Exklusiv: Gerlinde Kaltenbrunner zum Drama am Dhaulagiri

Kaltenbrunner: "Der Berg wollte mich nicht"

Gerlinde Kaltenbrunner entging nur knapp dem Lawinentod am Dhaulagiri. Wenige Tage später hat Billi Bierling sie für Alpin.de in Kathmandu getroffen. Lesen Sie das exklusive Interview über die dramatischen Ereignisse am siebthöchsten Berg der Welt.

Kaltenbrunner: "Der Berg wollte mich nicht"
Heißer Draht nach Kathmandu: Billie Bierling für uns vor Ort.
Heißer Draht nach Kathmandu: Billie Bierling für uns vor Ort.

Ich traf Gerlinde, als sie gerade ihrem Mann Ralf Dujmovits, der von einer erfolgreichen Expedition zurück war , eine SMS schrieb. Es war schön, sie so wohlauf zu sehen, wobei während des Interviews deutlich zu spüren war, wie sehr ihr das Unglück am Dhaulagiri I zugesetzt hatte.

Gerlinde Kaltenbrunner: Im Moment ist meine Stimmung sehr gedämpft. Gestern wanderte ich wie im Traum durch Katmandu. Ich muss einfach ein wenig Abstand bekommen und jetzt freue ich mich jetzt erst einmal, meinen Mann Ralf wieder zu sehen!

Billi Bierling: Erst der Verlust der Ausrüstung in Lager II. Dann die Katastrophe. Stand die Expedition unter einem schlechten Stern?

Gerlinde Kaltenbrunner: Es ist von Anfang an sehr viel schief gelaufen. Ich glaube einfach, dass mich der Berg dieses Mal nicht wollte. Zur Meldung: Gerlinde Kaltenbrunner überlebt Lawinenunglück Billi Bierling: Wie wurdest Du von der Lawine überrascht?

Gerlinde Kaltenbrunner: Ich saß im Zelt und war gerade dabei einen Becher Wasser zu trinken als im nächsten Augenblick alles über mich einbrach. Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht richtig denken konnte.

Als die Welt noch in Ordnung war: Gerlinde Kaltenbrunner im Basecamp.
Als die Welt noch in Ordnung war: Gerlinde Kaltenbrunner im Basecamp.

Nach Stillstand der Lawine konnte Gerlinde atmen und hatte eine Hand frei. Der restliche Körper war vom Schnee begraben. Mit einem kleinen Messer konnte sie ein Loch in das Zelt schneiden und sich mühsam ausgraben.

Nur in Socken stand sie dann im Schnee. Vom Zelt der beiden Spanier Santiago Sagaste und Ricardo Valencia war nichts mehr zu sehen.

Billi Bierling: Was ging da in Dir vor?

Gerlinde Kaltenbrunner: Als ich das Ausmaß der Lawine sah, wurde mir ganz schlecht und ich begann einfach zu schreien. Dann habe ich so schnell wie möglich meine Schuhe und meinen Rucksack ausgeschaufelt und bin wie wahnsinnig zum verschütteten Zelt gelaufen. Ich habe geschaufelt wie verrückt und rief immer wieder Javis Namen. Ich dachte, alle drei Spanier seien in dem verschütteten Zelt, da Javi kurz vor dem Lawinenabgang noch zu Santiago und Ricardo ins Zelt gegangen war.

Sie schaufelte und schrie bis sie nach ca. zwei Metern auf etwas Hartes stieß - Santiagos Bergschuh.

Billi Bierling: Hat man da noch Hoffnung?

Gerlinde Kaltenbrunner: Mir war eigentlich schon bewusst, dass in diesem Zelt niemand mehr am Leben sein konnte, aber ich schaufelte weiter, bis ich auf Ricardos Hand stieß. Irgendwann hörte ich dann auf und rannte zu Javis Zelt. Ich rief immer wieder seinen Namen, obwohl ich mir sicher war, dass auch er verschüttet war. Plötzlich antwortete Javi mit verschlafener Stimme und fragte, was eigentlich los sei. Wie sich herausstellte schlief er in seinem Zelt tief und fest, ohne etwas von der Lawine mitbekommen zu haben. Er erzählte mir hinterher, dass er meine Stimme zwar gehört hatte, jedoch dachte, es sei ein Albtraum.

Gerlinde in Lager II.
Gerlinde in Lager II.

Billi Bierling: Noch mal zurück zu dem Verlust der gesamten Ausrüstung im Lager II. Wer macht denn so was?

Gerlinde Kaltenbrunner: Mir war es gleich klar, dass unser Depot nicht gestohlen wurde. Ich wusste, dass einige Italiener aufgrund ihrer Erfrierungen evakuiert werden mussten, und ich denke, dass ihre Sherpas unser Depot aus Versehen mitgenommen hatten.

Gerlinde Kaltenbrunner lässt sich von ihrer unglücklichen Expedition zum Dhaulagiri I nicht beirren. Im Juni startet sie Richtung Pakistan, um ihr Glück gemeinsam mit Ehemann Ralf am K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, zu versuchen. 8.000er Hauptgipfel von Gerlinde Kaltenbrunner Gerlinde Kaltenbrunner: Pakistan ist ein neuer Abschnitt für mich und ich könnte mir nicht vorstellen, dass ich die Expedition absage. Ich freue mich darauf und hoffe sehr, dass ich dort mehr Glück haben werde.

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