Die Ergebnisse im Überblick

Klimakonferenz in Paris: Hoffnung für die Berge?

Der Klimagipfel am Wochenende in Paris endete mit minutenlangem Applaus und Umarmungen, das Wort "historisch" war in aller Munde. Aber was sind die tatsächlichen Ergebnisse des Klimaabkommens und kommt es für die Gletscher in den Alpen bereits zu spät?

Nicht nur auf dem Jubiläumsgrat könnte das Wintersport-Vergnügen bald vorbei sein.
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Bergfreund Herbert war am Wochenende auf der Zugspitze unterwegs, für ihn ist die globale Erderwärmung an diesem Tage maximal ein Wetterleuchten am Horizont: 80 Zentimeter Schnee hat der Verband Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS) am vergangen Samstag auf Deutschlands höchstem Berg gemessen. Auch auf den Hängen im Allgäu und in Österreich sowie in den Französischen Skigebieten sind vielerorts solide Abfahrten möglich. Laut VDS lag auf den Gletschern häufig mehr als ein Meter Schnee.

Der leidenschaftliche Wintersportler wird aber sofort zurück in die harte Realität geworfen, wenn er Nachrichten liest, die einen längeren Zeitraum als das aktuelle Wochenende im Blick haben. "Der Watzmann-Gletscher ist tot" sagt zum Beispiel der Glaziologe Wilfired Hagg von der Universität München gegenüber Zeit-Online. Denn ein Gletscher muss sich per Definitionem fortbewegen, tut er dies nicht, so ist er für Glaziologen nur noch "totes Eis".

<p>Der nördliche Schneeferner größter und höchster Gletscher in Deutschland geht aufgrund der Klimaerwärmung ständig zurück.</p>

Der nördliche Schneeferner größter und höchster Gletscher in Deutschland geht aufgrund der Klimaerwärmung ständig zurück.

© picture alliance / Rolf Wilms

Laut Haag bewegt sich beim Watzmanngletscher nichts mehr. Seit Jahren beobachtet der Wissenschaftler, wie der Gletscher schrumpft. Nach der Dürre und Hitze dieses Sommers - jüngst wurde im Tessin das wärmste Jahr der Geschichte ausgerufen -, hat er für den ehemaligen Eisriesen keine Hoffnung mehr. Ähnlich düster ist es um den Blaueisgletscher unterhalb des Hochkalters bestellt. Mittlerweile in zwei Teile zerbrochen, gibt ihm Haag nur noch eine Restlebenszeit von maximal ein paar Jahren. Auch bei den drei Zugspitzgletschern ist ein Ende absehbar.

Da Gletscher den Bergen bekanntlich Halt gegeben, wird es ohne sie gefährlich. Denn dort wo sie verschwinden wird das Gelände instabil. Steinschläge, Murgänge und Lawinen bedrohen nicht nur die Bewohner im Tal, sondern auch Bergsteiger. Prächtige und eisige Hochtouren werden so zu steinschlaggefährdeten Wanderungen in einer felsig-brüchigen Mondlandschaft. Zudem könnten in ein paar Jahren die Grundwasservorräte schrumpfen, viele Flüsse im Alpenvorland werden künftig im Sommer trockenfallen.

Problem nicht nur in den Alpen

Was für die Deutschen Alpen gilt, lässt sich auch für die anderen Alpennationen und weltweit feststellen. Bei Samuel Nussbaumer vom Hauptquartier der globalen Gletschervermessung in Zürich laufen jedes Jahr Daten zu etwa 2300 Gletschern ein.

"Selten war der Eisverlust so groß wie in diesem Jahr", sagte er Zeit-Online und weiter: Die größten Eismassen der Alpen werden Ende des Jahrhunderts fast verschwunden sein, was in den weltweiten Trend passt. Einzig im zentralasiatischen Karakorum nimmt das Eis zu, es zählt allerdings auch zu den höchsten Gebirgen der Welt.

<p>Auch der der zweitgrößte Gletscher Norwegens, der Engabreen, ist auf dem Rückzug.</p>

Auch der der zweitgrößte Gletscher Norwegens, der Engabreen, ist auf dem Rückzug.

© picture-alliance / Dumont Bildarchiv

Am höchsten Berg der Welt wird es hingegen immer wärmer und laut einem Bericht der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Hunan Universität sowie dem "Mount Qomolangma Snow Leopard Conservation Center" schrumpfen die Gletscher im Bereich des Berges immer weiter. Das Gebiet wird wegen seiner Eismassen auch als "dritter Pol" bezeichnet.

Auch der Berner Gletscherhistoriker Heinz Zumbühl warnt vor der weltweit zu beobachtbaren Schmelze: "Das ging alles viel schneller und dramatischer als erwartet". Er fürchtet, dass die Realität auch die düsteren Prognosen noch übertreffen werde.

