Riedberger Horn: Entscheidung mit Folgen

Änderung des Alpenplans: Droht der Dammbruch?

Um die Skischaukel am Riedberger Horn zu ermöglichen, hat das Bayerische Kabinett noch Ende März in einer Hauruck-Entscheidung die Änderung des Alpenplans in Gang gesetzt. Droht jetzt der Dammbruch?

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Wie brandgefährlich eine Ausnahme sein kann, haben Experten des Bayerischen Landesamts für Umwelt in ihrem grundlegenden Gutachten gegen die Ausbaupläne am Riedberger Horn betont. Die Schutzwirkung des Dreizonenplans werde damit erheblich geschwächt. Das seht auch Ihr so und habt Euch bei unserem Voting gegen eine Skischaukel am Riedberger Horn ausgesprochen. Anders sahen das die Bürger in Obermaiselstein und Balderschwang und votierten beim Bürgerentscheid für den Ausbau.

Rückblick: Der damals schon verbaute Wendelstein war 1971 der symbolische Ort für ein kommunales Gipfeltreffen, auf dem Bruno Erath vom Bayerischen Rundfunk den damals ersten Umweltminister Bayerns interviewte: "Herr Staatsminister Streibl, die Wahl dieses Tagungsortes ist demonstrativ für das, was hier behandelt werden soll. Der Wendelstein bietet doch ein Zeugnis dafür, wie eine verfehlte oder nicht vorhandene Planung einen Berg verunstalten kann."

<p>Der Wendelstein gilt als Negativ-Beispiel für die Verbauung im alpinen Raum. 1971 wurde auf seinem Gipfel der Bayerische Alpenplan ins  Leben gerufen.</p>

Der Wendelstein gilt als Negativ-Beispiel für die Verbauung im alpinen Raum. 1971 wurde auf seinem Gipfel der Bayerische Alpenplan ins  Leben gerufen.

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Und Max Streibl antwortete: "Sie haben ganz recht, dieser Ort wurde ganz bewusst gewählt, weil er als Beispiel dient für die Erschließung, wie sie früher war – und weil er auf der anderen Seite den Blick bietet auf Gebiete, die noch unerschlossen sind und die erhalten werden sollen."

In dieser Geburtsstunde des Bayerischen Alpenplans zeigte sich ein wertkonservativer Grundgedanke: Naturschutz ist Heimatschutz und steht daher ganz oben auf der politischen Agenda.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Alpenvereins, Günther Hauser, warnte angesichts bereits existierender Seilbahnplanungen am Watzmann vor jeglichen Abweichungen: "Wir fürchten uns vor diesen Ausnahmegenehmigungen – das ist Salamitaktik. Man schneidet das Naturschutzgebiet an und dann geht das so weiter. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Watzmanngipfel eines Tages genauso aussieht wie die Zugspitze."

<p>Als Teil des Landesentwicklungsprogramms teilt der Alpenplan die bayerischen Alpen in drei Zonen ein. In Zone A können Erschließungen vorgenommen werden. In Zone B sind Erschließungen unter strengen Auflagen möglich. In Zone C ist eine Erschließung mit Seilbahnen und Straßen verboten.</p>

Als Teil des Landesentwicklungsprogramms teilt der Alpenplan die bayerischen Alpen in drei Zonen ein. In Zone A können Erschließungen vorgenommen werden. In Zone B sind Erschließungen unter strengen Auflagen möglich. In Zone C ist eine Erschließung mit Seilbahnen und Straßen verboten.

© Bayerisches Staatsministerium / ALPIN

Schutz versus Profit

Heute kann man sagen: Die bayerischen Berge stehen dank des Alpenplans so da, wie sie sind. Der "Erschließungswahn, der keine Grenzen kennt", wie es Hubert Weiger, der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz mit Blick auf das Nachbarland Tirol ausdrückt, ist den Bayerischen Alpen erspart geblieben.

Und damit auch der Konkurrenzkampf der einzelnen Orte und die überall zu beobachtende Aufrüstungsspirale der Tourismusindustrie. Der gute natürliche Zustand der bayerischen Berge ist die Basis dafür, dass sie ganzjährig ein Urlaubermagnet geblieben sind.

