Drei Tage auf (Ski-)Tour

Wo ist der Schnee?

Gar nicht so leicht, in den bayerischen Alpen derzeit auf (Ski-)Touren zu kommen.

Wo ist der Schnee?
© Holger Rupprecht

Es ist fast Mitte Januar und ich habe noch keine Skitour dieses Jahr machen können. Aber jetzt: Knapp drei Tage Zeit, nix wie los!

Doch wohin könnte es gehen? Leicht müssen die Touren für mich als Anfänger sein. Und da ich nicht allzuweit fahren möchte, sollten es Touren in den bayerischen Alpen sein. Zum Einstieg ein Tourenabend, da ich es nicht schaffen werde, vor dem späten Nachmittag vor Ort zu sein. 

Wenn Ihr die Infos lieber gedruckt in Händen halten wollt, bestellt unser Januar-Heft, dem liegt das 36-seitige Booklet Pisten-Skitouren 2020 mit insgesamt 90 Zielen in Bayern, Vorarlberg/Tirol, Südtirol und dem Salzburger Land bei.

Hier finde ich schnell, welche Ziele an einem Donnerstagabend in Frage kommen. Aber welcher Tourenabend findet angesichts der für Mitte Januar miserablen Schneelage statt? Webcams und Schneehöhen checken, Webseiten der Hütten und Skigebiete klicken ...

<p>Das weiße Band: die beschneite Piste am Kolbensattel am 09. Januar.</p>

Das weiße Band: die beschneite Piste am Kolbensattel am 09. Januar.

Ergebnis: Viele Tourenabende fallen derzeit dem Schneemangel zum Opfer, die Aufstiegsroute am Kolbensattel in Oberammergau ist jedoch komplett beschneit. Also wird das der Einstieg. 

<p>La le lu: Auch der Mann im Mond schaut zu.</p>

La le lu: Auch der Mann im Mond schaut zu.

Die Stirnlampe bleibt während des wenig fordernden knapp 400 Höhenmeter langen Aufstiegs aus, der fast volle Mond sorgt für ausreichende und stimmungsvolle Beleuchtung auf der spätestens beim zweiten Aufstieg mit dem dazugestoßenen ALPIN-Testchef Olaf Perwitzschky und seinen Tourenkumpels recht gut bevölkerten Piste. 

Wenig fordernd im technischen Sinne ist der Aufstieg immer noch, aber Olaf sorgt mit seinem Tempo dafür, dass der Puls mal kurz die 160 übersteigt ...

Am Abend in der Unterkunft in Lenggries stellt sich die Frage: Wie weiter? Vielleicht mit einem Klassiker? Der Hirschberg zählt seit Jahrzehnten zu einem der beliebtesten Skitourenberge für viele Münchener und andere Tourengeher. 

Klar, der Start der Tour liegt auf 800 Höhenmeter und dürfte kaum ausreichend mit Schnee versorgt sein. Aber auf einer gängigen Seite bezüglich aktueller Bedingungen in den bayerischen Alpen finde ich einen Eintrag von vor einigen Tagen, dass die Verhältnisse sehr passabel wären und da die ersten etwa 400 Höhenmeter auf der (beschneiten) Piste absolviert werden können, bin ich zuversichtlich, dass die Tour machbar ist.

<p>Da schaut "ein bisschen was" raus: die Piste bei den Hirschbergliften.</p>

Da schaut "ein bisschen was" raus: die Piste bei den Hirschbergliften.

Vor Ort dann die Ernüchterung: Die Verhältnisse sind mehr als schlecht. Auf dieser Unterlage ist ein Aufstieg zwar möglich, für mich aber keine Abfahrt. Lust, die Skier mehrere hundert Höhenmeter nach oben und dann wieder nach unten zu tragen, habe ich nicht und gebe auf.

Wegen der nun vorgerückten Uhrzeit entscheide ich mich für ein bombensicheres Ausweichziel und fahre zum Oberen Sudelfeld um die Pistentour von Grafenherberg auf den Vogelsang in Angriff zu nehmen. 

Bei einem Startpunkt auf knapp 1.100 Metern in einem beschneiten Skigebiet kann dann - was die benötigte weiße Unterlage anbelangt - wirklich nichts mehr schiefgehen ... 

