Zwei Täler, eine Gaudi

Skitouren am Brenner: Schneesicherheit und Powder

Der Brenner ist Schnittpunkt der Skitourengebiete von Obernberg und Pflersch. Beide Täler sind bekannt für ihre Schneesicherheit, bequem zu erreichen und blicken auf eine lange Skigeschichte zurück.

Skitouren am Brenner: Schneesicherheit und Powder
© Stefan Herbke

Skitouren am Brenner: Schneesicherheit und Powder

"Wir hätten nie geglaubt, dass so viele Skitourengeher kommen", freut sich Luis Nagele beim Blick auf die volle Gaststube und die bis auf den letzten Platz belegte Sonnenterrasse, "und jetzt ist an den Wochenenden sogar gleich viel los wie damals zu Zeiten des Skigebiets."

Dabei schaute die Zukunft der wunderschön auf einem ruhigen Plateau oberhalb der Brenner-Autobahn gelegenen Sattelberg­alm alles andere als rosig aus. Denn die Lifte des im Jahr 1966 eröffneten Skigebiets, nur einen Steinwurf entfernt von der Grenze zu Südtirol, liefen im Winter 2005/2006 das letzte Mal. Damit war der Sattelberg eines der ersten Skigebiete, die in Tirol schließen mussten – und die Sattelbergalm stand vor einer ziemlich ungewissen Zukunft.

Andererseits war der Sattelberg schon immer ein Skitourenberg. Bereits in den 30er- und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts sind die Innsbrucker mit dem Zug nach Gries am Brenner gefahren und vom Bahnhof aus auf den breiten, ski­freundlichen Bergrücken direkt am Alpenhauptkamm gestiegen, später kamen die Lifte – und jetzt gehört der Berg wieder den Skitourengehern.

Damit auch die schlechteren Skifahrer gut runterkommen, walzt Luis Nagele einmal in der Woche zwei Spuren vom Parkplatz bis kurz unter den Gipfel. "Bei Neuschnee präpariere ich allerdings zwei Tage nicht", erzählt der Hüttenwirt, "denn da kommen meistens eh nur die guten Skifahrer – und die schimpfen, wenn wir walzen."

Der Sattelberg: Ein Gipfel für alle Fälle

Der Sattelberg am Eingang ins Obernbergtal ist ein perfektes und bei richtiger Spuranlage im Bereich der ehemaligen Pisten lawinensicheres Ziel. Ideal für Skitoureneinsteiger und Genießer – und bei Schlechtwetter. An guten Wochenenden kommen bis zu 600 Tourengeher, schätzt Luis Nagele.

<p>Einstmals Piste, heute Naturerlebnis: der Sattelberg.</p>

Einstmals Piste, heute Naturerlebnis: der Sattelberg.

© Stefan Herbke

Der LVS-Checkpoint beim Start unter der mächtigen Brücke der Brenner-Autobahn zählt in einer Wintersaison bis zu 22.000 Tourengeher – viel mehr Gäste hatte selbst das Skigebiet in seinen Glanzzeiten nicht. "Gäbe es eine Rangliste, dann wären wir unter den Skigebieten ganz hinten gewesen", meint Luis Nagele und ergänzt stolz, "doch als Skitourenberg sind wir sicher unter den ersten drei."

Für alle, die es nicht in die Ferne zieht, gibt es lohnende Skitouren in Bayern:

Ruhe statt Pistentrubel in Obernberg und Pflersch

Dennoch war die Schließung des Skigebiets ein Einschnitt, für die Sattelberg­alm genauso wie für den Tourismus im Wipptal und seinen Seitentälern. Viele Betriebe mussten zusperren, andere dagegen wagten einen Neustart. Etwa Burgi und Seppi Almberger von Almi’s Berghotel, die im Jahr 2007 den Alpengasthof Spörr mit seiner wunderschönen Zirbelstube erwarben und in den letzten Jahren aufwendig sanierten.

