Interview mit Kilian Jornet

"Es muss Spaß machen sonst hat es keinen Sinn"

Kilian Jornet ist ein Phänomen. Egal ob als Skibergsteiger, Trailrunner oder Speed-Bergsteiger: Der Spanier verschiebt regelmäßig die Grenzen des Machbaren und verblüfft immer wieder aufs Neue mit schier unfassbaren Speed-Rekorden.

"Es muss Spaß machen sonst hat es keinen Sinn"
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Der heute 28-Jährige stellte als 20-Jähriger den damals gültigen Streckenrekord beim Ultra Trail du Mont Blanc auf (ca. 170 km in unter 21 Stunden), lief 2009 über 260 Kilometer in 38 Stunden und rannte ein Jahr später 800 Kilometer in acht Tagen von Ost nach West durch die Pyrenäen. Jornet ist vielfacher Sieger schwerster Ultratrail-Rennen auf dem gesamten Globus und mehrfacher Sieger im Skyrunning Worldcup.

Im Rahmen seines Summit-of-my-Life-Projektes hat er sich zum Ziel gesetzt, die "wichtigsten" Gipfel dieser Erde in Rekordzeit zu besteigen. Mont Blanc (2013), Matterhorn (2013), Denali (2014) und Aconcagua (2014) hat er schon "abgehakt". Und er hat noch einiges vor. Schon 2015 versuchte sich Kilian Jornet am höchsten Berg der Welt. 2016 soll der Everest gelingen. Natürlich wieder in Rekordzeit. 


Klaus von Brocke hat sich für das Trailrunnig-Portal trampelpfadlauf.de mit Kilian Jornet unterhalten. Hier lesen Sie das Interview in Auszügen, ganz finden Sie es auf trampelpfadlauf.de.

Klaus von Brocke / trampelpfadlauf.de: Du bist in den Pyrenäen aufgewachsen, ein Bergkind sozusagen. Haben dich die Berge dazu inspiriert, immer ganz oben sein zu wollen und das möglichst schnell und am besten als Erster?

Kilian Jornet: Zunächst einmal haben mich meine Eltern so erzogen immer das zu tun, was mir gefällt und frei über mein Tun entscheiden zu können. Und das ist, glaube ich, sehr wichtig um die Motivation aufrecht erhalten zu können, dass man das tut was einem liegt, gefällt und stets auf sich und seinen Körper hört. Und das ist nicht nur wichtig beim Sport sondern bei jedem Beruf. Man sollte seiner Leidenschaft und Neigung folgen und wirklich das tun, was man liebt. Und das macht einen gehörigen Unterschied.

Für mich gibt es keinen Druck zu trainieren oder eine Verpflichtung genau zu einem bestimmten Zeitpunkt laufen zu gehen. Zum Beispiel sehe ich es als meinen Job an, mit dir hier ein Interview zu führen oder bei der Entwicklung von Laufschuhen oder Ausrüstungsgegenständen zu helfen. Aber Laufen ist mein pures Vergnügen. Dazu muss ich nicht extra motiviert werden.

<p>Von Kindesbeinen an in den Bergen unterwegs: Kilian Jornet hier beim Skibergsteigen für das spanische Nationalteam.</p>

Von Kindesbeinen an in den Bergen unterwegs: Kilian Jornet hier beim Skibergsteigen für das spanische Nationalteam.

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Und auch wichtig: Meine Eltern lehrten mich, sich bietende Gelegenheiten wahrzunehmen und Entscheidungen selbst zu treffen, also wirklich ich zu sein, selbstbestimmt und autonom zu handeln ohne auf Erwartungen von außen oder Konventionen Rücksicht nehmen zu müssen. Ich erinnere mich an ein Ereignis, da bin ich mit meiner Schwester und meiner Mutter in den Bergen gelaufen. Wir Kinder sind immer vorausgelaufen und bei einer Weggabelung habe ich entschieden, dass wir diesen Weg weitergehen. Tja, das war prompt der falsche und wir kannten uns nicht mehr aus. Meine Mutter blieb ganz ruhig und ließ uns analysieren, wie wir da wieder rauskämen und was wir falsch gemacht haben. So haben wir auch wieder zurück gefunden. Aber das Wichtigste daran war, dass unsere Mutter es erstmal geschehen ließ, obwohl sie natürlich wusste, dass es der falsche Weg war.

Ich glaube, das ist bei Kindern sehr wichtig, ihnen Freiraum zu geben auch mal Fehler zu machen und nicht sofort als Eltern einzuschreiten bzw. dass der Vater wie üblich alles vorher plant und die Entscheidungen schon vorher selber trifft. Es hat mich auch gelehrt, immer wieder mich selbst zu hinterfragen, warum hast du dich so und nicht anders entschieden, und zu analysieren, warum mir das jetzt gefallen hat und andere Dinge, auch die gibt es, völlig daneben gingen. Du bist verantwortlich für dich und dein Tun und man sollte nicht jemanden anderen über sich entscheiden lassen, was gut und schlecht für einen ist.

