Interview mit Stefan Hartmann: Mit dem Rad zu den höchsten Bergen Bayerns

Die "Seven Summits" von Bayern by fair means

Mit dem Radl zur Zugspitze fahren, den Berg besteigen, dann wieder mit dem Bike heim? Insgesamt 800 Kilometer im Sattel? Nein, das ist keine Geschichte aus dem Jahr 1920! Stefan Hartmann ist zu den jeweils höchsten Bergen aller sieben bayerischen Regierungsbezirke geradelt – Gipfelsturm natürlich inklusive! Vom Hesselberg in Mittelfranken bis zur Zugspitze in Oberbayern: Stefan fuhr für die Besteigung zu jedem der sieben Gipfel von der Haustür los.

Die 7 höchsten Gipfel der bayerischen Regierungsbezirke by fair means.
© Stefan Hartmann
<p>Auf den Nachhausewege von der Zugspitze, dem letzten  Berg der  "Seven Summits" von Bayern: Stefan (li.) und Tourenpartner Ludwig.</p>

Auf den Nachhausewege von der Zugspitze, dem letzten Berg der  "Seven Summits" von Bayern: Stefan (li.) und Tourenpartner Ludwig.

© Stefan Hartmann

ALPIN: Die "Seven Summits von Bayern by fair means" lautet der Titel Deines Projekts. Was genau ist damit gemeint?

Grundidee war, von meiner eigenen Haustüre - zunächst von Nürnberg, dann von Hersbruck aus - zu den höchsten Bergen der sieben bayerischen Regierungsbezirke zu radeln, den jeweiligen Gipfel zu besteigen und dann wieder zurückzuradeln. Kein Auto, kein Zug, keine Seilbahn: alles mit eigener Muskelkraft.

ALPIN: Wie bist du auf die Idee gekommen, und wann hast du mit der Umsetzung begonnen?

Meine Inspiration war Ueli Stecks Projekt "82 Summits“. 2015 fuhr er mit dem Radl zu allen 82 Viertausendern und bestieg alle komplett by fair means. Ich fand diese Art des Alpinismus‘ war ganz, ganz großes Kino, ein Wahnsinnsprojekt. Daraus entstand gemeinsam mit einem Freund die Idee einer Kombination aus Rad- und Bergabenteuer. Nach etwas Überlegung sind mir die "Seven Summits" der bayerischen Regierungsbezirke in den Sinn gekommen, weil mir auch klar war, dass ich als Amateur nicht die zeitlichen Kapazitäten wie Ueli bei seinem Projekt 2015 habe.

<p>Hier fing alles an: am Hesselberg (Mittelfranken).</p>

Hier fing alles an: am Hesselberg (Mittelfranken).

© Stefan Hartmann
<p>Schwandorf - Arber - Hersbruck: eine etwas längere Ausfahrt von Stefan und Ludwig ...</p>

Schwandorf - Arber - Hersbruck: eine etwas längere Ausfahrt von Stefan und Ludwig ...

ALPIN: Wie war der zeitlliche Ablauf Deines Projekts?

<p>Obdach in "Beherbergungsverbotszeiten" ...</p>

Obdach in "Beherbergungsverbotszeiten" ...

Konkret los ging es 2019 noch alleine mit dem Hesselberg, dem höchsten "Berg" Mittelfrankens. Das waren von Nürnberg aus hin und zurück knapp 170 Kilometer. Für mich zu dem Zeitpunkt eine Riesen-Distanz. 

Im April 2020, im ersten harten Lockdown, schloss sich dann mein guter Freund Ludwig dem Projekt an. Der Kreuzberg in Unterfranken und der Schneeberg in Oberfranken waren an der Reihe. Da gab es wegen des Lockdowns keine Übernachtungsmöglichkeiten und wir hatten am Rennrad auch Schlafsack und Isomatte dabei. Übernachtet haben wir aus der Not heraus in der Wallfahrtskirche Findelberg.

Den Kleinen und Großen Arber habe ich mit meinem Projektpartner auch noch 2020 "abgehakt“. Da haben wir auf dem Hinweg eine Übernachtung in Schwandorf eingebaut. Von dort aus ging es Richtung Bayerischer Wald, zu Fuß auf den Kleinen und den Großen Arber und am gleichen Tag mit dem Rad wieder zurück. Ein wirklich laaanger Tag mit über 300 Kilometern im Sattel.