Schon 1971/72, in der Entstehungszeit des Bayerischen Alpenplans, wurde diese ökonomisch bedeutende Langfristwirkung oft von kurzfristigen Gewinnhoffungen überlagert, erinnert sich Alois Glück, ehemaliger Landtagspräsident und Umweltpolitiker der CSU, der die Entwicklung seit den Anfängen begleitet hat:

<p>Blick auf den Berggrat am Riedberger Horn in Richtung des Skigebietes Grasgehren bei Obermaiselstein (Bayern).</p>

Blick auf den Berggrat am Riedberger Horn in Richtung des Skigebietes Grasgehren bei Obermaiselstein (Bayern).

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"Lokal war das oft heftig umstritten, weil damals der Boom der Seilbahnbauten war. Wir hatten riesige Auseinandersetzungen um den Geigelstein. Ich werde nicht vergessen, wie mir damals Prügel in Schleching angedroht wurden. Die Schlechinger hatten damals den Traum, ein richtiger Skiort zu werden – jetzt, zum 25. Jubiläum des Naturschutzgebiets Geigelstein, sind alle glücklich, dass es nicht so ist."

Aus der Rückschau zeigt sich für Glück insbesondere der Wert der landesplanerischen Zielsetzungen: "Die Ruhezone C hat auch zum Ausdruck gebracht, dass es Zonen in der Landschaft gibt, die tabu sein müssen. Nachdem der Dreizonenplan rechtskräftig war, gab es keine einzige Erschließung mehr in diesem Bereich."

<p>Am Riedberger Horn sollen die beiden Skigebiete Grasgehren und Balderschwang mit einer Skischaukel verbunden werden.</p>

Am Riedberger Horn sollen die beiden Skigebiete Grasgehren und Balderschwang mit einer Skischaukel verbunden werden.

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Alternative Orientierung

Dieser Punkt ist besonders wichtig, denn er spricht ein weitverbreitetes Missverständnis an: Der Alpenplan verhindert nicht die Entwicklung, sondern er gibt die Orientierung vor. Die Grenzen der technischen Erschließung fordern dazu auf, alternative Lösungen zu finden.

So wie Schleching und Sachrang jetzt mit geschärftem Naturprofil zu neuen "Bergsteigerdörfern" ernannt wurden und damit die ursprünglich vom Österreichischen Alpenverein gestartete Initiative der naturverträglichen Tourismusentwicklung stärken.

Dieses Ziel stand auch schon im Protokoll der alten Alpenkonvention, das die acht Alpenstaaten bereits vor 25 Jahren unterschrieben: "Die Vertragsparteien verpflichten sich, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden."

Der Eingriff in den Bayerischen Alpenplan hat so auch noch eine internationale Dimension und paradoxe Umkehr der internationalen Alpenschutzpolitik: Die Entscheidung des Bayerischen Kabinetts war kaum ein paar Tage alt, schon will sich die Tourismusregion Pyhrn-Priel in Oberösterreich Rat holen, wie dort eine Lifterschließung in einem Naturschutzgebiet realisiert werden könnte.

Damit bestätigt sich die Befürchtung der Naturschutzverbände, dass der jetzige Eingriff eine Lawine auslösen könnte. In Bayern wurde der Kabinettsbeschluss zur Änderung des Alpenplans nicht einmal eine Woche nach Ende des öffentlichen Beteiligungsverfahrens durchgepaukt, was einer beispiellosen Missachtung Hunderter von Einwänden gleichkommt. Auch eine Resolution zur Bewahrung des Alpenplans, die der Deutschen Alpenvereins (DAV) bei seiner Hauptversammlung einstimmig verabschiedete, fand kein Gehör.

Im Bayerischen Landtag wird es eine hitzige Debatte geben und Verbände wie der Landesbund für Vogelschutz haben bereits Klagen angekündigt. Es könnte nur noch der dramatische Abgesang auf eine hierzulande einmalige Epoche des Alpenschutzes werden, denn der Dammbruch kündigt sich bereits an.

Text von Georg Bayerle

1 Kommentar

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Marcel

Wunderbarer, klug recherchierter und geschriebener Artikel. Leider werden ihn die Verantwortlichen wohl nicht lesen.