Zillertaler Matterhorn

Bergportrait: Zsigmondyspitze (3087 m)

Ein Hauch von Matterhorn: Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem berühmten Zermatter Hausberg kann die Zsigmondy­spitze nicht leugnen. Selbst der Knick unter dem Gipfelaufbau stimmt mit dem Original überein. Umso erfreulicher ist, dass sich die Kletterei am Normalweg als nicht allzu schwierig und obendrein griffig erweist. In Gipfelnähe (links) genießt man herrliche Tiefblicke in den Floitengrund. Wir stellen euch den wohl bekanntesten Kletterberg der Zillertaler Alpen vor.

Zillertaler Matterhorn: Die Zsigmondyspitze (3087 m)
© Herbert Raffalt

Kletterklassiker in den Zillertaler Alpen: die Zsigmondyspitze

Wir schreiben das Jahr 1879: Nahezu alle Hochgipfel der Ostalpen sind bestiegen, das goldene Zeitalter des Alpinismus neigt sich dem Ende. Auch in den Zillertaler Bergen sind die großen Gipfel erforscht. Einzig der Feldkopf hatte bislang alle Bewerber abgewiesen. Der Geologe Ferdinand Löwl beschrieb ihn als "überhängendes, ohne Übertreibung unersteigliches Horn".

Dem Matterhorn gar nicht unähnlich ragt der Feldkopf als steiler Granitzacken aus dem Mörchenkamm, der am Schwarzenstein nördlich aus dem Zillertaler Hauptkamm herausfingert. Zwischen Melker- und Feldscharte eingezwängt, zeigt er sich nach Süden hin als ebenmäßiges, helles Horn. Südlich unterhalb des Gipfels glitzert in knapp 2500 Meter Höhe der Schwarzsee, der schönste Logenplatz weit und breit.

Seine beeindruckendste Wandflucht entfaltet der Berg nach Nordosten hin, wo er ungestüm mit Kanten und Graten in die Floite abstürzt. Von dort führt über die Feldkopfkante eine der klassischen Zillertaler Felsrouten. Der Lammergrat nach Norden trennt die Floite vom weltvergessenen Gunggltal.

<p>Aufstieg zur Zsigmondyspitze</p>

Aufstieg zur Zsigmondyspitze

© Tyrolia Verlag/Herbert Raffalt

Zsigmondyspitze: Die Geschichte der Erstbesteigung

Im Sommer 1879 kamen die Wiener Brüder Emil und Otto Zsigmondy ins Zillertal. Emil hatte mit 18 gerade frisch maturiert, der ein Jahr ältere Otto war Student der Medizin. Den jungen Wilden kam der Mythos vom unersteigbaren Berg gerade recht. Den wollten sie sich genauer anschauen.

Als Emil und Otto am 24. Juli um 8 Uhr morgens am Einstieg der 300 Meter hohen Westwand standen, waren die Verhältnisse haarsträubend: eisgefüllte Rinnen, schneeverkleisterter Fels, alles andere als ideal für den großen Wurf. Trotzdem stieg Emil beherzt ein – und nach zehnstündigem Herumprobieren waren die beiden am Gipfel. Ein Meilenstein des Alpinismus: Die Zsigmondy-Brüder hatten den ersten bedeutenden Alpengipfel ohne Führer bestiegen, dies war die Geburtsstunde des führerlosen Bergsteigens. 

<p>Die Zsigmondyspitze im Winter</p>

Die Zsigmondyspitze im Winter

© Tyrolia Verlag/Herbert Raffalt

Eisiges Biwak für die Erstbesteiger der Zsigmondyspitze

Die späte Gipfelankunft bezahlten die beiden mit einem eisigen Biwak: "In einer engen Nische zusammengekauert, unmittelbar über dem steilen Absturz zum Gletscher, mussten die beiden Brüder die Nacht verbringen. Dabei war der Raum so beschränkt, dass der Eine auf den Knieen des Anderen zu sitzen genötigt war." Sechs Jahre später stürzte Emil an der Meije-Südwand in den Tod, seither trägt der Feldkopf seinen Namen.

