Eines vorab: Die Kinder wollen nicht in die Fußstapfen des Vaters treten. Das schließen Nadine, Ben und Tim Glowacz kategorisch aus. Die inzwischen 16-Jährigen finden den Beruf ihres Vaters, des berühmten und erfolgreichen Profi-Kletterers Stefan Glowacz, "okay" - aber dem Papa nacheifern? "Auf gar keinen Fall!" Mit Klettern haben sie nichts am Hut.
Tims und Bens Leidenschaft gehört dem Freeski, im Sommer dem Surfen. Auch Nadine geht im Wasser auf: Sie ist Synchronschwimmerin. Wohl nicht umsonst hat Stefan Glowacz für die erste gemeinsame Unternehmung etwas mit Wasser ausgesucht: den Turnagain River in British Columbia. Den sollten sie mit Schlauchkanadiern befahren, Menschen würden sie tagelang nicht sehen.
Auch Kanada stand seit langem als Ziel fest. Seine erste Expedition dorthin 1995 hat Glowacz geprägt. "Da habe ich erkannt: Ich bin angekommen. Davon habe ich immer geträumt." Und das wollte er einmal seinen Kindern zeigen. Die waren 1995 noch gar nicht auf der Welt. Doch so lange sie sich erinnern können, hat ihr Vater von diesem Vorhaben gesprochen. Im vergangenen Sommer wurde es ernst.
200 Schokoriegel - alle weg
Gemeinsam mit dem Fotografen Klaus Fengler und dem Kajak-Experten Holger Heuber brachen sie auf. Auch Glowaczs guter Freund Thomas Eisenhöfer und dessen 14-jährige Tochter Jana begleiteten die Gruppe. Erst mit dem Flugzeug nach Whitehorse im Territorium Yukon. Dort wurde eingekauft: Nudeln, fünf Laib Brot, Erdnussbutter und etwa 200 Schokoriegel. "Das war der Sack, der am Ende komplett leer war", sagt Tim. Weiter ging es mit dem Wasserflugzeug und vier Schlauchkanadiern zum Ausgangspunkt. Knapp zwei Wochen Paddeln lag vor ihnen.
Der Papa ist begeistert
Noch nie waren die vier Glowaczs so lange gemeinsam unterwegs. Sie hatten keine Chance zu flüchten, wenn sie sich auf die Nerven gingen. Es gab eine kurze Testphase: fünf Tage Vorbereitung an dem Fluss Soca, in Slowenien. Danach waren alle zuversichtlich. "Das hat richtig Spaß gemacht mit Papa", sagt Nadine.
Sie saß auch in Kanada mit ihrem Vater in einem Boot, die beiden Jungs teilten sich ein anderes. "Die haben das super gemacht", sagt Glowacz. "Ich habe großen Respekt davor, was die Kinder geleistet haben. Ganz ehrlich: Dass es so harmonisch und locker zugeht, hätte ich nicht gedacht." Dabei waren die Momente der Entspannung für Glowacz selten.
"Eine unglaubliche Verantwortung"
Viele extreme Situationen hat Glowacz bei seinen Expeditionen schon erlebt. "Die Anspannung und der Stress aber waren noch nie so groß wie mit den Kids", gibt er zu. "Du bist derjenige, der die Idee zu dieser Reise hatte, der sie dorthin gebracht hat. Das ist eine unglaubliche Verantwortung."
Ständig sei er in Habachtstellung gewesen; die ganze Reise über habe er schlecht geschlafen. Vor allem bis die gefährliche Passage hinter ihnen lag: der Wasserfall. Neun Tage waren sie im Wildwasser bis zur Schwierigkeitsstufe drei unterwegs. Irgendwann mussten sie den Fluss verlassen, um die Gefahrenstelle zu umgehen - alles andere wäre der sichere Tod gewesen. "Doch wir wussten nicht genau, wo sie war." Wirklich Angst hatte Glowacz aber nie.
Gerade weil mit Holger Heuber ein erfahrener Kajakfahrer als Scout dabei war. So fanden sie die richtige Stelle, um an Land zu gehen. Damit begann aber auch der "definitiv anstrengendste Teil der Reise", sagt Ben. Jeder stimmt ihm zu.
Im Kreis gegangen: Die Krux mit dem GPS-Gerät
Drei Tage Gepäcktragen. Durch tiefen Schlamm, bei Regen und mit Moskitos. Einmal mehr lobt Glowacz die vier Kids. "Sie waren klasse. Jeder musste sich enorm anstrengen. Aber ein Jammern gab es nicht." Doch waren dies die ersten und einzigen Stunden, in denen sich die Kids fragten: "Warum machen wir das eigentlich?" Und der Papa?
"Ich glaub, der mag das auch noch", schmunzelt Nadine. Schlechte Stimmung sei aber trotzdem nie aufgekommen. Selbst dann nicht, als Stefan Glowacz den falschen Weg wählte. Das sorgt nach wie vor für allgemeine Belustigung. "Papa hatte das mit dem GPS-Gerät nicht so drauf", witzeln die Kinder. Tatsächlich hatte es kaum Empfang. Das Ergebnis: Sie marschierten im Kreis. "Aber ein kleiner Kreis", betont Glowacz lachend.
Das Daunenkopfkissen musste mit
Nach den drei anstrengenden Tagen verlor auch der Fluss an Kraft - und forderte eben diese von den Bootsfahrern. Acht Stunden mussten sie zum Teil täglich paddeln, bis sie schließlich nach weiteren vier Tagen am Ziel ankamen. Zurück in der Zivilisation - endlich wieder eine Toilette benutzen, so richtig mit Spülung und Schüssel statt Büsche und Bäume. Das hatten die Kinder am meisten vermisst. In puncto Essen waren sie rundum glücklich mit selbst gefangenem Fisch, Knoblauchnudeln und Erdnussbutter. Auch auf Schlafkomfort musste zumindest Tim nicht verzichten. War das Gepäck auch deutlich begrenzt - das Daunenkopfkissen musste mit.
Tim und Ben bleiben beim Surfen und Skifahren
Stefan Glowacz ist überzeugt: Durch das gemeinsame Erlebnis habe sich die Beziehung zu seinen Kindern verändert. Sie sei tiefer, "und wir haben ein richtiges Kumpelverhältnis." So will keiner der vier ausschließen, dass sie eine gemeinsame Aktion wiederholen. Dann aber mit fünf Kindern und zwei Erwachsenen: Stefan Glowacz hat sich überlegt, mit seinen Drillingen, seiner Ehefrau Tanja Valérien-Glowacz und deren zwei Kinder aus vorheriger Beziehung, die Tafelberge in Venezuela zu erklimmen.
Erst einmal aber planen zwei der Drillinge ihre Auslandsaufenthalte: Nadine verbringt ein Jahr in Portland (USA), Tim in Kanada. Nicht zum Schlauchbootfahren, versteht sich: Nadine wird in Portland die High School besuchen, Tim wird ein Jahr im Skiort Fernie verbringen. Ben bleibt 12 Monate länger bei seinem Vater, bevor er dann auch ins Ausland gehen möchte. Mit Paddeln haben sie fürs Erste abgeschlossen.
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