Freeride-Abenteuer im Mont Blanc-Massiv

Freeride furioso durch das Vallée Blanche

Die Skiroute durch das Vallée Blanche zu Füßen des Montblanc ist eine der spektakulärsten Abfahrten der Alpen - und eine der berühmtesten der Welt! Abseits der Hauptroute können erfahrene Freerider herrliche Varianten entdecken.

Freeriden durch das Vallée Blanche
© Picture Alliance

Jutta blinzelt in die Sonne, schaut, schaut - und schaut. Dieses Panorama ist der Wahnsinn, kein Wunder, dass es sie gefangen nimmt. Um uns herum stehen Berge wie aus dem Bilderbuch, mächtig, von Gletschern umrahmt.

<p>Bilderbuch-Ausblicke auf Tour.</p>

Bilderbuch-Ausblicke auf Tour.

© Picture Alliance

„Und dann sind die ja alle noch so berühmt“, seufzt Tina. Stimmt: Montblanc, Grandes Jorasses, Aiguille du Dru und der „Zahn des Riesen“, die steile Felsnadel des Dent du Géant, stehen hier in unmittelbarer Nähe zusammen wie auf einer Party für europäische Gipfel-VIPs, lauter Könige unter den Bergen.

Glücklich sind wir, dass wir da sein dürfen, und das noch bei tiefblauem Himmel und frischem Pulverschnee - ein Geschenk!

Einige Tage zuvor haben wir uns in Courmayeur getroffen: Anna, Jutta, Tina und ich aus dem Allgäu, Bergführer und Fotograf Stefan mit seinem Kumpel Markus.

<p>Abfahrt im Vallée Blanche</p>

Abfahrt im Vallée Blanche

Lange schon hatten wir uns vorgenommen, die Hänge auf der italienischen Seite des Montblanc unter unsere breiten Ski zu nehmen - nun endlich hat alles zusammengepasst: Terminkalender, Wetter und Schneelage.

Nach einer Skitour im Val Ferret und ein paar Freeride- Abfahrten im Skigebiet von Courmayeur, gegenüber dem Montblanc- Massiv, sollte es am strahlendsten Tag der Klassiker sein: die Abfahrt hinüber nach Chamonix, eine Variante des weltberühmten Vallée Blanche.

Freilich hatten nicht nur wir die Idee, gen Montblanc aufzubrechen an diesem wunderschönen Morgen - und so ist die Schlange an der Gondel in La Palud lang.

<p>Die erste Gondel ist der einzige Pflichttermin für Freerider.</p>

Die erste Gondel ist der einzige Pflichttermin für Freerider.

© Stefan Neuhauser

Endlich geht es hinaus in den Schnee! Und der ist vom Feinsten. Stefan kennt eine Variante,die weiter östlich verläuft. Hier sind die Hänge steiler - und weniger befahren.

Denn wer hier unterwegs ist, muss selbst einschätzen können, wo sich die Spalten befinden. Natürlich haben wir Gletscherausrüstung dabei, tragen einen Gurt und sind für eine eventuelle Spaltenbergung gerüstet.

„Trotzdem fühlt sich das schon bedrohlich an, wenn du weißt, dass du wirklich hineinfallen könntest“, bringt es Jutta für alle auf den Punkt. Immer wieder bleiben wir stehen, versuchen, das Gelände einzuschätzen, besprechen die Spuranlage - und dann wird gefahren.

Super Schnee haben wir erwischt und meist finden wir noch unverspurte Hangabschnitte. Erst als wir die Gletscherbruchzone bei den Séracs du Géant erreichen, treffen wir mit vielen anderen Skifahrern zusammen.

Nun wird uns wieder bewusst, wie beliebt und frequentiert diese berühmte Skiabfahrt ist. Von der Aiguille du Midi kommt eine geführte Gruppe nach der anderen herab. Viele stehen beängstigend schlecht auf den Ski - vor allem angesichts der Tatsache, dass es hier genau zwischen den Spalten und Séracs hindurchzutreffen gilt.


Schon bald sehen wir den ersten Helikopter bei einem Rettungsflug. Alltag im Salle à Manger (Speisesaal), dem flachen Becken unterhalb des Gletscherbruchs. Zahlreiche Gruppen machen hier Brotzeit und sonnen sich.

Wir wollen weiter, das ist uns dann doch zu viel Spektakel! Das erste Stück auf dem Glacier du Tacul ist sehr flach, doch mit ein wenig Schieben haben wir es schnell überwunden. Auch danach geht es skifahrerisch wenig interessant weiter auf dem Mer de Glace (Meer aus Eis).