<p>Gar nicht mal so viel los: Aufstieg über die Piste zum Vogelsang am 10. Januar.</p>

Gar nicht mal so viel los: Aufstieg über die Piste zum Vogelsang am 10. Januar.

Die Tour führt bis auf die letzten 50 bis 100 Höhenmeter auf einer beschilderten Aufstiegsroute neben der Piste entlang. Nicht unbedingt, was ich ursprünglich wollte, aber doch sehr schön. 

Tolles Wetter, blauer Himmel, die schönen Berge des Mangfallgebirges rundherum... Leiwand. 

Und wenn man den Gipfelaufschwung im eisigen steilen Gelände bewältigt, ist das Ganze als Anfänger sogar ein bisserl spannend und ein prächtiges Spitzkehren-Übungsgelände. (Zu unserem Artikel zu Spitz- und Kickkehre geht es hier.)

Der Rundumblick am Gipfel ist einfach schön und trotz des gut besuchten Skigebiets bin ich hier für ein paar kostbare Minuten völlig alleine. Die kurze Abfahrt im freien Gelände bis ins Skigebiet ist ein Zuckerl für Liebhaber eisiger und ausgefahrener Hänge ...

Noch nicht ganz ausgelastet hänge ich noch eine Langlaufeinheit im schön einsamen Kloo-Aschertal an und merke abends in der Unterkunft, dass ich richtig Bock auf freies Gelände habe. Keine Piste, keine Liftanlagen. "Echte" Skitour halt.

Ich blättere gerade im Skitourenführer "Bayerische Alpen", den unser Redakteur Robert Demmel mitverfasst hat als mein Smartphone bingt. Birgit Gelder, ALPIN-Fotografin, hat mitbekommen, dass ich gerade auf Tour bin und schreibt mir eine WhatsApp: "Hey Holger, Gröbner Hals geht gut ...". 

Also ab zum Achensee am nächsten Morgen!

 Freies Skigelände heißt obligatorisch, den Lawinenlagebericht zu checken. Der gibt für das Zielgebiet meiner ohnehin recht lawinensicheren Tour die niedrigste Gefahrenstufe aus. Dennoch gehört die LVS-Ausrüstung selbstverständlich in den Skitouren-Rucksack. 

<p>Die Tour auf den Gröbner Hals ist so nett, da lächeln sogar die Bäume.</p>

Die Tour auf den Gröbner Hals ist so nett, da lächeln sogar die Bäume.

Schon beim Einstieg der Tour am Parkplatz des Skigebiets Christlum bin ich positiv überrascht: Die Schneelage wäre ausreichend, um vom Start der Tour weg auf Skiern unterwegs zu sein. 

Allerdings geht es dermaßen flach los, dass ich die ersten 1, 2 Kilometer lieber zu Fuß gehe und die Skier trage. Dann geht es recht gemächlich auf einem Forstweg bergauf.

Mit jedem Höhenmeter wird es landschaftlich reizvoller und vergessen sind Lärm und Trubel des Skiegebiets. 

Immer wieder geben die Bäume den Blick frei auf den Achensee und spätestens im verschneiten Almgelände bin ich endlich auf Skitour, im Winter, im hier und jetzt angekommen. 

<p>Im Winterschlaf: die Gröbner Alm auf etwa 1.500 Metern.</p>

Im Winterschlaf: die Gröbner Alm auf etwa 1.500 Metern.

Am höchsten Punkt der Tour, dem "Gipfelchen" des Gröbner Hals (1.700m), ist die Sicht nicht allzu gut, der den Beschreibungen nach spektakuläre Karwendelblick bleibt mir verwehrt, aber der Blick auf den nahe gelegenen Rether Kopf ist beeindruckend genug ...

Auch die Abfahrt ist wunderbar zu meistern, über ideal geneigte Almhänge und den Aufstiegsforstweg geht es entspannt ins Tal zurück. 

Für mich waren die drei Tage ein toller Auftakt in den Skitourenwinter, der immens Appetit auf mehr gemacht hat. 

Hoffentlich kommt bald der von allen Skitourengehern und Wintersportlern ersehnte Schnee ...

Text von Holger Rupprecht