Die Ergebnisse von Paris

Wenn Bergfreund Herbert das und die bereits 2009 gescheiterte Klimakonferenz in Kopenhagen im Hinterkopf hat, kam er selbst bei den derzeit 80 Zentimetern Schnee auf der Zugspitze nicht umhin, mit berechtigter Sorge nach Paris zu blicken. Denn die Auswirkungen der Erderwärmung werden zuerst die Menschen zu spüren bekommen, die auf Inseln im Meer oder eben in den Bergregionen der Welt leben – beziehungsweise ihrer Leidenschaft nachgehen.

Die gute Nachricht zuerst: Die Staaten müssen ihre Emissionen drastisch senken, fasst Jakob Mayr auf BR-Online die Konferenz zusammen. Die Erderwärmung soll langfristig deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau gehalten werden. Wenn möglich sogar unter 1,5 Grad, womit eine Forderung der Inselstaaten umgesetzt wurde.

Laut Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Online (FAZ) hat dieses Ziel aber eher symbolische Wirkung und gilt als unrealistisch. Selbst wenn alle beteiligten Länder ihre selbst gesteckten Klimaschutzvorgaben erfüllen sollten, würde das die Erwärmung gerade einmal knapp unter drei Grad halten.

Die Wichtigsten Paris-Fakten im Überblick
  • Erderwärmung soll auf 1,5 Grad begrenzt werden
  • Treibhausgasemissionen sollen so schnell wie möglich sinken
  • Klimaziele werden alle fünf Jahre überprüft
  • Industrieländer sollen für den Kampf gegen den Klimawandel zahlen
  • für fast alle Staaten auf der Welt verbindlich
<p>Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist in dem Vertrag von Paris nur in einer vagen Verpflichtung festgehalten.</p>

Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist in dem Vertrag von Paris nur in einer vagen Verpflichtung festgehalten.

© picture alliance / Photoshot

Auch das ambitionierte Ziel des völligen Verzichts auf fossile Brennstoffe bis zum Ende des Jahrhunderts, hat es nicht in den Vertrag geschafft. Nur die vage Verpflichtung steht noch drin, dass sich alle Staaten bemühen sollen, "so schnell wie möglich" den Punkt zu erreichen, an dem ihre Treibhausgasemissionen zumindest nicht weiter steigen.

Ab 2023 sollen alle fünf Jahre unabhängige Experten überprüfen, ob die vereinbarten Zusagen von den Ländern erfüllt werden und ob bestehende Ziele vielleicht nach oben korrigiert werden können. Das Problem hierbei: Es gibt keine gemeinsamen Regeln, wie Emissionen gemessen werden. Entwicklungs- und Schwellenländern wird bei der Bereitstellung dieser Messwerte eine enorme Flexibilität gewährt.

Die Industrieländer verpflichten sich zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer. In welcher Höhe die Gelder für die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an dessen Folgen fließen sollen, bleibt jedoch offen. In Kopenhagen haben die Industriestaaten ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar Hilfen pro Jahr versprochen.

Noch ist der Vertrag nur ein Entwurf, er tritt erst im Jahr 2020 in Kraft. Aber nur, wenn er bis dahin von mindestens 55 Staaten ratifiziert wurde. Die Unterzeichner müssen zudem für mindestens 55 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sein. Wenn sich also einige wenige der großen "Umweltsünder" weigern, ihn zu unterschreiben, könnte der Vertrag noch scheitern. Laut FAZ hat der vorgestellte Vertragsentwurf nach Einschätzung vieler Beobachter allerdings beste Chancen, verabschiedet zu werden.

Geschafft?

<p>Schnee liegt auf der Zugspitze - noch.</p>

Schnee liegt auf der Zugspitze - noch.

© picture alliance_dpa

Kann Bergfreund Herbert also aufatmen und nicht nur heute sondern auch morgen und übermorgen den Schnee auf der Zugspitze unbeschwert genießen? Solange er noch da ist, ja! Aber unbeschwert im Sinne von "gedankenlos" oder gar "gleichgültig" auf keinen Fall, das wäre fatal.

Die derzeitige Entwicklung und die Prognosen der Experten machen deutlich, dass es um das Klima äußerst ernst bestellt ist. Da der Appell an jeden Einzelnen mit der Rettung der Welt bei sich zu Hause im Kleinen anzufangen, leider viel zu oft im beheizten Auto auf dem Weg zum Supermarkt verpufft und in seiner Wirkung sowieso nur begrenzt sein kann, müssen jetzt die Staaten ran.

Hoffnung macht dabei vor allem, dass - anders als in Kopenhagen - kein Ziel von oben bestimmt wurde, sondern die Staaten im Vorfeld selbst festgelegt haben, was sie bereit sind, für den Klimaschutz zu tun. Das ist jetzt die Arbeitsgrundlage, die nicht als bloße Absichtserklärung, sondern als vertragliche Vereinbarung festgeschrieben werden soll. Ein Anfang findet Bergfreund Herbert.

Quellen: Zeit.de, Welt.de, Rhein-Neckar-Zeitung Online, german.china.org.cn, rf-news.de, schwaebische.de, schweizerbauer.ch, bayernwelle.de

Text von mst

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