Auf diesen Touren entdeckte ich die Leidenschaft für lange Radtouren und es entstanden weitere Ideen. Im Jahr 2021 sollte es dann soweit sein. Meine erste längere Solo-Radltour: Der ursprüngliche Plan war, vom nördlichsten Punkt Deutschlands auf Sylt, zum südlichsten Punkt Deutschlands in Oberstdorf zu radeln. Ein bisschen Wandern zum Haldenwanger Eck war natürlich auch dabei. 

Getreu dem Motto, Pläne sind da um sie zu ändern, hat sich das Ziel der Reise erfreulicherweise kontinuierlich nach Süden verschoben. Wenn‘s läuft, dann läuft's. Genau eine Woche nach Abfahrt in Sylt bin ich samt Transalp in Venedig angekommen...

<p>Auf dem Weg zur Hochfrottspitze, dem höchsten Gipfel Schwabens.</p>

Auf dem Weg zur Hochfrottspitze, dem höchsten Gipfel Schwabens.

<p>Vier Füße, zwei Länder, ein Gipfel: Stefan und Ludwig am höchsten Punkt der Hochfrottspitze (2.649 m)</p>

Vier Füße, zwei Länder, ein Gipfel: Stefan und Ludwig am höchsten Punkt der Hochfrottspitze (2.649 m)

Hochmotiviert und fit kam dann 9 Tage nach dem Sylt - Venedig Trip 2021 das Finale mit Hochfrott- und Zugspitze. Das war mit insgesamt über 800 Kilometern unsere längste Radlstrecke im Seven Summits Projekt. Gesamt waren wir von Dienstagabend bis Sonntag unterwegs.

Erste Etappe war von Hersbruck bis Augsburg, dann am Mittwoch von Augsburg nach Oberstdorf, am Donnerstag Besteigung Hochfrottspitze, Freitag dann Transfer nach Ehrwald, am Samstag Besteigung Zugspitze über den Stopselzieher und dann zur Übernachtung nach München und von dort am Sonntag nach Hause. 

Während ich da überall unterwegs war, ist die Erkenntnis in mir gewachsen, wie wahnsinnig schön Deutschland ist und wie schön das Bereisen mit dem Rad.

Die "Seven Summits" von Bayern

  • Mittelfranken: Der Hesselberg (689 Meter)

  • Unterfranken: Kreuzberg (927 Meter)

  • Oberfranken: Schneeberg (1.051 Meter)

  • Oberpfalz; Kleiner Arber (1.293 Meter) 

  • Niederbayern: Großer Arber (1.456 Meter) 

  • Schwaben: Trettachspitze (2.595 Meter) 

  • Oberbayern: Zugspitze (2.962 Meter)

Um alle Berge mit dem Rad zu erreichen war Stefan Hartmann 10 Tage unterwegs, saß 1862 Km auf dem Rad, absvolvierte 19.940 Höhenmeter und meisterte Kletter-Schwierigkeiten bis zum III. Grad.

<p>Stefans Uhr geht höhenmäßig sechs Meter nach... : Auf dem Gipfel der Zugspitze (2.962 m).</p>

Stefans Uhr geht höhenmäßig sechs Meter nach... : Auf dem Gipfel der Zugspitze (2.962 m).

Zentraler Leitgedanke: Bergsport "by fair means"

ALPIN: Durchaus "harte" Fakten. Warum tust Du Dir das an?

Zentral bei der ganzen Unternehmung war für mich der "Fair Means"- Gedanke. Ich versuche immer so Bergsteigen zu gehen, dass es diese nachhaltige Herangehensweise miteinschließt. Je größer mein Einsatz ist, umso höher ist am Ende auch mein Erlebnis und die Belohnung. Es macht in meinen Augen einen riesengroßen Unterschied, ob du mit dem Auto zur Zugspitze fährst, oder es aus eigener Kraft hingeschafft hast – vom Erlebnisfaktor und vom Zufriedenheitsgefühl. Dieses Sich-Annähern und den Weg Erleben ist wahnsinnig spannend und intensiv. Man nimmt viel mehr in sich auf, als wenn man möglichst einfach und schnell anreist.

<p>Jubel am Gipfel der Zugspitze: Der letzte der "Seven Summits" ist bestiegen.</p>

Jubel am Gipfel der Zugspitze: Der letzte der "Seven Summits" ist bestiegen.

