Sicherheit beim Sportklettern

Darf und soll die Anseilschlaufe beim Einbinden ins Seil genutzt werden?

ALPIN Test-Chef und Bergführer Olaf klärt, ob man die Anseilschlaufe beim Klettergurt nutzen sollte und was es mit den "Verboten" des Anseilens in der Anseilschlaufe von Herstellerseite aus auf sich hat.

Essentiell: Richtig einbinden beim Sportklettern
© Imago

Leserfrage: Beim Einbinden die Anseilschlaufe nutzen oder nicht?

Hannes B., per E-Mail: Über das Thema Einbinden habe ich auch schon oft mit Kollegen diskutiert. Als Argument gegen die Anseilschlaufe wurde mir immer wieder entgegengebracht, dass manche Hersteller das Anseilen in der Anseilschlaufe in der Bedienungsanleitung verbieten. Das stimmt zumindest für meinen Gurt (Arc’teryx). Kannst du mir dazu etwas sagen?

Antwort: Die Anseilschlaufe ist zum Einbinden da! Das sagt auch der TÜV!

Olaf: Grundsätzlich empfehlen fast alle Hersteller das Anseilen parallel zum Anseilring. Bei Arc’teryx ist das aber sehr massiv! Da steht: "Binden Sie sich nicht in die Anseilschlaufe ein." Ich bin aber (neben den anderen Aspekten) der Meinung, dass ein Gurt weniger schnell verschleißt, wenn man sich im Anseilring einbindet. 

Jeder Gurt wird bei der Norm-Prüfung im Anseilring geprüft (Stichwort: vorhersehbare Anwendung), also müssen die Anseilringe 15kN halten. Auch in der Arc’teryx Gebrauchsanleitung steht, dass die Anseilschlaufe mindestens 15 kN hält.

Allerdings ist Arc’teryx ein gebranntes Kind. Der bekannte amerikanische Kletterer Todd Skinner ist im Jahre 2006 beim Abseilen (!) an einem Statikseil tödlich abgestürzt, weil sein Anseilring gerissen ist (Arc’teryx-Gurt). Der Gurt war aber in einem solch "erbärmlichen" Zustand (extrem viel genutzt und abgewetzt), dass ihn jeder normale Mensch längst aussortiert hätte. Aber daher kann es gut sein, dass Arc’teryx da noch vorsichtiger ist (vor allem aus versicherungstechnischen/haftungstechnischen Gründen). Ich meine: So lange eine Gurt einen Anseilring hat, muss man den auch benutzen dürfen. 

Viele Hersteller (auch Arc’teryx) nutzen inzwischen Farbmarkierungen, um einen Verschleiß schnell und deutlich sichtbar zu signalisieren. Und wie bei allen textilen Materialien ist auch bei Gurten die maximale Lebensdauer zehn Jahre. Arc’teryx empfiehlt, den Gurt nach fünf Jahren auszusortieren. Unser Test von alten Gurten hat ein anderes Bild gezeichnet: Solange die Gurte nicht optisch massiv verschlissen waren, haben sie die von der Norm geforderten Werte noch locker erreicht, auch wenn sie deutlich älter als zehn Jahre waren. Ergo: Man sollte sein Material regelmäßig einer ordentlichen Kontrolle unterziehen und es im Zweifel lieber einmal zu früh als einmal zu spät austauschen.

Anseilen und Anseilschlaufe: Das sagt der TÜV!

Das Einbinden beim Sportklettern in den Klettergurt erfolgt über einen Achterknoten oder einen doppelten Bulin. Jeder moderne Klettergurt hat hierfür eine - zumeist farbig hervorgehobene -Anseilschlaufe. Doch nicht jeder Kletterer vertraut dieser Anseilschlaufe. Viele Sportkletterer binden sich lieber parallel zur Anseilschlaufe in den Gurt ein. 

Wir haben als Experten Volker Kron vom TÜV Süd befragt: Ist die Anseilschlaufe bei aktuellen Sportklettergurten auch für den Notfall ausgelegt? Oder soll man sich lieber parallel zum Gurt einbinden? Volker testet und prüft für den TÜV Süd persönliche Sicherheitsausrüstung (PSA) wie Klettergurte entsprechend den gültigen DIN-Normen.

Auf der Suche nach einem guten Allround-Gurt? Hier findet ihr unseren aktuellen Test:

2 Kommentare

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Olaf Perwitzschky

Hi Tobi,

ja, da wissen wir mehr drüber: Das ist totaler Unsinn! Kannst du mal versuchen rauszubekommen, von wem diese "Lehrmeinung" verbreitet wird? Die Anseilschlaufe heißt so, weil am sich da Anseilen kann/soll. Selbst wenn der Hersteller anderes empfiehlt (parallel zur Anseilschlaufe) muss die Schlaufe die geforderten 15 kN halten. Das sind Kräfte, die in der Praxis nicht auftreten können. Und nur, weil du dich mit einem Seil in die Anseilschlaufe einbindest (also das normale Prozedere bei einem Gurt), verringert sich nicht die Festigkeit. Ich habe den Eindruck, dass auch im Klettern langsam Verschwörungstheorien Einzug halten und dann auch noch als Lehrmeinung ausgegeben werden ... ;-)

Viele Grüße

Olaf

Tobi

Eine Kletterin hat mich letzte Woche auf dieses Thema angesprochen und gemeint, dass es hier mittlerweile eine neue Lehrmeinung des DAV gäbe, da die Anseilschlaufe bei einem Sturz reißen kann, wenn sie durch das direkt eingebundene Seil zu sehr gedrückt wird.
Für mich war die Erklärung nicht nachvollziehbar und ich konnte weder im Netz noch in der einschlägigen Literatur Informationen dazu finden. Die Kletterin hat ihre Information aus ein Lehrgang.
Wisst ihr evtl. mehr darüber?