<p>Geniale Tiefblicke: Am Gipfel der Zsigmondyspitze.</p>

Geniale Tiefblicke: Am Gipfel der Zsigmondyspitze.

© Tyrolia Verlag/Herbert Raffalt

Die brüchige Route der Erstbesteiger geriet rasch in Vergessenheit, aber die Zsigmondy­spitze war bald en vogue: Jeder, der etwas auf sich hielt, musste sich an ihr messen. Schnell wurden zahlreiche Routen erschlossen. Mit zu den lohnendsten zählt der heutige Normalweg, die Routenkombination aus Südgrat, Südwestwand und abermals Südgrat, ein alpines Kletterabenteuer im unteren III. Schwierigkeitsgrad.

<p>Die Tour im Überblick</p>

Die Tour im Überblick

© Tyrolia Verlag

Die Tour: Über die Berliner Hütte auf die Zsigmondyspitze

  • Schwierigkeit: Klassische alpine Kletterei mit Stellen im unteren III. Schwierigkeitsgrad, meist II. Die Route wird im Auf- und Abstieg begangen und ist mental durchaus anspruchsvoll, zumal abgesehen von den Standplätzen ziemlich wenige Haken stecken. Am Grat ist der Fels meist fest, die beiden Querungen bewegen sich in steilem Schrofengelände. Dank der Südexposition trifft man zwischen Juli und September meist trockenen Fels an.

  • Material: Kletterausrüstung mit Helm, 60-Meter-Seil (zum Abseilen am Grat), einem Grundsortiment Keilen sowie langen Bandschlingen und einigen Express-­Schlingen.

  • Talort: Ginzling, 985 m.

  • Ausgangspunkt: Gebührenpflichtiger Parkplatz beim Gasthaus Breitlahner, 1257 m, im Zemmgrund.

  • Hütte: Berliner Hütte, 2040 m, DAV Berlin, bewirtschaftet von Anfang Juni bis Ende September, sonst offener Winterraum, 3 Std. vom Gasthaus Breitlahner, www.berlinerhuette.at

  • Route: Am Weg 502 wandert man von der Hütte hinauf zum Schwarzsee. Gleich ­danach bleibt man an einer Wegverzweigung links auf dem Weg 522 bis kurz vor die Melkerscharte. Noch unter der Einkerbung geht’s nach Osten zur Feldscharte, 2909 m.­ Über eine Schuttrampe gewinnt man von links her den Einstieg am Grat­rücken. Die ersten beiden Seillängen (II) führen höchst genussreich zu einem Absatz, an dem die lange leicht fallende Querung auf einem Band nach links in die Südwestwand beginnt. Schon fast am Südwestgrat angelangt, geht’s scharf rechts um die Ecke und auf einem steiler ansteigenden Band zurück zum Südgrat. Es folgt eine weitere schöne Seillänge bis unter die überhängende Gipfelwand. Dieses letzte Hindernis wird auf dem „Floitenritt“ rechts umgangen und zuletzt durch eine Hintertür im Blockgelände der Gipfel erreicht.

  • Abstieg: Ebenfalls auf der Anstiegsroute, 3 Std. Die beiden langen Querungen in der Südwestwand können durch zwei Abseillängen am Grat vermieden werden, Abseilstände sind eingerichtet (60-Meter-Seil).

  • Tipp: Die Tour kann von Konditionsriesen auch an einem Tag bewältigt werden. Wer die alpine Geschichtsstunde jedoch etwas vertiefen möchte, übernachtet in der altehrwürdigen Berliner Hütte, die vier Tage nach der Erstbesteigung der Zsigmondy-Brüder eingeweiht wurde.

  • Alternativroute: Eleganter als die Schlangenlinie durch die Südwestwand ist die durchgehende Begehung des Südgrates. Die Kante fährt steil und unwiderstehlich direkt von der Feldscharte zum Gipfel auf, verlangt aber auch den unteren V. Schwierigkeitsgrad.

<p>Austria Alpin – Große Gipfel Österreichs</p>

Austria Alpin – Große Gipfel Österreichs

© Tyrolia Verlag

Mit freundlicher Genehmigung aus:

Text von Robert Demmel