ein Herzinfarkt", warnt Durner.

"Daher darf der Bewusstlose nicht bewegt werden." Außerdem sollte der Gerettete nicht sofort komplett freigegraben werden. "Bleibt der Verunglückte im Schnee, ist er erstens nicht dem Wind ausgesetzt. Zweitens hat sich der Schnee durch die abgestrahlte Körperwärme komprimiert und hält – wie in einer Schneehöhle – die noch vorhandene Temperatur.

Risikofaktoren: Selbstüberschätzung & fehlerhafte Tourenplanung

Wer seine körperliche Fitness überschätzt, gerät schneller in brenzlige Situationen. Man ist erschöpft, macht mehr Pausen, das Ziel wird zu spät oder gar nicht erreicht. Diese Perspektive wirkt sich auf die Psyche aus: Der Stress nimmt zu. Stürze mit Verletzungen oder die pure Erschöpfung können dazu führen, dass man zusammenbricht und ungewollt eine Nacht im Freien verbringen muss. Akklimatisation, Training und entsprechende Erfahrung können vor solchen Ausnahmesituationen schützen.

So beuge ich einer Unterkühlung vor

Im Winter ist es besonders wichtig, die Körperwärme zu halten. Jeder kennt das: Vor der Tour packt man sich warm ein, dann, nach 10 bis 15 Minuten wird es warm unter den vielen Schichten. Kurz darauf wandern die ersten Kleidungsstücke in den Rucksack. Bläst hinter der nächsten Ecke der Wind, fährt einem die Kälte in die Glieder. Die gefühlte Temperatur kann schlagartig um 15 Grad Celsius sinken.

Frische trockene Kleidung, im Zwiebelschalenprinzip übereinandergezogen, ist das A und O. Sie sollte atmungsaktiv sein und nicht zu dicht am Körper aufliegen. Die äußersten Schichten – wie Jacke und Hose sollten auf alle Fälle winddicht sein. Durch feuchte Kleidung geht Körperwärme verloren. Also immer Wechselwäsche mitnehmen.

Achtung: Auch Funktionswäsche wird feucht! Ein hungriger Mensch friert schneller. Nahrung sollte besonders energiereich, Getränke gesüßt sein. Biwaksack und/oder Rettungsfolie gehören immer ins Gepäck.

Text von Silke Meusel