<p>Irgendwo im Nirgendwo: Licht-Schatten-Spiel beim Anstieg zu einem namenlosen Gipfel im Pflerschtal.</p>

Irgendwo im Nirgendwo: Licht-Schatten-Spiel beim Anstieg zu einem namenlosen Gipfel im Pflerschtal.

© Stefan Herbke

Ein Traditionsbetrieb, der einst auch von den Alpinskifahrern am Sattelberg lebte. "Früher gab es eine Skischule mit 20 Skilehrern", erzählt Burgi, "und nachmittags kamen die und ihre Gäste alle ins Gasthaus zum Après-Ski, da war die Stube brechend voll." Trotz der Schließung des Skigebiets glaubten die Almbergers an die Zukunft des Tals. "Das Stubaital kennt jeder", merkt sie immer wieder bei Gesprächen, "aber Obernberg, das ist touristisches Niemandsland."

Doch Obernberg hat Potenzial – statt eines Skigebiets gibt es unberührte Natur und jede Menge Platz. "Im Grunde gehst du ja auf den Berg und suchst Ruhe", meint Seppi Almberger, "und dann sind dort oft Massen unterwegs." Davon ist das Obernbergtal weit entfernt. "Selbst wenn irgendwann doppelt so viele Leute da sind, ist das Tal immer noch nicht überlaufen."

Obernberger Tribulaun – die sportlichste Skitour des Tals

Blickfang über dem breiten, sonnigen Talboden von Obernberg mit der wunderschön auf einem Moränen­hügel gelegenen Pfarrkirche ist der wuchtige Bergstock des Obernberger Tribulaun – bei lawinensicheren Verhältnissen die sportlichste Skitour des Tals. Andere Gipfel wie der Sattelberg oder der Eggerberg mit dem benachbarten Leitnerberg auf der Sonnenseite des Tals sind dagegen ideal für Skitoureneinsteiger.

Einige Touren wie der Grubenkopf lassen sich im Rahmen einer Überschreitung deutlich aufwerten, und wer die Augen offenhält, der findet auch anspruchsvolleres Gelände. Bernd Görz, der für den DAV Summit Club Skitourenwochen in Obernberg durchführt und letzten Winter gleich sechs Wochen in Almi’s Berg­hotel in Obernberg verbrachte, ist mit dem Angebot mehr als zufrieden.

<p>Absoluter Abstauber: Bei der Abfahrt über die feinen Nordhänge des Grubenkopfs fliegen bisweilen die Fetzen.</p>

Absoluter Abstauber: Bei der Abfahrt über die feinen Nordhänge des Grubenkopfs fliegen bisweilen die Fetzen.

© Stefan Herbke

"Man kann eigentlich in allen Himmelsrichtungen und in allen Schwierigkeitsgraden was machen", schwärmt der 73-jährige Allgäuer, "bei einigen Touren wie der Überschreitung des Lorenzen vom Frader Tal zum Obernberger See starte ich sogar direkt am Hotel." Und für die anderen kann er bei der Anfahrt auf den Bus zurückgreifen. "Du brauchst hier die ganze Woche kein Auto", bestätigt auch Burgi, "diese Woche haben wir 30 Gäste im Haus, die mit dem Zug angereist sind."

So wie Gries mit dem Obernbergtal nördlich des Brenner sind auch Gossensass und damit das Pflerschtal auf der Südseite des stark frequentierten Alpenübergangs gut mit dem Zug zu erreichen. Mit der Brennerbahn kamen die ersten Skifahrer, auch die ersten Skigebiete entstanden entlang der Bahnstrecke. Allerdings sind wie am Sattelberg auch die Lifte am Zirog und Hühnerspiel bei Gossensass längst Geschichte.

<p>Steil, sportlich, einsam: die Traumtour auf die Maratschspitze.</p>

Steil, sportlich, einsam: die Traumtour auf die Maratschspitze.

© Stefan Herbke

Die erste Sektion auf den Hühnerspiel war sogar einer der ersten Lifte Südtirols. "Der Einersessel hatte eine Kapazität von 210 Personen in der Stunde", erinnert sich Gerold Plank, "aber der obere schaffte nur 120 – alle halbe Minute kam ein Sessel." An guten Tagen zählte man maximal 400 Skifahrer – viel zu wenig, um wirtschaftlich zu arbeiten.

