Es ist schon eine Leistung, alle Seven Summits der Alpen zu besteigen. Die Strecke dawischen auch noch mit dem Fahrrad zurückzulegen, ist umso bemerkenswerter. Im Juli 2017 brach Wendelin Reichl auf, um die höchsten Gipfel der Alpen zu besteigen. 2.400 Kilometer und 26.000 Höhenmeter legte er auf seiner Reise mit dem Fahrrad zurück.
Nachdem er seinen Master im Fach Kulturgeografie an der FAU in Nürnberg abgeschlossen hatte, war dem Franken nach einer großen körperlichen Challenge. "Ich wollte die Berge auf möglichst "ehrliche" Art und Weise besteigen. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, sie lückenlos mit dem Fahrrad zu verbinden - in nur einem Sommer", berichtet Reichl.
Nach sechs Monaten akribischer Planungsarbeiten, startete der begeisterte Bergsteiger sein Projekt, Ausgangspunk in Lindau am Bodensee. Wir haben mit ihm über sein Abenteuer gesprochen.
In unserem dreiteiligen Interview mit Slideshows könnt ihr lesen, wie es im auf seiner Tour ergangen ist.
Du bist Nürnberger, woher kommt dein Interesse für die Berge?
Ich war früher mit meinen Eltern in den Bergen, aber nur auf kleinen Wanderungen. Reaktiviert wurde mein Interesse für die Berge 2012 auf einer Exkursion. Ich habe Kulturgeografie studiert. Während des Bachelors ging es auf einer Exkursion durch die Alpen – einmal von Nord nach Süd, hauptsächlich durch die Schweiz, mit ungefähr 25 Leuten. Das war eine super interessante Geschichte, weil wir die Berge fachlich unterfüttert erleben konnten. Ich habe nach dem Ausflug Klettersteige, Wanderungen und Hochtouren gemacht, auf einem der Gipfel der Seven Summits der Alpen war ich aber noch nicht.
Hattest du nicht Bammel, dass deine Kräfte dich irgendwann verlassen, die Kondition nicht reicht?
Um die Kondition habe ich mir weniger Sorgen gemacht, weil ich davon ausgegangen bin, dass ich sie während der Tour einfach steigern werde. Angst hatte ich wegen der Wehwehche in der Vorbereitungszeit. Ich wollte mich mit Joggen auf die Tour vorbereiten, habe es damit aber übertrieben, wodurch meine Waden fast sechs Monate lang immer wieder verkrampft waren. Im Juni habe ich eine Vorbereitungstour auf die Rofelewand (3.354m) gemacht. Beim Abstieg über den Gletscher bin ich eingebrochen und hab mir das Knie angeschlagen, woraufhin ich gar keinen Sport mehr machen konnte. Und das zweieinhalb Wochen vor Beginn der Tour. Da musste ich dann fleißig die Übungen vom Physio machen, um wieder fit zu werden. Es hat perfekt hingehauen. Während der Tour bin ich tatsächlich beschwerdefrei geblieben.
Ueli Steck gab dir den entscheidenden Denkanstoß zu deinem Projekt bei einem Vortrag im Dezember 2016. Hat dich sein Tod am 30. April – also relativ kurz vor dem Start deiner Tour – dann nochmal zum Grübeln gebracht?
Bei solchen Ereignissen schluckt man immer erstmal. Ueli Steck hatte eine super Einstellung, die mir gefallen hat. Ich habe viel an ihn gedacht und es hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Aber schlussendlich muss man immer damit rechnen, dass etwas passieren kann, wenn man in den Bergen unterwegs ist.
Was haben deine Familie und deine Freunde zu deinem Projekt gesagt?
Meine Mutter hat sich Sorgen gemacht, aber sie hat sich das nicht so anmerken lassen. Dafür bin ich dankbar. Ich habe viel mit ihr telefoniert und sie hat von zuhause aus die ganze Logistik mit gesteuert. Die Freunde, die mich immer wieder ein Stück begleitet haben, haben von meiner Mutter die Sachen abgeholt, die ich gerade brauchte und mir dann mitgebracht. Auf dem Rückweg habe ich ihnen dann die Sachen mitgegeben, die ich nicht mehr brauchte und sie haben sie zu meiner Mutter gebracht. Einmal, als ich den Mont Blanc besteigen wollte, haben mir meine Füße so weh getan, dass ich befürchtete, ich hätte Erfrierungen erlitten. Da war dann auch die Psyche richtig down. Meine Mutter hat mir Mut zugeredet, obwohl ich genau wusste, dass sie eigentlich denkt "dann fahr doch einfach nach Hause".
Zum Mont Blanc kommen wir später. Zunächst zum Anfang Deiner Tour, die gleich mit einem Rückschlag startete.
Die erste Station war die Vordere Grauspitze, die ist dann gleich wortwörtlich ins Wasser gefallen. Zum einen war es dem Wetter geschuldet und zum anderen haben wir den Berg unterschätzt. Da ist teilweise wegloses Gelände, ohne Markierungen und Pfade. Im Nebel haben wir uns dann fürchterlich verfranzt. Das war total ernüchternd, weil der Berg, den wir eigentlich "so zum Warmmachen" als erstes ausgesucht hatten, gleich nicht geklappt hat. Ohne erfolgreiche Gipfelbesteigung sind wir dann zurück Richtung Bodensee gefahren. Ich habe schon ein wenig gezweifelt, ob ich überhaupt irgendeinen Berg schaffe, wenn ich schon beim niedrigsten Probleme habe. Aber ich wusste ja auch, es war zumindest kein körperliches Versagen, sondern dem Wetter geschuldet.
Dein erster erfolgreicher Berg war dann die Zugspitze. Wie war es auf Deutschlands höchstem Berg?
Vom Bodensee ging es durchs Allgäu zur Zugspitze. Das war ein anstrengender Fahrabschnitt, weil ich zu der Zeit sehr viel Gepäck dabeihatte. Später, als ich nur noch Hochtouren gemacht habe, konnte ich einiges an Ausrüstung mit meinen Kumpels zurück nach Nürnberg schicken. Am Anfang bin ich auch noch schnurstracks meinem Track hinterhergefahren. Ich hatte jede Etappe per GPS vorbereitet, aber nicht bis in allerletzte Detail. So musste ich einige Umwege fahren. Ich habe mich auf schmalen Pfaden in irgendwelchen Wäldern wiedergefunden, die als Down-Hill-Strecken ausgelegt waren. Die Weg-Findung hatte ich noch nicht so überrissen… An der Zugspitze habe ich mich mit zwei Freunden getroffen. Wir haben den Sonnenunter- und -aufgang auf der Zugspitze am Münchner Haus miterlebt. Das war beeindruckend.
Du hast dich akribisch auf die ganze Tour vorbereitet und dann seid ihr ohne Hochtourenausrüstung über den Höllentalferner auf die Zugspitze?
Es wäre schwierig geworden, die ganze Ausrüstung dort hinzubringen. Außerdem war die Informationslage ein bisschen verwirrend: Die meisten Leute bezeichnen den Gletscher als Schneefeld, obwohl es eben ein Gletscher ist. Mein Kumpel, mit dem ich hoch bin, war schon mal auf der Zugspitze. Als der aber dort war, hatte er eine viel höhere Schneeauflage. Er hatte es also auch als Schneefeld in Erinnerung. Schlussendlich muss ich zugeben, dass wir das ein bisschen unterschätzt hatten.
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