Höchster Berg in Vorarlberg

Hochtour auf den Piz Buin

Der Piz Buin ist der höchste Berg im österreichischen Vorarlberg und genau dorthin zieht es unseren Autor.

Hochtour auf den Piz Buin
© Picture Alliance

Paul ist mal wieder überrumpelt. Evas Anruf war überdeutlich: "Können wir uns übermorgen um drei in Ischgl treffen? Ich habe Stefan, einen Bergführer, engagiert, wir gehen auf den Piz Buin." Einfach so, ohne große Planung? Paul war fassungslos. Aber Eva ließ nicht locker, das habe sich spontan ergeben, er solle sich nicht so anstellen … auf den Piz Buin habe er doch immer schon gewollt. 3312 Meter! Mit Eva! Wer könnte widerstehen?

Im Paznaun ziehen dunkle Wolken über die Berge. Eva sitzt schon im Café in Ischgl und vergleicht die Höhenlinien mit ihrem Armbandcomputer. Ihr Strahlen schiebt alle Wolken weg. "Höchste Zeit", sagt sie ohne besonderen Nachdruck, "die Wiesbadener Hütte pflegt Westalpenstil: Hüttenruhe um halb zehn. Und übrigens: Ich glaube nicht an die Fahrräder. Schau dir die Karte an." Die zeigt einen langen Hatscher am Silvrettastausee entlang und dann eine steile Linie hinauf zur Hütte. "Aber runter!", beharrt Paul, "wart's ab!" Eva grinst nur.

<p>In weitem Bogen verläuft der Weg über den Ochsentaler Gletscher auf die Buinlücke zu, dem Joch zwischen Großem (links) und Kleinem Buin.</p>

In weitem Bogen verläuft der Weg über den Ochsentaler Gletscher auf die Buinlücke zu, dem Joch zwischen Großem (links) und Kleinem Buin.

© Hugo S. Erben

Als sie am Silvrettastausee die Räder ausladen, fängt es zu regnen an. An der Kurve ins Ochsental gießt es, was runtergeht. Da die Hagelkörner größer werden als Erbsen, spannt Paul den Biwaksack über Lenker und Sättel und lässt Eva zuerst hineinkriechen. "Siehst du", triumphiert er, "wie nützlich die Räder sind."

Um halb zehn ist Schluss

Als es zu dämmern beginnt, ist noch immer keine Hütte in Sicht. Die Wiesbadener gehört zu jenen tückischen Unterkünften, die jede vernünftige Zeitkalkulation zunichte machen, weil sie erst im letzten Moment vor einem stehen. Eva ist so froh, als Paul sie umarmt. "Na also", denkt er insgeheim.

Kurz vor neun ist's, Stefan wartet in einer kleinen Gruppe jüngerer Bergsteiger. "Alle nur mäßig fit", überlegt Paul, "die hängen mich nicht ab … vor Eva!" In der Stube ist noch Trubel. Aber auch höchste Zeit für die "last order". Um 21.30 Uhr ist Schluss. Kaum zu glauben.

Loses Rollen im blühenden Almrausch

Aufbruch kurz nach sieben, auf dem hart gefrorenen Schnee. Davon gebe es genug, meint Stefan, da brauche man auf dem Normalweg wirklich keine Steigeisen. Nur das Seil.

<p>Ein mächtiger Brocken. </p>

Ein mächtiger Brocken. 

Der Piz Buin muss sich über Nacht in Bewegung gesetzt haben, so klein und entfernt wirkt er jetzt. Winzig kleine Seilschaften ziehen schon auf dem Eis dahin. Der direkte Weg, erklärt Stefan beim Anseilstopp, verläuft über einen Felskamm und sei nur was für Fortgeschrittene. "Wir gehen einen gemütlichen Bogen übers Eis."

