Modelle und Features

Lawinenrucksäcke: Welcher passt für Euch?

Unter Tourengehern und Freeridern sind Lawinenrucksäcke etabliert. Aus insgesamt über 100 Modellen und Modellvarianten den richtigen zu finden, ist allerdings nicht leicht. Wir helfen bei der Suche.

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Es war eine der größten Rückrufaktionen in der Geschichte der Outdoor-Industrie. ABS hat letztes Jahr sämtliche Twin-Airbag-Systeme, insgesamt 40 000 Modelle, auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft. Nötig war dies, weil der Zulieferer der Stahlpatronen Verunreinigungen in diversen Chargen gemeldet hatte, die zu einem Ausfall (Blockieren) des Airbag-Systems führen konnten.

Für ein so kleines Unternehmen wie ABS ist ein solcher Rückruf schon logistisch eine enorme Herausforderung. Alle Airbags, die jetzt verkauft werden, sind garantiert "clean" betont ABS. Und die Auswahl an ABS-Lawinenrucksäcken ist die größte am Markt. Dabei gibt es zwei verschiedene Wege, die ABS geht.

<p>Viel mehr geht nicht: Der Full Save von Ferrino hat neben dem Airbag noch ein "Airsafe", mit dem man im Schnee atmen kann, und außerdem noch einen Recco-Reflektor.</p>

Viel mehr geht nicht: Der Full Save von Ferrino hat neben dem Airbag noch ein "Airsafe", mit dem man im Schnee atmen kann, und außerdem noch einen Recco-Reflektor.

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Die Base Unit ist ein Rückengestell mit den Airbags, auf die die eigentlichen Rucksäcke aufgezippt werden. Diese Packsäcke gibt es in allen nur erdenklichen Größen von ABS selbst, aber auch von vielen anderen Herstellern. So bieten u. a. Arva, Berghaus, Evoc, Exped oder Osprey Zip-on-Modelle für die ABS Base Unit an.

ABS-Modelle

Auf der anderen Seite gibt es einige Hersteller, die das ABS-System in komplett eigenständige Rucksäcke verbauen, die sogenannten ABS-Inside-Partner. Mit an Bord sind u. a. Bergans, Deuter, Haglöfs, Ortovox, Salewa, The North Face und Vaude.

ABS ist aber seit einigen Jahren nicht mehr der einzige Anbieter von Lawinenrucksäcken. Mammut hat mit dem R.A.S. und dem Snowpulse-System gleich zwei verschiedene Systeme im Vertrieb. R.A.S steht dabei für Removable Airbag System. Damit ist gemeint, dass man das ganze System aus dem Rucksack ausbauen und so das Modell auch als normalen Rucksack ohne Airbag nutzen kann.

Snowpulse ist dagegen fest verbaut und bildet nach dem Aufblasen eine Art überdimensionale Halskrause um Kopf und Nacken, die im Ernstfall vor allem auch den Kopf schützen soll. Der amerikanische Hersteller bca ist ein weiterer auf dem Feld der Airbags. Die bca-Modelle gehören zu den preisgünstigeren auf dem Markt und sind komplett oft schon unter 500 Euro zu haben.

Das Alpride-System geht in die dritte Saison und wurde anfangs nur von Scott verbaut. Inzwischen gibt es auch hier andere Hersteller, die Alpride in ihre Rucksäcken einbauen. Ferrino und Millet setzen auf Alpride, das im Gegensatz zu allen bisher vorgestellten Systemen nicht auf eine Spezialpatrone zum Aufblasen der Airbags setzt, sondern auf zwei kleine handelsübliche Druckluftflaschen, die in der "zivilen" Welt vor allem bei Rettungswesten zum Einsatz kommen.

<p>Sollten alle Airbag-Rucksäcke haben: ein Fach für die Notfall-Ausrüstung.</p>

Sollten alle Airbag-Rucksäcke haben: ein Fach für die Notfall-Ausrüstung.

