Bereits der achte Achttausender

Gerlinde Kaltenbrunner über ihren Erfolg am Gasherbrum II

Nur 5 Tage hatte ich Zeit nach zwei Monaten in Nepal und Tibet für die Visa- Besorgung, Wäsche waschen und ein bisschen entspannen, bevor ich nach Pakistan aufbrach mit festem Willen und Traum, den Gasherbrum II 8035 m im Karakorum zu besteigen. Schon im Vorjahr begeisterte mich diese Bergszenerie im hintersten Karakorum an der Grenze zu Indien und China, das Basislager umzingelt von wild zerklüfteten Sechs,-Sieben,- und Achttausendern.

Gerlinde Kaltenbrunner über ihren Erfolg am Gasherbrum II
Mancherorts kostet der Weg zum Zahnarzt mehr Überwindung, als der auf einen 8000er...
Mancherorts kostet der Weg zum Zahnarzt mehr Überwindung, als der auf einen 8000er...

In Skardu, der letzten Stadt am Weg ins Basislager, plagten mich heftige Zahnschmerzen. Der Gedanke, dass dies schon das Ende meiner Expedition bedeuten könnte, trieb mich schweren Herzens zum "Zahnarzt", was im hintersten Eck Pakistans nicht ganz einfach ist.

Ich setzte mich ins Taxi und bat den Fahrer mich zu einem "Dental- Doctor" zu bringen. Hatte ich Glück!! Heute war Behandlungstag für "Ladys". In einem muslimischen Land ja nicht so einfach. Schon beim Eingang wurde mir anders. Auf einem Tisch lagen verschiedenste Zähne und Prothesen durcheinander. Jeder konnte probieren, ob da nicht vielleicht schon etwas "passen" würde!!!

Warte -und Behandlungsraum war eins. Bis ich an die Reihe kam war mein T-Shirt schon völlig durchgeschwitzt. Von meiner "Vorgängerin" klebten noch sämtliche "Reste" in der Spülschüssel. Als mir der Zahnarzt eine Spritze mit gebrauchter Nadel ansetzte, streikte ich. Nach meiner Erklärung, dass ich Angst hätte wegen der doch sehr anderen Auffassung von Hygiene, meinte er nur, ich brauche keine Angst zu haben, er hätte einen deutschen Lehrer gehabt und außerdem hätte er sehr günstige Preise. Die Behandlung koste nur 500 Rupi,umgerechnet 6 Euro!! Wirklich beruhigt hatten mich seine Worte leider nicht. Als er dann den Bohrer ( ohne vorherige Spritze ) ansetzte, wurde mir endgültig schlecht. Ich habe nur noch gehofft, dass alles irgendwie gut vorbeigehen würde.

Mein Taxifahrer saß auf dem Stuhl neben mir, wo üblicherweise die Ehemänner der Patientinnen Platz nehmen!! Ich tat ihm sichtbar leid.

Nachdem ich vorerst alles überstanden hatte, bezahlte ich die 500 Rupi und ließ auf Wunsch des Zahnarztes ein Foto von ihm und mir. Schließlich wäre ich ja sein erster ausländischer Patient gewesen…..er hatte es gut gemacht!

Endlich das erhoffte Schönwetterfenster

Eisbruch vor der mächtigen Gasherbrumkette. Von links: Gasherbrum I, II und III.
Eisbruch vor der mächtigen Gasherbrumkette. Von links: Gasherbrum I, II und III.

Jetzt konnte ich mich voll und ganz auf den außergewöhnlich schönen Anmarsch zum Basislager freuen. Acht Tage lang begleitete mich herrliches Wetter, dann begann es zu schneien. Die Mannschaft von AMICAL alpin, mit deren Gruppe ich im Basislager zusammen war, konnten vor meiner Ankunft schon einmal Lager I auf 5900 m erreichen. Sie erzählten mir von Unmengen Schnee, was sich für mich Tage darauf leider bestätigte.

Massive Schneefälle und große Lawinengefahr trieben uns immer wieder ins Basislager. 14 verschiedene Nationen waren vertreten, alle warteten auf "Wetterbesserung", die leider lange auf sich warten ließ. Die zum Teil sehr steilen Hänge oberhalb von Lager I verhinderten auf Grund der großen Schneemengen ein Weiterkommen. Nach oftmaligen Auf - und Abstiegen, immer wieder harter Spurarbeit, sollte doch endlich das erhoffte Schönwetterfenster kommen.

16. Juli 1.00 früh

Gerlinde Kaltenbrunner in ihrem "Ein-Frau-Zelt"
Gerlinde Kaltenbrunner in ihrem "Ein-Frau-Zelt"

Ungefähr 30 Bergsteiger verschiedenster Nationen steigen durch den sehr spaltenreichen Gletscherbruch zu Lager I ( 5900 m ) auf. Nach ca. 5 Std. baue ich wie so oft mein kleines Ein-Mann (Frau)-Zelt auf und beginne mit der üblichen Prozedur: Schnee schmelzen.

Ca. 4,5 Liter Flüssigkeit nehme ich tagsüber zu mir. Um 21 Uhr beginnt es heftig zu schneien, hoffentlich nur kurz, um Morgen weiter ins Lager II auf 6550 m aufsteigen zu können.

17. Juli 7.00 früh

Ca. 40 cm Neuschnee ist letzte Nacht gefallen und auch jetzt schneit es munter weiter.

Die amerikanische und auch die englische Mannschaft bricht ihre Zelte endgültig ab, sie sehen für sich keine Chance mehr für den Gipfel. Die Italiener und Spanier sind sehr skeptisch.