<p>Aussicht von der Punta Helbronner.</p>

Aussicht von der Punta Helbronner.

© Picture Alliance

Umso spektakulärer ist aber die Szenerie und so sind wir überhaupt nicht böse, dass uns die flache Abfahrt Muße lässt, um die Berge ringsherum zu bestaunen: Mächtig stehen hier die Aiguille Verte (4122 Meter) und die berühmten Felspfeiler der Drus mit der Grand Dru (3754 Meter) im Bild.

Immer wieder erschrecken wir - wie Donnergrollen klingt es, wenn an der riesigen Seitenmoräne Teile der halbgefrorenen Masse aus Dreck, Steinen und Sand herabbrechen. „Lass uns nur Abstand davon halten“, sagt Anna. Gemeinsam erahnen wir, wie hoch der Gletscher früher hier gewesen sein muss.

Dann sind wir auf Höhe der Metallstufen, die zur Montenvers-Bahn hinaufführen. Bei mehr Schnee fahren viele Gruppen noch ein kleines Stück weiter hinab, stapfen dann hinauf zum sogenannten Kiosk, einem Freiluft-Verkauf auf den Moränenhügeln oberhalb der Rochers des Mottets.

Heute aber wählen alle den ersten Anstieg. Auch wir laufen die stählernen Stufen hinauf, reihen uns ein in die Schlange an der kleinen Gondelbahn, fahren hinauf und stehen gleich am Bahnhof der Montenvers-Bahn. Schnuckelig sehen die altmodischen roten Züge aus.

<p>Grandiose Kulisse: die Aiguille Noire de Peuterey.</p>

Grandiose Kulisse: die Aiguille Noire de Peuterey.

© imago

Und trotzdem zögern wir: Da war doch noch diese Abfahrt, von der dieser französische Bergführer erzählt hatte … Wir beraten uns und dann steigen Markus und Stefan in den Zug, wir Mädels queren den Hang gen Südwesten.

Ein erster pulvriger Hang bringt uns zum Jubeln - danach aber heißt es kämpfen, vor allem für Jutta und Tina, die mit Telemark-Ski unterwegs sind. So steil sind wir alle noch nie durch einen Wald gefahren! Irgendwann stoßen wir auf die Forststraße, die vom Kiosk hinab nach Chamonix führt. Nun geht es entspannter weiter.

Doch zu früh gefreut: Da ist kein Schnee mehr! Also die Ski abgeschnallt und laufen. Von schlechter Laune ist jedoch keine Spur. Wir sind froh, die Steilabfahrt zuvor so gut überstanden zu haben, dass wir unseren Spaziergang richtig genießen, außerdem gibt es eine Menge zu erzählen.

Und dann entdecken wir einen Lawinenstrich - kerzengerade führt das Band aus Schnee hinab bis zum Fluss im Tal. „Da fahren wir runter, ist doch klar“, sagt Anna. Gesagt, getan. Fröhlich rumpeln wir auf dem geschenkten Schnee nach unten.

In den flachen Flussauen angekommen, müssen wir uns erstmal orientieren. Über eine Brücke erreichen wir die Landstraße, die von Argentière nach Chamonix führt, und müssen erkennen, dass es noch gut drei Kilometer bis dorthin sind. „Kein Problem, wir trampen“, meint Jutta.

Erst denken wir noch, sie ist mal wieder zu optimistisch. Doch das erste Auto hält an. „Ich kann aber nur zwei mitnehmen“, erklärt der Fahrer. Macht nichts, auch das Auto hinter ihm hat gestoppt und so verteilen wir uns.

<p>Die Karte zur Tour.</p>

Die Karte zur Tour.

Wir werden direkt zum Bahnhof von Chamonix gefahren - und bekommen noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg, denn einer der Fahrer ist mal wieder - ein Bergführer. Mit leicht gerunzelter Stirn, aber einem Lächeln hatte er sich unsere Waldabfahrt beschreiben lassen.

Gemeinsam ziehen wir das Fazit: Die ist wirklich nicht jedem zu empfehlen, eher ein Abenteuer! Wir spazieren in die Innenstadt von Chamonix und treffen Markus und Stefan in einem Straßencafé.

Gemeinsam nehmen wir ein Taxi durch den Tunnel nach Courmayeur - und haben an diesem Abend so viele Bilder im Kopf - dass es uns vorkommt, als hätten wir mehr als einen Tag auf der Vallée-Blanche-Abfahrt erlebt.

Text von Verena Stitzinger

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