Bergschule: Gehen auf Eis und Schnee

Mit festem Tritt: Sicher wandern in Eis und Schnee

Selbst im Hochsommer kann man beim Wandern auf Schnee und Eis treffen, bei Touren in höheren Lagen und auf Gletschern gehören sie dazu – damit sie nicht zur Todesrutschbahn werden, braucht es taktische Überlegungen und die richtige Gehtechnik und Ausrüstung.

Gehen auf Eis und Schnee
© Andi Dick

Sicherheit beim Wandern: Richtig Gehen auf Eis und Schnee

Kommt man auf der gleichförmigen Oberfläche eines halbwegs harten Schneefeldes ins Rutschen, geht es dahin: Schon bei 30 Grad Neigung (das fühlt sich beim Gehen noch nicht sehr steil an) beschleunigt man fast wie im freien Fall. Nur wer sofort mit gut trainierter Bremstechnik reagiert, hat eine Chance, den Sturz zu stoppen, bevor die Abbruchkante oder das harte Geröllfeld kommen.

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Schnee und Eis sind aber nicht nur böse und gefährlich. In weglosem Gelände kann man auf griffigem Firn oft kraftsparender aufsteigen als auf Steilgras oder Geröll, weil sich gute Stufen in angenehm gleichmäßigen Abständen schaffen lassen. Und sonnenglänzende Firnhänge oder imposante Gletscherströme sind die Eintrittskarte zu vielen der reizvollsten Gipfel.

Wann und wo muss ich beim Wandern mit Altschneefeldern rechnen?

Trotz Klimaerhitzung gehört Schnee im Gebirge zum Jahreslauf; seine Metamorphose beeinflusst die Schwierigkeiten und Gefahren, mit denen man zu rechnen hat. Im Hochwinter sind vor allem Lawinen ein Thema.

Wenn im Frühling die ersten "normalen" Wanderungen möglich werden, liest man häufiger Schlagzeilen von Menschen, die im Tiefschnee erschöpft nicht mehr vor noch zurück kamen; eine Aufgabe für kompetente Tourenplanung und Recherche. Auf Nordseiten können noch länger tiefe, mühsame oder auch eisig-harte Verhältnisse herrschen; auf Südseiten dagegen ist noch mit glitschigem Schneematsch auf Lehm oder glattem Fels zu rechnen – und auch mit Schneerutschen aus oberhalb liegenden Steilflanken. 

<p>Im Frühsommer bilden Schneefelder eine der Hauptursachen für Abstürze bei Wanderungen. </p>

Im Frühsommer bilden Schneefelder eine der Hauptursachen für Abstürze bei Wanderungen. 

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Die Ausaperung zieht sich in höheren Lagen und auf Schattenseiten länger hin: Bis in den Juli oder August hinein können Schneereste das Profil eines Wanderwegs mit einer kompakten Rutschfläche überdecken oder sich als Schneeschilde fraglicher Stabilität über Bachgräben spannen, in die man ungern einbrechen mag. Altschneereste können vor allem nach klaren Nächten morgens knallhart gefroren sein und erst im Tagesverlauf griffig aufweichen – oder auch zu haltlosem Sulzmatsch degenerieren.

Wer Gletscher begehen will, profitiert zumindest im Frühsommer nach "normalen" Wintern – die schneearmen werden aber immer mehr – von meterdicker Spalten-Überdeckung aus griffigem Schnee. Diese Decke schwindet mit der Sommerwärme, Spaltenbrücken werden dünner (und Seilsicherung obligatorisch), Schnee wird zu Matsch, dann bleibt das blanke Eis übrig. Ist dies nach längerer Sonneneinstrahlung körnig-rauh, kann es bei geringer Neigung den bloßen Schuhsohlen ausreichend Grip bieten; nach Regen und ab einer gewissen Steilheit braucht man Steigeisen.

<p>Auf aperen Gletschern muss man nicht am Seil gehen. </p>

Auf aperen Gletschern muss man nicht am Seil gehen.

© Andi Dick

Grip für die Füße: Steigeisen gegen harten Firn und Eis, Grödel im Firn

Steigeisen sind das klassische Werkzeug gegen harten Firn und Eis. Dabei wird man, wenn nicht gerade Steilpassagen, Firnwände oder Gletscherbrüche auf dem Tourenplan stehen, mit einem leichten Modell und ohne Frontzacken auskommen. Wird kein Fels begangen, reicht Alu, sonst braucht man Stahl; Steigeisen mit Gelenk bieten "runderen" Gehkomfort als starre Modelle. Mit Körbchenbindungen lassen sie sich sogar an leichteren Bergschuhen befestigen.

Andererseits sind stabile Schuhe mit steifer Sohle und harter Kante wesentlich, um auf hartem Firn gut Halt zu finden. Wer extrem erfahren ist, starke Sprunggelenke und perfekte Gehtechnik hat, kann Firnhänge vielleicht mit leichten Schuhen riskieren – bei weniger Marge für Fehler. Skyrunner etwa laufen mit Trailrunningschuhen auf manche Viertausender, haben dann aber zumindest "Spikes" dabei. 

<p>"Spikes" sind leicht und bieten trotzdem guten Halt.</p>

"Spikes" sind leicht und bieten trotzdem guten Halt.