Immer wieder stehen Leute vor meinem Zelt und fragen wie ich die Sachlage einschätze. Nach meiner Aussage "Wir können es schaffen" kommt nur ein hoffnungsloses Schmunzeln.

Wieder rufe ich Ralf per Sat.Telefon an und vergewissere mich, ob das stimmt mit dem schönen Wetter ab Morgen. Ja, es sollte stimmen.

18. Juli 4.00 früh

Tiefblick in Richtung Lager II und Lager I - kurz vor Lager III
Tiefblick in Richtung Lager II und Lager I - kurz vor Lager III

Bei klirrender Kälte und sternenklarem Himmel starte ich bis zum Einstieg der "Banane". Jetzt ist "Spuren" angesagt. Oberschenkel tief, immer wieder gehen Schneerutscher ab. Die Fixseile grabe ich im Aufstieg mit aus. Eine kurze Pause, trinken und auf für die nächsten 300 Höhenmeter. Christina, eine sympathische Italienerin unterstützt mich im letzten Abschnitt bei der Spurarbeit kurz vor Lager II.

Die Situation ist etwas angespannt, der viele Schnee problematisch.

Nach 7 Std. spuren, erreiche ich Lager II auf 6550 m. Nach und nach kommen die verschiedenen Bergsteiger nach. Zeltplatz ausschaufeln, Schnee schmelzen, trinken, ausruhen.

Hier oben ist der Ausblick nocheinmal um ein Vielfaches großartiger als von unten….

Meine Gedanken sind schon beim morgigen Aufstieg.

19. Juli 4.00 früh

Lawinen oberhalb von Lager II
Lawinen oberhalb von Lager II

Alles eingepackt in meinen Leichtrucksack starte ich los. Wieder wühle ich fast Bauch tief im Schnee. Gerade habe ich eine Spalte passiert, höre ich ein dumpfes, sehr lautes "Setzungsgeräusch". Es ist zu gefährlich. Rechts von uns donnert eine große Lawine vorbei….umdrehen, möglichst schnell!!

Zurück im Lager II packen alle zusammen, auch die Mannschaft von AMICAL alpin, und steigen ab ins Basislager. Ich möchte wenigstens noch einen Tag abwarten, der Schnee setzt sich durch die intensive Sonneneinstrahlung des heutigen Tages ja noch. Ich will nicht aufgeben. Den ganzen Tag beobachte ich den Aufstieg von Lager II weiter. Zu viele Leute in diesem Hang ist zu riskant.

20. Juli - 21. Juli

Wieder ein super Tag! Der Wetterbericht passt! Koreaner hatten gestern Abend noch 150 Hm weiter hinauf gespurt. Um 4.00 früh starte ich Richtung Lager III. Auch Italiener und Katalanen kommen nach.

Ein Aufschwung von 80° Steilheit kurz vor Lager III ( 6950 m) noch, dann ein kleines Plateau - das soll Ausgangspunkt für meinen Gipfelversuch werden.

Ein Plätzchen, wie man sich`s schöner nicht vorstellen kann!!! Ausblick zum Gipfel, links davon G III und G IV- zwei Siebentausender- Chogolisa, Baltoro Kangri, Gasherbrum I….unbeschreiblich.

In meinem Zelt raste ich noch ein bisschen….mein Kopf aber arbeitet auf Hochtouren…..wird die Querung begehbar sein? Ist die Gipfelflanke möglich? Werden wir die Spurarbeit schaffen?.....Wir können es schaffen, es wird gehen…..

Um 22.00 starte ich bei "nur" -20° Celsius vom letzten Lager ( 6950 m ), hinter mir Koreaner, Italiener und Katalanen. Wir sind 16 Bergsteiger….

Nach 5 Stunden äußerst anstrengender Spurarbeit erreiche ich das Lager IV ( 7400 m) vom Vorjahr. Einige Zeltreste sind zu sehen. Ich warte auf die nachfolgenden Bergsteiger. Inzwischen ist es richtig kalt geworden. - 28° Celsius und Wind lassen mich voll zittern, trotz Daunenanzug.

Nachdem ich den Anderen vorschlug, in der Querung abwechselnd zu spuren, mich zu unterstützen, drehten 12 Bergsteiger um. Zu anstrengend, zu gefährlich….

Endlich am Gipfel...
Endlich am Gipfel...

Im tiefen Schnee spurte nun Claudio ( Italien) ein Drittel der Querung, dann war wieder ich an der Reihe. Um halb sieben erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen, 100 Höhenmeter geht`s nun auf gefrorenem Firn zügig aufwärts. Die Gipfelflanke weist wieder sehr viel Schnee auf.

Bei einem Felsen auf 7700 m finde ich einen Pickel. Ich versuche eine möglichst sichere Spur anzulegen. Am Gipfelgrat grabe ich im Reitsitz eineinhalb Stunden die Wächte ab um gegen 13.30 endlich den Gipfel zu erreichen. Nur noch Christina und Mario haben mich begleitet. Der unbeschreibliche Blick zum greifbar nahen K2 und Broad Peak lassen mich die Strapazen der letzten 15 Stunden für einen Moment vergessen…..

Der Abstieg steht aber noch vor uns. Noch einmal müssen wir durch die gefährliche Querung.

Am selben Tag steige ich noch 3000 Höhenmeter ab ins Basislager. In einer mystischen, traumhaften Vollmondnacht erreiche ich nach 30 Stunden unterwegs sein mein Basislager.

Ich bin einfach nur glücklich……