<p>Nummer eins: Kilian Jornet.</p>

Nummer eins: Kilian Jornet.

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Klaus von Brocke / trampelpfadlauf.de: Jetzt liegt mir aber dann schon eine Frage auf dem Herzen. Sieht man sich all deine Erfolge an und was du alles unternimmst, woran du teilnimmst, für unsereiner ist das schlicht Wahnsinn und müsste doch unweigerlich zu einem Run Burn-out führen. Mit deiner Methode scheinst du ja dieser Gefahr vorzubeugen?

Kilian Jornet: Also, es ist erstmal eine Sache, dass man sich nicht verletzt und das man auch im Rahmen seiner Möglichkeiten bleibt, also nicht allzu waghalsiges oder gefährliches tut. Da achte ich schon sehr darauf. Es ist aber in der Tat etwas anderes, dass man auf seine Psyche achtet um nicht in dieses geistige Übertraining oder in diesen Run Burn-out zu fallen. Und du hast schon Recht, gerade bei den Spitzenathleten, die die langen Distanzen bevorzugen, gibt es sehr viele Beispiele, dass nach zwei, drei Jahren großartiger Rennergebnisse eine Phase der Pause oder Ruhe folgte und sie dann wieder zurück kamen. Das hat sicherlich auch mit der mentalen Stärke zu tun. Klar ist es nicht auf Dauer körperlich gesund über Jahre unzählige Ultraläufe zu bestreiten, ich denke ein bis zwei pro Jahr ist in Ordnung, aber mehr auch nicht. Auch wenn du so ein hohes Niveau erreicht hast, besteht die Gefahr, deinen Körper wie eine Art Maschine zu betrachten. Man wird geradezu manisch alles richtig zu machen, sich stets zu gängeln, tu dies und tue das nicht. Und wenn es zu einem Zwang wird und du bei allem Eifer zu leben vergisst und dich nur noch zwingst, dann geht das sicherlich über kurz oder lang schief. Es muss Spaß machen sonst hat es keinen Sinn.

<p>Auch wenn es hier anders aussieht: Füße hochlegen ist nicht die Sache von Kilian Jornet.</p>

Auch wenn es hier anders aussieht: Füße hochlegen ist nicht die Sache von Kilian Jornet.

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Klaus von Brocke / trampelpfadlauf.de: Was machst du eigentlich im Urlaub? Gehst du eigentlich in den Urlaub?

Kilian Jornet (lachend): Das erste Mal, ich glaube vor drei Jahren, war ich am Ende der Laufsaison in der Nähe von Mauritius. Emilie (Forsberg, d. Red.) war auch dabei und so haben wir beschlossen, zehn Tage auf der Insel zu bleiben. Wir hatten vor, dass wir an Strand gehen und es uns gut gehen lassen. Gesagt getan, waren wir also den ersten Tag auf der Insel, sind an den Strand, haben die Beine ins Wasser gehalten, die Fische gefüttert usw. und fragten uns dann am Abend: Und jetzt? Am zweiten Tag sind wir aufgestanden und haben gefragt, ob wir die Flugtickets ändern könnten. Wir konnten, und dann sind wir zurück geflogen und sind nach Frankreich zum Skifahren gegangen.

Und letztes Jahr hatte ich 15 Tage Urlaub und da ich noch einen Event in Malaysia hatte, bin ich von dort nach Nepal zum Klettern geflogen. Urlaub für mich ist eigentlich eher komplett alle Medien auszuschalten und Abstand von seinem sonstigen Leben zu gewinnen. Aber das heißt für mich nicht nichts zu tun. Wenn mein Körper mir sagt „lauf“, dann lauf ich und wenn er mir sagt, "halt inne", dann bin ich ruhig. Letzte Woche habe ich zum Beispiel zwei Tage nicht trainiert, da ich mich nicht wohl fühlte. Es war das Ende der Skitourensaison, das Wetter war schlecht und mein Körper sagte nein. Und das war auch kein Problem für mich, dann habe ich einfach nichts getan. Mental ist es, wie gesagt, auch wichtig sich zu lösen und die Verbindung zu kappen. Und auch einmal in die Berge zu gehen ohne irgendetwas zu tun außer abzuschalten und zu beobachten.

<p>Im Interview: Kilian Jornet beantwortet Fragen von Klaus von Brocke.</p>

Im Interview: Kilian Jornet beantwortet Fragen von Klaus von Brocke.

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Klaus von Brocke / trampelpfadlauf.de: Mount Everest, glaubst du, du kannst dein Projekt „Summits of my life“ erfolgreich zu Ende führen?

Kilian Jornet: Also wir fliegen dieses Jahr im Herbst wieder hin, aber ich denke, es ist ein langwieriges Projekt. Bei diesem großen Berg brauchst du Geduld. Ich muss auf die optimalen Bedingungen warten, das kann dieses Jahr der Fall sein, oder erst nächstes Jahr.

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