Das Schnee-Stapfen ist wirklich nicht anspruchsvoll, Zeit zum Schauen. Links ein bläulich schimmernder Eisbruch, rechts ein rauschender Wasserfall. Der weite, erst steile, dann fast ebene Gletscher, dahinter zwei Berge wie ein "M". Stefan erklärt sie: rechts der Kleine Buin, etwas schwieriger, links der Große Buin, leichter, höher und das Ziel mit Renommee. Man sieht's an der ausgetretenen Spur.

Verschneite Spaltenlinien zickzacken nach links und rechts, kaum merklich, dass Stefan achtsamer geht. Die Gruppe folgt brav am Seil, Paul denkt nicht an Bergung mit loser Rolle, sondern an loses Rollen im blühenden Almrausch, ganz allein mit Eva.

Die Mischung von Fels, Schnee und Geröll ist nicht ohne

Nach zweieinhalb Stunden stehen sie zwischen den Buinen. Kurze Brotzeit am Rucksackdepot, dann geht's endlich hinauf. Erst steil schräg im Schnee, dann in matschigem Schotter.

<p>Bergführer Stefan ist froh, als seine Gäste den Kamin gut überwunden haben.</p>

Bergführer Stefan ist froh, als seine Gäste den Kamin gut überwunden haben.

Spannend wird's in den zwei Kaminen, als Stefan seine Gruppe am Bohrhaken sichert - fast ein bisschen übertrieben, aber die Mischung von Fels, Schnee und rutschigem Geröll ist nicht ohne. Schnaufend wuchten sich die Gefährten empor, aber wer Stefan zuhört und die richtigen Griffe erwischt, hat es ganz leicht.

Ist ja auch eher eine Rinne als ein Kamin, so das einhellige Urteil der Gruppe, als alle bei Stefan angelangt sind.

Langsam wird die Sicht besser, zwischen den hohen Wolken und Nebelfetzen tun sich immer mehr Lücken und Löcher auf. Mal spitzt der Silvrettastausee, mal das Tuoital im Süden hindurch.

Ein paar Minuten vollkommenes Glück

Als Eva und Paul aus dem zweiten Kamin klettern, legt sich der Berg nach hinten und das Gipfelkreuz zeigt sich. Ein breit ausgetretener Pfad führt durch die Geröllschräge entspannt auf das Kreuz zu. Noch zehn Minuten, dann sind sie ganz oben. Endlich! Eva ist selig und Paul genießt es.

Ein paar Minuten lang stehen sie in strahlendem Sonnenschein. Tief unten winzig klein die Hütte, die Fußspur auf dem Gletscher, dahinter der See, die grünen Furchen von Montafon und Paznaun. Im Norden und Nordosten die Skiberge von Galtür und Ischgl, ganz in der Ferne sogar die markante Nase der Zugspitze. Was noch? Weißkugel, Ortler, Palü und die weiße Schlange des Biancograts. Ein paar Minuten vollkommenes Glück, Wärme, Strahlen.

Wie das überraschte Murmeltier am Wegrand

Doch nur ganz kurz, dann hüllt sich der Gipfel wieder in Wolken, bergab steigen Eva und Paul wieder in weißer Watte. Nur gelegentlich erhaschen sie matte Blicke auf die Gletscher. Brotzeitpause am Rucksackdepot, dann der lange Rückweg über die Spalten.

Weich und matschig ist der Weg geworden, und Paul rutscht bei jedem Schritt. Eva murrt, weil sie nicht gleichmäßig gehen kann, und beide sind heilfroh, als sie unter dem Eisbruch das Gurtzeug ablegen können. Frei die Schritte setzen, Gras und Blumen zwischen den Steinen, ein Sonnenfleck auf der Hütte und eine Apfelschorle auf der Terrasse - herrlich.

Und die Abfahrt? Die war so rasant, dass sie manchmal schieben mussten, um sich nicht zu überschlagen … so wie das überraschte Murmeltier am Wegrand in wilder Schreck-Flucht. Wäre doch ein tolles Ziel für nächstes Jahr, überlegt Eva laut: das Fluchthorn. Das ist sogar noch ein bisschen höher.

Text von Hugo S. Erben

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