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Dabei präsentiert Millet mit dem Neo einen ganz interessanten Tourenrucksack, der mit den zwei kleinen Flaschen knapp 2500 Gramm wiegt und trotzdem gut ausgestattet ist. Ferrino dagegen setzt auf "was geht sonst noch". Zusätzlich zu den Airbags haben die Italiener ein System verbaut, das vergleichbar ist mit der Avalung von Black Diamond. Das System heißt Airsafe und erlaubt es, mit einem Mundstück und einem Ventil auf der Rückseite bei einer Verschüttung die Restluft aus dem Schnee zu atmen.

Dass das grundsätzlich funktioniert, weiß man von der Avalung. Ob es Sinn macht, das in einen Airbag-Rucksack zu verbauen, lassen wir mal dahingestellt. Das Tüpfelchen auf dem "i" ist dann noch der Recco-Reflektor, über den das Modell Full Save zusätzlich verfügt. Den Namen "Full Save" betrachten wir allerdings trotz der Kombination mehrerer Systeme sehr kritisch. Er könnte doch falsche Sicherheit suggerieren.

Ohne Flasche

Das jüngste "Baby" bei den Lawinenrucksack-Systemen ist Jet Force. Dabei kommt gar keine Druckluftflasche zum Einsatz, sondern ein Turbo-Gebläse, das innerhalb weniger Sekunden den Airbag aufbläst. Jet Force kommt in Modellen von Black Diamond, Pieps und POC zum Einsatz, die zum selben Konzern gehören. Dass das System schnell ist, hat der große ALPIN-Test in der Ausgabe 01/2015 gezeigt. Doch auch das Jet-Force-System musste noch in der ersten Saison 2014/2015 zurückgerufen werden. Aber auch hier gilt: Die Probleme sind behoben, eine neue Software ist installiert.

<p>Wegen der Airbags kann man bei fast allen Modellen die Ski nur diagonal auf der Front des Rucksacks transportieren.</p>

Wegen der Airbags kann man bei fast allen Modellen die Ski nur diagonal auf der Front des Rucksacks transportieren.

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Welchem dieser teilweise sehr unterschiedlichen Ansätze man sein Leben anvertraut (na gut: soweit sollte es ja eigentlich nie kommen), ist von vielen Faktoren abhängig. Sicherlich spielt der Preis dabei eine Rolle. Ein weiterer Aspekt, warum Airbags nicht noch weiter verbreitet sind, ist das zusätzliche Gewicht. Daher "basteln" viele Hersteller auch an möglichst leichten Lösungen. Den in der Summe von System und Patrone leichtesten Rucksack gibt es von Mammut, der 1410 Gramm wiegt. Immerhin hat dieser Rucksack noch 20 Liter Volumen, allerdings darf man sich von ihm nicht zuviel erwarten.

Sowohl Haltbarkeit als auch Tragekomfort standen nicht an erster Stelle der Kriterienliste. Neben diesen sehr vordergründigen Aspekten fließen natürlich der Rucksack an sich, die Passform, der Tragekomfort, die Ausstattung und andere Punkte in die Entscheidung ein. Hier ist es gut und sinnvoll, sich vor dem Kauf gewisse Punkte aufzuschreiben, die einem an seinem Airbag wichtig sind, und diese vor Ort konkret an diversen Modellen abzufragen.

Für Skitourengeher beispielsweise ist ein Volumen von mindestens 25 Liter sinnvoll, ebenso die separate Unterbringung der Notfallausrüstung. Wer einen Lawinenrucksack nur zum Freeriden haben möchte, kommt mit deutlich weniger Volumen aus. Aber Platz für Schaufel und Sonde sollte in jedem Modell sein.

Revolutionäre Neuerungen sind auch für die nächsten Jahre nicht in Sicht. Die etablierten Hersteller arbeiten an Änderungen der Auslöse-Mechanik, neue Hersteller kommen mit ähnlichen Systemen, wie es sie schon gibt. So präsentiert Arc’teryx auf der ispo mit dem Modell Voltair ein System, das dem von Black Diamond ähnelt.