© Stefan Hartmann

Persönlich habe ich mich die letzten Jahre trotz großer Erfolge im Job immer weiter reduziert. Das ist ein befreiendes Gefühl. Ich finde es zwar gut, dass wir in der heutigen Gesellschaft so große Wahlmöglichkeiten haben, aber am Ende braucht es viel weniger als man denkt um zufrieden zu sein.

<p>Radeln mit Aussicht auf die Zugspitze,</p>

Radeln mit Aussicht auf die Zugspitze,

© Stefan Hartmann

ALPIN: Willst Du mit Deinem Projekt andere inspirieren?

Einen erzieherischen Ansatz in Bezug auf Nachhaltigkeit finde ich im Privaten wie im Arbeitsumfeld schwierig, da kommt oft nur Gegenwehr. Indem man nachhaltiges Verhalten als Anregung verpackt, erreicht man viel mehr. Ich finde es wichtig und richtig, Geschichten wie meine zu erzählen, aber eben ohne erhobenen Zeigefinger.

Ich habe auch den Eindruck, dass durch die Pandemie viele Menschen über ihr Reise- und Freizeitverhalten nachdenken und bin zuversichtlich, dass darauf die Erkenntnis folgt, dass die Unternehmungen daheim genauso schön sind – oder sogar schöner. Weil man es eben nachhaltiger erlebt hat, mit weniger Stress. Klar, ich kann keinen Sechstausender in den Alpen besteigen. Aber man kann zum Montblanc radeln und ihn dann besteigen, eine Herausforderung die näher liegt als der Himalaya.

ALPIN: Wie integrierst du dein Training in den Alltag? Vor allem in Bezug auf Familie und Partnerin?

Wie sagt man so schön? Wenn einem Dinge wichtig sind, dann nimmt man sich die Zeit. Ich bin sehr lange als Single durch die Welt gezogen. Dadurch habe ich nur die Waage zwischen Beruf und Sport halten müssen. Aber auch in meiner jetzigen Beziehung kann ich Sport und Ambition gut integrieren. Ich würde sagen, dass es eine Einstellungssache ist. Also, dieses wirklich auf dem Radl "Sitzen-bleiben Wollen“. [lacht] Und man muss Dinge auch einfach machen, wenn der Wunsch da ist. Die Belohnung ist wahnsinnig groß.

<p>Wie schön Deutschland ist, wurde Stefan bei seiner Radltour von Sylt nach Venedig klar.</p>

Wie schön Deutschland ist, wurde Stefan bei seiner Radltour von Sylt nach Venedig klar.

© Stefan Hartmann

ALPIN: Was ist dein nächstes Ziel?

Als nächstes will ich die jeweils höchsten Gipfel der 16 deutschen Bundesländer angehen. Den ersten haben wir vergangenen Herbst schon gemacht, den Großen Beerberg in Thüringen. Das wird ein Projekt, das ich nicht auf die Schnelle erledigen will. Das darf gerne ein paar Jahre dauern. Vielleicht nehme ich mir für dieses Jahr noch den höchsten "Gipfel“ Hessens vor oder den Schwarzwald. 

<p>Aufmacher-Doppelseite der siebenseitigen Reportage "Mit Bike zum Berg" von ALPIN-Redakteur Andreas Erkens in ALPIN 04/2022.</p>

Aufmacher-Doppelseite der siebenseitigen Reportage "Mit Bike zum Berg" von ALPIN-Redakteur Andreas Erkens in ALPIN 04/2022.

Neben Stefan Hartmann haben es auch Simon Gietl, Stefan Glowacz, Ines Papert getan: Sie fuhren per Rad in die Berge. So wie seinerzeit Hermann Buhl. Ob dies ein nachhaltiger Trend ist? Dieser Frage geht ALPIN-Redakteur Andreas Erkens in seiner Reportage in ALPIN-Heft 4/2022 nach, in der auch Stefan Hartmann von seinem Projekt erzählt.

Die siebenseitige Tourenreportage "Zeitreise - Mit Bike zum Berg" findet ihr in unserer Aprilausgabe.

Die ALPIN 4/2022 ist ab dem 04.03.im Zeitschriftenhandel und in unserem Heft-Shop erhältlich.

Die Outdoor- und Bergsport-Branche lebt davon, dass "Natur" verkauft wird. Daher sollten auch wir Bergsportler:innen mit gutem Beispiel vorangehen und nachhaltige Produkte nutzen. Hier eine Auswahl an "sauberen" Ausrüstungsgegenständen aus der Outdoor-Industrie:

Text von Lubika Brechtel / Andreas Erkens / Holger Rupprecht

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