Suche per Helikopter bisher erfolglos

Hochkalter: Suche nach verunglücktem Bergsteiger eingestellt

Seit Samstagnachmittag sucht ein Großaufgebot an Rettungskräften bei Ramsau nach einem vermissten 24-jährigen Bergsteiger. Der Mann aus Niedersachsen war alleine auf eine Tour gestartet und konnte bei winterlichen Verhältnissen mit einem Meter Neuschnee am Hochkalter bislang nicht gefunden werden. Die Suche wurde nun nach sechs Tagen vorerst eingestellt.

Neuschnee und Schneesturm bei der Suche am Hochkalter
© BRK Kreisverband Berchtesgadener Land

Update 23.09.2022: Suche nach dem 24-Jährigen wird eingestellt, "alles Menschenmögliche getan"

Die Rettungskräfte haben am Donnerstagabend die Suche nach dem verunglückten Bergsteiger in den Berchtesgadener Alpen erneut eingestellt. Man habe "alles Menschenmögliche" und technisch Machbare getan, um den vermissten 24-Jährigen lebend zu finden, sagte ein Polizeisprecher am Abend.

In dem Gebiet am Hochkalter bei Ramsau sei die Lage tief winterlich. Die Temperaturen lägen teils unter dem Gefrierpunkt. "Unter den derzeitigen Umständen, insbesondere aufgrund der Schneelage im eingegrenzten Gebiet, sind weitere Suchmaßnahmen momentan nicht zielführend", hieß es weiter. Bergwacht und Polizei behalten die Lage am Berg jedoch genau im Auge, um bei einer Änderung der Witterung hin zu Tauwetter schnell die Suche wieder aufnehmen zu können.

Zuvor hatte es eine neue Spur gegeben: Ein Signal war mit einer speziellen Ortungstechnik an einem Hubschrauber aus einer Felswand im Suchgebiet empfangen worden. Der Hubschrauber war deshalb erneut aufgestiegen, um Bergretter in das Gebiet zu bringen. Die Polizei sprach von einem letzten Strohhalm für diesen Tag.

Der 24-Jährige aus Niedersachsen hatte am Samstag einen Notruf abgesetzt, weil er kurz unterhalb des Gipfels des 2607 Meter hohen Hochkalters bei Ramsau nahe Berchtesgaden im Schneesturm abgerutscht war und sich im steilen und rutschigen Gelände kaum noch halten konnte. Nach mehreren Telefonaten riss der Kontakt ab. Wegen der widrigen Bedingungen musste die Suchaktion zunächst verschoben und zwischenzeitlich auch wieder unterbrochen werden.

Am Mittwoch konnte endlich ein Helikopter mit einer speziellen Ortungssonde aufsteigen. Dadurch wurde zumindest der Rucksack des jungen Mannes gefunden. Auch ein Eurofighter der Bundeswehr war im Einsatz, der die Retter mit Ortungstechnik und hochauflösenden Luftbildern unterstützte.

Als der Helikopter ein letztes Mal über das Suchgebiet flog, nahm er ein neues Signal auf, hieß es weiter. Was das Signal auslöste, war zunächst unklar. Die Ortungstechnik reagiert auf Halbleiter und Reflektoren, wie sie zum Beispiel in einigen Outdoor-Jacken eingenäht sind. Teams aus Bergwachtlern und Polizeibergführern wurden gezielt in der steil abfallenden und tief schneebedeckten Felswand abgesetzt. Mit Lawinensonden und elektronischen Ortungsgeräten suchten sie die steile Rinne und die Felswände ober- und unterhalb der Fundstelle ab. Dabei waren sie an Seilen gesichert und hatten spezielle Eispickel und eine Lawinennotfallausrüstung dabei.

Update 22.09.2022: Rucksack gefunden, Suche geht weiter

Bergwacht und Polizei haben am Mittwoch ganztags das bessere Wetter genutzt und am Hochkalter aus der Luft mit der Recco-Boje auch mit Einsatzkräften im Gelände nach dem vermissten 24-Jährigen gesucht. Am Mittag fanden Sie per Recco-Reflektor einen Wetterballon. Am späten Nachmittag konnte dann der Rucksack des vermissten Bergsteigers gefunden werden.

Aufgrund aufziehender Wolken war es am Abend nicht mehr möglich, weitere Einsatzkräfte am Berg per Winde abzusetzen. Neben dem Polizeihubschrauber "Edelweiß 2“ mit der Recco-Boje am Lastenseil und einem Transporthubschrauber der Bundespolizei zur Verlegung von Einsatzkräften war am späten Nachmittag auch ein Eurofighter der Luftwaffe über dem Hochkalter im Einsatz. Dieser sollte die Retter mit zusätzlicher Ortungstechnik und hochauflösenden Luftbildern unterstützen. 

Die Suche nach dem verunglückten 24-Jährigen gestaltet sich derweil weiterhin schwierig. Rudi Fendt von der Bergwacht Ramsau schildert die Situation: "Auf 2.400 Metern Höhe herrschen winterlichste Verhältnisse mit teilweise über 1 Meter Schnee, dort ist alles vereist. Bergretter benötigen Steigeisen, Pickel, Bohrmaschine zur Selbstsicherung." 