Über ein Gebläse wird in Sekundenschnelle Luft in die Airbags gepumpt, gespeist wird alles über einen integrierten Akku. Aber von allem, was bisher bekannt ist, liegt der Arc’teryx Voltair vom Gewicht her eher im oberen Bereich der Range (ca. 3200 g bei 20 Liter) und vom Preis her ganz sicher auch. 1700 Euro für das 20-Liter-Modell sind eine Ansage!

Fazit

Die Auswahl an Airbag-Rucksäcken ist riesig. Insgesamt gibt es über 100 Varianten und Modelle. Wer interessiert ist, sollte sich die für ihn wichtigsten Kriterien aufschreiben und an unterschiedlichen Modellen "abarbeiten".

  • Wie schwer ist der Airbag-Rucksack?

  • Wie viel Volumen hat der Rucksack (für Tagestouren ca. 30 l, zum reinen Freeriden reichen auch 15 l)?

  • Was kostet der Airbag?

  • Stimmen der Tragekomfort und die Anpassungsmöglichkeiten?

  • Gibt es die Fächer und Taschen, die ich haben möchte (Schaufel und Sonde, Brillenfach, Helmhalterung)?

  • Wie ist das Handling und wie lässt sich der Rucksack packen?

Text von Olaf Perwitzschky

3 Kommentare

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bikerschnattchen

Vielen Dank für die schnelle Antwort!

Olaf Perwitzschky

Hallo Reni,

da entfernte Skitourenziele immer beliebter werden, haben die Hersteller reagiert. So findest du unter dem Link

https://abs-airbag.com/de/flugzeug.html

alles, was du wissen mußt. Allerdings gibt es trotzdem manchmal Probleme. Ruf sicherheitshalber vorher nochmal bei der Fluggesellschaft an.

Auch andere Hersteller (Mammut, bca) haben ähnliche Service-Angebote. Allerdings sind die oft viel schwieriger zu finden. Bei dem Alpride-System (Scott, Mille) gibt es weniger Probleme, da die Flaschen ja identisch mit denen sind, die auch in Rettungswesten zu finden sind. Aber auch da würde ich mich vorher mit der Fluggesellschaft in Verbindung setzen.

Was man definitiv nicht tun sollte: Versuchen die Kartuschen im Gepäck zu "verstecken" ohne sie anzumelden. Dann kann es durchaus vorkommen, dass dein komplette Gepäck nicht oder verspätet am Zielflughafen ankommt. Und meist sind die Skitouren-Urlaube ja doch nicht wochenlang...



Viele Grüße und viel "Erfolg" beim fliegen mit Airbag,



Olaf Perwitzschky

bikerschnattchen

eine Frage an Olaf bitte -

- sind die genannten Lawinenrucksäcke für die Luftfahrt erlaubt?
Lt. der Bestimmungen der IATA für gefährliche Güter im Luftverkehr sind Lawinenrucksäcke pro Person erlaubt, wenn dieser eine Kartusche mit verdichtetem Gas der Unterklasse 2.2. (das ist nicht entzündbares Gas - die Art der Gafahr wäre hoher Druck) enthält.
Dieser Rucksack kann auch mit einem pyrotechnischem Auslösemechanismus ausgerüstet sein, der nicht mehr als 200 mg Netto enthält.Der Rucksack muß so verpackt sein, daß eine unbeabsichtigte Auslösung unmöglich ist. Die Airbags innerhalb der Rucksäcke müssen mit Druckentlastungsventilen ausgerüstet sein.
(Auszug aus den Dangerous Goods der IATA)

Gibt es bei den Rucksäcken irgendwie so eine Art Zertifikat, dass sie diese Bedingungen erfüllen?

Stellt der Hersteller auch dar, für welchen Transport die Rucksäcke zulässig sind?

Heutzutage kann man ja überall hinfliegen zu einem günstigen Preis, besser als mit Auto oder Bahn.

Würde mich über eine Antwort freuen!

VG Reni