Beim Drang gen Süden lohnt sich der Stopp am Brenner

"Der Verkehr hat uns erst den Tourismus gebracht und danach die guten Gäste wieder genommen", bringt der ehemalige Präsident des lokalen Tourismusvereins die Entwicklung von Gossensass auf den Punkt. Mit der Bahn kamen die Gäste und es entstanden stattliche Häuser wie das Grandhotel, das Palast­hotel, Hotel Europa, der Leopoldhof oder das Savoy.

<p>Einstiegstour am Eggerberg: durch lichten Wald zu weiten Hängen.</p>

Einstiegstour am Eggerberg: durch lichten Wald zu weiten Hängen.

© Stefan Herbke

Doch mit dem zunehmenden Autoverkehr ging es trotz Skigebiet touristisch schnell bergab. Vor dem Bau der Autobahn quälten sich am Tag durchschnittlich 600 Lastwagen durch Gossensass – und heute ist die Autobahn oft so verstopft, dass wieder alle durch den Ort fahren.

Der Drang Richtung Süden ist so ausgeprägt, dass viele die interessanten Seitentäler wie Obernberg oder das in Gossensass abzweigende Pflerschtal schlichtweg übersehen. Dabei finden Tourengeher hier ein Paradies, das zudem sehr schneesicher ist. "Wenn das Wetter von Norden her anströmt und es in Tirol schneit, dann bekommen wir halt auch noch etwas Schnee", zählt Pauli Trenkwalder einen der Gründe für die Schneesicherheit des Pflerschtals auf, "und von Süden kriegen wir sowieso den Schnee."

Ohne diese Ausrüstung ist ein Ausflug ins freie Skigelände tabu:

Gemütliche bis anspruchsvolle Tourenziele

Der Bergführer aus Gossensass schätzt die Lage – und die Möglichkeiten. "Je nach Wetter- und Schneeverhältnissen kannst du hier im Pflerschtal gehen – oder einfach auf die Nordseite, etwa nach Obernberg wechseln", schwärmt er, "somit ist die Tourenauswahl sehr groß." Speziell im Pflerschtal, wo im Talschluss auch große Frühjahrstouren wie die Agglsspitze warten. Für den Hochwinter gibt es moderate Ziele wie die Maurerspitze oder den Bodnerberg.

Etwas anspruchsvoller sind dagegen die eher einsame Maratschspitze, für die man unbedingt lawinensichere Verhältnisse benötigt, wie der Lawinendamm oberhalb der Waldgrenze eindrucksvoll beweist, die Ellesspitze oder der Klassiker Wetterspitze. Die Touren begeistern mit wunderschön kupierten Hängen und einem grandiosen Blick auf den imposanten Felsklotz des Gschnitzer Tribulaun.

<p>Zum Niederknien: nordseitige Idealhänge am Grubenkopf.</p>

Zum Niederknien: nordseitige Idealhänge am Grubenkopf.

© Stefan Herbke

"Das Tal schaut einfach wild aus", charakterisiert Pauli Trenkwalder seine Heimat, "einmal durch den Tribulaun, aber auch durch die vielen Dolomitfelsen." Beim Anstieg vom kleinen Skigebiet Ladurns durch eine steile Rinne auf einen namenlosen Gipfel fühlt man sich fast wie in den Dolomiten. Eine Traumkulisse und genau der richtige Rahmen für sein zweites Standbein.

"Ich bin auch Diplom-Psychologe", erzählt Pauli Trenkwalder, "und biete Leuten, die eine schwere Entscheidung vor sich haben oder beruflich oder privat Probleme haben, psychologische Beratung an." Und das idealerweise draußen in der Natur beim Wandern, Skitourengehen, Bergsteigen oder Klettern. "Meine Kunden gehen gerne in die Berge", erklärt Pauli Trenkwalder, "damit haben wir eine Gemeinsamkeit als Basis und es ist viel leichter, mit ihnen über ihre Themen zu sprechen."