<p>Hubschrauber der Bergwacht auf einem Sportplatz in Ramsau bei Berchtesgaden.</p>

Hubschrauber der Bergwacht auf einem Sportplatz in Ramsau bei Berchtesgaden.

© picture alliance/dpa/Kilian Pfeiffer

Die Familie des Vermissten ist mittlerweile auch vor Ort eingetroffen und wird von speziell geschulten Einsatzkräften betreut.

Für Donnerstag ist geplant, das Gelände unterhalb des noch am Abend geborgenen Rucksacks mit Bergrettern im Gelände abzusuchen.

Update 20.09.2022: Helikopterflug am Montagabend bleibt erfolglos

Einsatzkräfte von Bergwacht und Polizei haben am Montagabend kurzfristig ein günstiges Wetterfenster am Hochkalter genutzt und sind mit dem Polizeihubschrauber zu einem Suchflug auf Sicht nach dem seit Samstagnachmittag verunglückten und vermissten 24-jährigen Bergsteiger aus Niedersachsen gestartet. Die Wolkenuntergrenze lag beim Flug bei 2.300 Höhenmetern, der Gipfelgrat mit der vermuteten Einsatzstelle war noch nicht nebelfrei und somit auch nicht einsehbar.

Die Helikopterbesatzung suchte das Gelände bis zum Sonnenuntergangs ab. Die so genannte Recco-Boje, mit der auch Halbleiter aus elektronischen Geräten wie Handy oder Laptop geortet werden können, konnte aufgrund des Nebels noch nicht eingesetzt werden.

Die Besatzung des Helikopters war mit einem Bergführer der Bergwacht Ramsau von kurz nach 18 Uhr bis kurz nach 19 Uhr eine gute Stunde am Berg unterwegs. Durch den vielen Neuschnee seit Samstag sind die Rinnen teilweise mit geschätzten Schneehöhen von bis zu drei Metern eingeweht und dementsprechend schlecht einsehbar. 19 Bergretter aus Ramsau, Bad Reichenhall und Marktschellenberg waren bis 20.30 Uhr vor Ort, darunter die Recco-Spezialisten, der Bergwacht-Notarzt und Alpinisten mit Eisgerät und Lawinen-Notfallausrüstung für eine rasche Rettung bei einer eventuellen Sichtung am Berg. Ehrenamtliche Spezialisten des Bergwacht-Technikbusses werteten die Bilder vom Suchflug die halbe Nacht lang manuell und mit entsprechender Spezialsoftware im Detail aus, konnten aber keine Spuren vom Vermissten entdecken.

Für Dienstag (20. September) ist aktuell schlechtes Wetter vorhergesagt, am Mittwoch rechnen die Einsatzkräfte mit einer Besserung, die eventuell weitere Flüge mit Heli und Drohne zulässt, am Donnerstag soll es dann voraussichtlich sonnig werden, so dass der Berg komplett wolkenfrei wird und eine Suche mit der Recco-Boje zulässt.

Ursprüngliche Meldung: 24-Jähriger bricht bei schlechtem Wetter alleine zu Tour auf

Der junge Mann war nach Angaben der Bergwacht Ramsau alleine mit dem Zug angereist. Trotz des angesagten Wintereinbruchs brach er zu seiner hochalpinen Tour auf und musste am Samstagnachmittag gegen 15:00 Uhr einen Notruf absetzen. 

Laut Bericht der Bergwacht gab er an, dass er noch im Aufstieg in rund 2.400 Metern Höhe eine größere Strecke abgerutscht war, sich dabei am Kopf verletzt und beide Arme gebrochen habe. Im absturzgefährlichen Gelände hätte er Schwierigkeiten, Halt zu finden.

Mehr als 30 Bergretter im Einsatz unter Lebensgefahr

Seither suchen mehr als 30 Bergretter nach dem Verunglückten. Sie hatten noch mehrfach telefonischen Kontakt zu dem 24-Jährigen. Zwischenzeitlich gab er an, dass er doch nicht ernsthaft verletzt sei. In einem weiteren Telefonat nannte der junge Mann dann neue Koordinaten von seinem Handy, die einen anderen Aufenthaltsort am Hochkalter als vorher angenommen vermuten ließen.

Eine genaue Ortung des Telefons des Vermissten misslang mehrfach. Am Samstagabend mussten die ersten Einsatzkräfte gegen 20:00 Uhr aufgrund der widrigen Verhältnisse im Schneesturm abbrechen. Die Retter begaben sich laut Bergwacht auf den vereisten, eingewehten Wegen in Lebensgefahr. Sie mussten teilweise selbst ihren Abstieg abbrechen, ein Trupp am Gipfel musste sich erst in einem Notzelt vor dem eiskalten Wind in Sicherheit bringen und für den Abstieg aufwärmen.

