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Kompressionswäsche - Was taugt sie wirklich?

Kompressionskleidung ist in aller Munde oder besser gesagt auf aller Haut. Sie soll laut Hersteller die sportliche Leistung steigern und die Regeneration verbessern. Bei so vielen Versprechungen ist Skepsis angebracht.

Kompressionswäsche - Was taugt sie wirklich?
Unter anderem Löffler bietet Kompressionswäsche an (Foto: Löffler).
Unter anderem Löffler bietet Kompressionswäsche an (Foto: Löffler).

Das Geschäft mit der Kompressionskleidung läuft. Und das nicht nur bei der joggenden Kundschaft wie Triathleten und Ultralangläufern. Nein, inzwischen setzen sich auch fußballende, radfahrende und bergsteigende Sportler unter Druck im Glauben an die werbewirksamen Slogans für Quetschklamotten: gesteigerte Leistungsfähigkeit, verbesserte Blutzirkulation, geringere Muskelschädigung, verzögerte Ermüdung, effektivere Regeneration …

Aber wie viel ist dran an den vollmundigen Versprechen der Bekleidungsfirmen? Woher beziehen die Unternehmen ihr Wissen, und gibt es für die genannten Effekte wissenschaftliche Belege? Kompressionskleidung übt Druck von außen auf den Körper aus. Dadurch sollen Muskulatur und Bindegewebe besser durchblutet und der venöse Rückfluss des Blutes erleichtert werden. Diese positive Wirkung ist wissenschaftlich nachgewiesen und unbestritten.

Tests mit Trainierten und Untrainierten

Nicht umsonst gibt es Thrombose-Strümpfe. Von dem genannten Effekt profitieren aber in erster Linie Menschen mit Venenproblemen, geschädigten Gefäßstrukturen oder schwachem Gewebe. Und genau das sehen Experten wie Professor Dr. Ingo Froböse, Leiter des Zentrums für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule in Köln, kritisch: „Therapeutisch sinnvolle und über Jahre bewährte Dinge werden plötzlich auf den gesunden Menschen transportiert. Und das geht eben nicht.“

Hersteller werben gerne mit Studien, die die oben genannten Effekte wie Leistungssteigerung belegen. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass die wissenschaftlichen Studien zum Thema Kompression nur bedingt vergleichbar und im Ergebnis oft widersprüchlich sind. Ursache sind die unterschiedlichen Ansätze: Ging es bei der einen Studie um Ganzkörperkompression, untersuchte die andere Studie nur die Wirkung der Kniestrümpfe. Wurden die Probanden einer Studie auf das Rad gesetzt, ließ eine andere Studie die Teilnehmer auf dem Band laufen. Kamen bei einer Studie Leistungssportler zum Einsatz, wurden bei einer anderen Studie untrainierte Personen untersucht. Vergleichbarkeit sieht definitiv anders aus.

Weniger gut trainierte Sportler profitieren mehr von Kompressionskleidung als Leistungssportler.
Weniger gut trainierte Sportler profitieren mehr von Kompressionskleidung als Leistungssportler.

Was steckt nun hinter der angepriesenen Wunderwaffe Kompression? Nicht allzu viel, wenn man der Studie des renommierten Wissenschaftlers Dr. Billy Sperlich von der Sporthochschule Köln Glauben schenken darf. Im Rahmen seiner Untersuchung wurden 15 gut trainierte Ausdauersportler zwischen 22 und 31 Jahren bei submaximaler wie bei maximaler Belastung mit und ohne verschiedene Kompressionskleidung (Ganzkörper-, Unterkörper- und Unterschenkelkompression) getestet. Ohne einen signifikanten Effekt!

Sperlich: „Strümpfe haben laut unseren Ergebnissen keinen leistungssteigernden Effekt.“ Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt der Wissenschaftler Wolfgang Kemmler von der Uni Erlangen. Er beschreibt einen positiven Effekt auf die Laufleistung durch Kompressionskniestrümpfe. Im Gegensatz zu Dr. Sperlichs Studie waren die Versuchspersonen aber „nur“ durchschnittlich trainierte Personen. Wohl ein entscheidender Unterschied. Denn in der Wissenschaft gilt es inzwischen als gesichert, dass weniger gut trainierte Sportler mehr von Kompressionskleidung profitieren als Leistungssportler. Immerhin etwas.

In Sachen Regeneration wird das Eis richtig dünn. Trotz einer Vielzahl von Veröffentlichungen ist die positive Rolle der Kompression bezüglich Regeneration nicht einheitlich nachgewiesen. Immerhin hat der Wissenschaftler John Jakemann von der Universität Exeter in einer Studie von 2010 nachgewiesen, dass Leistungssportlerinnen, die Kompressionsbekleidung nach (!) der Belastung trugen, sich am nächsten Tag zum einen weniger erschöpft fühlten und zum anderen bessere Leistungen erzielten.

Kompressionswäsche kann helfen, wenn auch nur psychisch

Zur Nachahmung sei das Tragen der Kompressionsstrümpfe am Abend auf der Couch aber nur demjenigen empfohlen, der einen überaus toleranten Partner hat. Denn sonst sind Sie vielleicht schneller Ihre(n) Ehefrau oder -mann los als Ihren Muskelkater. Ob der ganze Druck etwas bringt? Schwierige Frage, nächste Frage. Nein, im Ernst: Ob man ausdauernder und schneller wird, ist definitiv nicht sicher. Sicher ist aber, dass man zumindest nicht langsamer wird.

Und man darf ein Phänomen nicht vergessen: die menschliche Psyche. Wer sich im Stützstrumpf oder Ganzkörperkorsett wohlfühlt und davon eine Leistungssteigerung verspricht, wird schneller laufen. Glaube versetzt bekanntlich Berge und Leistungsgrenzen. Abseits vom Drang nach immer „schneller, höher, weiter“ hat Kompressionskleidung durchaus positive Nebeneffekte: Muskelvibrationen verringern sich durch den Druck der Kleidung, und der Muskel wird in der Bewegung besser geführt.

Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass Kompressionskleidung eine stützende Wirkung auf Muskulatur und Gelenke hat. Wie ein Korsett kann ein Kompressionsoberteil für eine straffere und aufrechtere Körperhaltung sorgen. Ebenso stabilisieren Kompressionsstrümpfe bei Menschen mit Bänderschwäche das Sprunggelenk. Das kompakte Gewebe der Kompressionskleidung unterstützt aber nicht nur den Bewegungsapparat, sondern sorgt auch für verstärkte Wärmeentfaltung. Das kann Muskel-, Sehnen-, Bänder- und Gelenkbeschwerden vorbeugen.

Pro und Contra Kompression:

Pro

  • soll leistungssteigernd wirken
  • soll die Regeneration verbessern
  • liegt eng an (nimmt den Schweiß gut auf)
  • verhindert Vibrationen im Muskel
  • sorgt für eine aufrechtere Haltung

Contra

  • sitzt oft unangenehm eng (engt ein und zwickt)
  • schwer an- und auszuziehen
  • leistungssteigernde Wirkung ist nicht wissenschaftlich nachgewiesen

Text: Romana Bloch