Ziel der kurzen, wenn auch sport­lichen Skitour ist ein namenloser Gipfel. Im Grunde handelt es sich um eine unscheinbare Erhebung im Kamm, der Richtung Telfer Weißen zieht. Doch für gute Tourengeher, die gerne etwas Neues entdecken wollen, ist das Ziel perfekt. Blickfang ist wie auf allen Touren im Pflerschtal der Riesenobelisk des Gschnitzer Tribulaun. Quasi vis-à-vis erheben sich die Gipfel des Brenner-Grenzkamms mit dem Grubenkopf und Hoher Lorenzen, denen man von hier gar nicht ansieht, was für tolle Skihänge sie auf der Nordseite bieten.

<p>Traumkulisse garantiert: abwechslungsreicher Anstieg zur Ellesspitze im Pflerschtal.</p>

Traumkulisse garantiert: abwechslungsreicher Anstieg zur Ellesspitze im Pflerschtal.

© Stefan Herbke

Brenner-Seitentäler: Alpin und doch schon mediterran

Manches sieht man eben nicht auf den ersten Blick. Etwa, dass im eher engen Pflerschtal mit seinen Wiesen die Zutaten für ausgezeichnete Tees und Kräutermischungen wachsen. Seit rund 20 Jahren baut Bernhard Auckenthaler am Botenhof in Pflersch Wildkräuter wie Goldrute, Johanniskraut oder Minze an, die mit dem rauen Klima gut umgehen können. Ergänzt werden die Kräutergärten Wipptal durch Gabi und Sepp Holzer aus Wiesen bei Sterzing, die aufgrund der geringeren Höhenlage eher mediterrane Kräuter wie Basilikum, Lavendel, Rosmarin oder Zitronenverbene anbauen.

"Bei unseren Tees sind die Blüten noch ganz", betont Bernhard Auckenthaler, "und wir trocknen bei maximal 30 Grad, damit die ätherischen Öle, also die Aroma- und Wirkstoffe, erhalten bleiben." Das sieht man an der Farbe und schmeckt es. Den Hof hat Bernhard Auckenthaler von seinen Eltern übernommen, doch der war mit seinen maximal drei Kühen viel zu klein, um davon zu leben. Die Lösung hieß für den gelernten Gärtner Kräuteranbau, für den die Fläche von knapp zwei Hektar ausreichend war.

<p>Echter Hingucker: Den Aufstieg zum Nebengipfel der Telfer Weißen oberhalb von Ladurns dominiert der Pflerscher Tribulaun.</p>

Echter Hingucker: Den Aufstieg zum Nebengipfel der Telfer Weißen oberhalb von Ladurns dominiert der Pflerscher Tribulaun.

© Stefan Herbke

So wie Bernhard Auckenthaler mit den Kräutergärten haben auch viele andere in Pflersch und Obernberg ihre Nische und damit Zielgruppe gefunden. Auch Burgi und Seppi Almberger, die in den Wintermonaten Dank der Skitourengeher und Schneeschuhwanderer quasi ausgebucht sind. "Uns ist der persönliche Kontakt mit dem Gast sehr wichtig", betont Burgi.

"im Grunde ist es wie am Berg bei einer Seilschaft – wir wollen gemeinsam eine schöne Zeit haben." Die Philosophie geht auf, die Gäste von Almi’s Berghotel lieben die Berge und freuen sich, in der Natur schöne Erlebnisse zu sammeln. "Wenn sie zurückkommen, dann brauchst du gar nicht fragen, ob es ihnen gefallen hat", freut sich Burgi, "du siehst es sofort an den glücklichen Augen."

8 Skitourentipps am Brenner

Obernberg und Pflersch heißen die Seitentäler des Wipptals nördlich und südlich des Brenner. Die beiden Skitourengebiete bieten Genusstouren im Hochwinter – und mit dem Sattelberg eine der beliebtesten Pistentouren der Alpen.

Den passenden fahrbaren Untersatz findet ihr in unserem aktuellen Test:

Text von Stefan Herbke

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