<p>Rettungsversuch im Schneesturm</p>

Rettungsversuch im Schneesturm

© Bergwacht Ramsau/Facebook

Abbruch am Samstag, ein Meter Neuschnee am Sonntag

Am Samstagabend gegen 21:30 Uhr gab es den letzten telefonischen Kontakt zu dem Vermissten. Die Einsatzkräfte waren bis 03:30 Uhr in der Nacht unterwegs. Die Suche startete am Sonntag (18.9.) ab 6:00 Uhr erneut, bei mittlerweile rund einem Meter Neuschnee auf Eis und enormer Lawinengefahr.

Den ganzen Tag über waren trotz widrigster Bedingungen wieder mehrere Bergrettungsteams, Drohnen und Hubschrauber im Einsatz. Mit Einbruch der Nacht musste die Suche erneut ergebnislos abgebrochen werden.

Montagmorgen: Suche zu riskant

Eine Suche am Boden durch Einsatzkräfte im steilen, hochalpinen und absturzgefährlichen Gelände ist nach Angaben des BRK Kreisverband Berchtesgadener Land aktuell wegen des vielen Neuschnees zu riskant und auch wenig erfolgversprechend, da es in der Nacht weiter geschneit hat und am Berg zwischen einem halben und eineinhalb Metern Schnee liegen. Bergwacht und Polizei werden versuchen, bei Wetter-Besserung auch sehr kurzfristig wieder weiter aus der Luft zu suchen, sobald besseres Flugwetter herrscht und sich die Wolken am Berg etwas lichten. HIerbei ist auch geplant ist, dass das so genannte Recco-System als Boje am Hubschrauber-Lastenseil zum Einsatz kommt, mit dem unter anderem Halbleiter aus elektronischen Geräten wie Handys oder Notebooks geortet werden können.

<p>Rettungskräfte im Einsatz</p>

Rettungskräfte im Einsatz

© BRK Kreisverband Berchtesgadener Land

Neuschnee in den Alpen

Am Wochenende hatte es wie vorhergesagt teils bis in höhere Tallagen geschneit. Die Schneefallgrenze in den Alpen ist in der Nacht zum Samstag unter 1500 Meter Höhe gesunken. Teils gab es sogar bis auf 1200 Meter herab nasse Flocken. So präsentierten sich auch im Allgäu höhere Tallagen weiß angezuckert. Weiter oben kamen verbreitet 5 bis 10, auf der Zugspitze sogar fast 15 Zentimeter Neuschnee zusammen. In Österreich und der Schweiz waren einige Passstraßen schneebedeckt und teils gesperrt. 

Hochkalter: Der Nachbar des Watzmann

Der Hochkalter in den Berchtesgadener Alpen ist mit 2.607 Metern der höchste Gipfel des gleichnamigen Gebirgsstocks und nach seinem Nachbarn, dem Watzmann, der zweithöchste Berg, der komplett auf deutschem Boden steht.

Die Gipfelanstiege auf den Hochkalter erfordern selbst bei guten Verhältnissen den erfahrenen Bergsteiger. Der Hochkalter-Normalweg über den "Schönen Fleck" weist mehrere Kletterstellen im zweiten Grad auf. Der Aufstieg durch das Ofental gilt mit Stellen im 1. Schwierigkeitsgrad als leichter, allerdings ist die Orientierung hier schwieriger. Die "Blaueisumrahmung", die von der Eisbodenscharte über Blaueistürme, Blaueisspitze, Hoch- und Kleinkalter sowie den Rotpalfen zurück zur Blaueishütte führt, erfordert derweil Kletterei bis zum 4. Schwierigkeitsgrad.

4 Kommentare

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Andreas

Danke erstmal an die Kameraden und Kameradinnen der Bergwacht für ihren unermüdlichen und riskanten Einsatz.
Nach mittlerweile 80 Stunden im Schneesturm (21.9.22 in der Frühe) würde es an ein Wunder grenzen, wenn der junge Mann noch unbeschadet aus der Sache kommt. Ich hoffe und wünsche es ihm sehr. Jeder kann mal einen Fehler machen und der Erfrierungstod ist ein sehr hoher Preis für den menschlichen Leichtsinn.

Bergretter

Bergwacht ist ehrenamtlich, d.h. alle Rettungskräfte machen das in ihrer Freizeit. Ist nicht selbstverständlich.
Danke dafür.

Matthias K.

Ich finde es angesichts der zunehmenden "unbedarften" Touren"planungen" bedenklich, dass sich die Rettungskräfte selber so einer Gefahr aussetzen müssen.
Ich wüsste wirklich gerne, was solche Leute antreibt bei angekündigter Schlechtwetterfront trotzdem in solche Touren einzusteigen: Egoismus ? Narzissmus? Völliges Unwissen (angesichts der Vielzahl an Offline- und Online-Informationen nahezu ausgeschlossen) ? "Abenteuerlust" (irgendwie wirds schon gehen und im Zweifel kann ich ja den Notruf betätigen)?
Definitiv der fehlende Respekt oder auch Sinn für die Natur(gewalten), der sich für mich in den vorherrschenden Zeitgeist einreiht.


Uwe auf unserer Facebook-Seite

Respekt für alle Bergretter und ihren täglich gefährlichen Einsatz während der Suche und Bergung.