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Diese Zacken-Netze, die mit einem Gummiring über die Schuhsohle gezogen werden, machen sich immer gut im Rucksack, wenn man nicht sicher ist, ob man es womöglich mit hartem Schnee zu tun bekommt. Auch clever ist ein ganz leichter Pickel mit Alu- oder Kunststoffschaft: weniger als Balancehilfe, aber zum Bremsen von Stürzen und vor allem zum "Kratzen" oder "Reißen" von Stufen.

<p>Auf Altschnee oder Gletschern mit Schneeauflage hilft ein beherztes Zutreten. </p>

Auf Altschnee oder Gletschern mit Schneeauflage hilft ein beherztes Zutreten.

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Stabil unterwegs in Schnee und Eis: Richtige Wegwahl und Gehtechnik beim Wandern

Doch Sicherheit auf Schnee und Eis kommt nur sekundär von der richtigen Ausrüstung. Primär sind richtige Wegwahl und Gehtechnik. Liegt noch keine Spur im Firnfeld, versucht man, mit einer angenehm sanft ansteigenden, möglichst gleichmäßigen Spur die steilsten Stellen zu umgehen. Daraus ergibt sich eine elegante Serpentinen-Linie; der direkte Aufstieg ist anstrengend und das Trittschaffen schwieriger. 

<p>Sich im Eis zu bewegen braucht Übrung und Erfahrung.</p>

Sich im Eis zu bewegen braucht Übrung und Erfahrung.

© Andi Dick

Relativ kurze Schritte sparen Kraft und verringern die Rutschgefahr, die Füße sollten möglichst breitbeinig gesetzt werden. Stöcke oder ein Pickel helfen für Rhythmus und Balance und halten den Körper aufrecht – wer sich zum Hang lehnt, gleitet leicht weg. Im spurbaren Schnee schafft man Trittstufen mit möglichst waagerechter Grundfläche, eventuell ein bisschen hangeinwärts geneigt. Ist der Schnee weich, gelingt das durch energisches senkrechtes Auftreten mit dem (festen Berg-)Schuh. 

Im Abstieg – der dann auch mal direkt erfolgen darf – beugt man den Oberkörper ex­trem weit nach vorne, um die Ferse kräftig einrammen zu können. Bestehende Stufen tritt man sanft und gezielt, damit sie nicht ausbrechen; sind sie ausgebrochen oder glattgefroren, muss man nacharbeiten.

Dazu, und auch wenn der Schnee härter wird oder man auf hartgefrorenen Firn (überwinterter Schnee) trifft, versucht man, mit der bergseitigen Sohlenkante durch einen sichelförmigen Schwung nach vorne eine Trittkerbe in den Firn zu ritzen. Gelingt das nicht aufs erste Mal zufriedenstellend, wiederholt man den Kick, bis eine ausreichend große Trittfläche entstanden ist. 

Spätestens hier bereut man leichte Schuhe mit weicher Sohlenkante. Die können an solchen Stellen zur Umkehr zwingen. Zusätzlich kann man Stufen kratzen bzw. hacken, am besten mit einem Pickel: Mit einem schwungvoll dosierten Ruck der Schaufel reißt man eine Kerbe in die Oberfläche, die dann die Sohlenkante noch vergrößern kann. Bei hartem Firn und in steilerem Gelände nimmt man sich lieber etwas länger Zeit und mehrere Schwünge, um eine gute Stufe auszuarbeiten.

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Stabil unterwegs: Wann zieht man Steigeisen an?

Wenn das irgendwann zu kipplig wird, wäre es Zeit gewesen, vorher die Steigeisen anzuziehen – also bei großen Firnhängen und auf blanken, steileren Gletschern. Achtung: Mit Steigeisen (und Spikes) steht man nicht waagerecht, sondern hangparallel, also mit der gesamten Sohle auf der Oberfläche, so dass alle Zacken greifen. 

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Dafür braucht es ein bewegliches Sprunggelenk; bei zunehmender Steilheit dreht man die Fußspitzen talwärts, dann können die Knie den nötigen Bewegungsraum schaffen. An kurzen Steilstufen kann auch Stufenschlagen helfen: Mit der Haue des Pickels hackt man zuerst eine waagerechte Grundfläche, arbeitet dann mit Schlägen von oben die Stufe aus.

Checkliste: Kompetent und gerüstet in Schnee und Eis

  • Hartschnee und Eis sind schon bei geringer Neigung Todesrutschbahnen.

  • Stabile Schuhe mit harten Sohlenkanten sind hilfreich.

  • Auf härterer Materie helfen Spikes (kurze Passagen) oder Steigeisen wesentlich; rechtzeitig anziehen!

  • Gehtechnik und Erfahrung vergrößern die Flexibilität bei der Ausrüstung.

  • Ein (Leicht-)Pickel hilft für Balance, zum Bremsen eines Sturzes – und schafft Trittstufen.

Das alles ist in der Praxis nicht ganz so einfach, wie es sich liest, aber auch kein Hexenwerk. Kompetente Anleitung bei einem Eiskurs ist sicher kein Fehler, man kann sich aber auch autodidaktisch an die Materie "gefrorenes Wasser" herantasten. Wichtig dabei ist – wie immer und bei jedem Bergsport – zu wissen, worauf man sich einlässt, und realistisch einzuschätzen, was man kann – und was nicht.

Vier zackige Modelle haben wir hier im Test zusammengestellt:

Text von Andi Dick