Unvergessliche Eindrücke

Skitour aufs Gufelseejöchl im Lechtal

Eine klare Vollmondnacht in den winterlichen Bergen beschert unvergessliche Eindrücke. Unseren Autor Thilo Brunner zog es mit seinen Freunden ins Lechtaler Parzinn.

Skitour aufs Gufelseejöchl im Lechtal
© IMAGO / Westend61

Skitour aufs Gufelseejöchl im Lechtal: Erlebnisbericht

Das Wort "richtig" bekommt hier eine zentrale Bedeutung, weil die Temperaturen bei klarem Himmel nach Sonnenuntergang innerhalb von Minuten rapide fallen. Es sind genau diese Erfahrungen und Beobachtungen, die das Draußenbleiben so reizvoll machen.

Zu erleben, wie sich die Kälte anfühlt und was sie uns anhaben kann. Oder wenn das Licht sich verwandelt, wenn das Himmelsblau der blauen Stunde zu leuchten anfängt, dem Schnee für ein paar Minuten einen ganz bestimmten Glanz verleiht und Blau langsam zu einer Nuance von Schwarz wird. Am Horizont erscheint ein Farbstreifen und offenbart sich als Geschenk, das für alle Aufstiegsmühen entschädigt.

Es ist 16.00 Uhr, als wir in Boden im Angerletal starten. Der flache Anstieg aus dem Dorf heraus, durch die lichten Wälder entlang des Sommerweges und über die sanften weißen Matten endet schließlich unter einem steilen Aufschwung. Die Hanauer Hütte wird gerade noch von den letzten Sonnenstrahlen gekitzelt und die Dremelspitze mit ihrem Trabanten zur Rechten, der Schneekarlspitze, scheint allmächtig über allem zu stehen. Die nahezu perfekte Pyramide erscheint irgendwie passend zu dieser Tour. Sie verströmt mit ihrer Regelmäßigkeit eine gewisse Magie.

Aufstieg vorbei an der Hanauer Hütte in Richtung Dremelspitze

Da macht es auch nichts, dass der Große Schlenker sie um 94 Meter und der Kleine Schlenker um 15 Meter überragt. Formschöner ist sie allemal. In den Lechtaler Alpen trägt die Hälfte der Gipfel die Endung "Spitze" und das zu Recht. Die Umgebung ist schroff und hochalpin. Die Berge und Täler haben einen wilden Charakter. Bis auf die großen Skigebiete weiter im Westen ist das Lechtal so wild und ursprünglich, wie man es im ganzen Alpenraum schwerlich finden wird. Der Superlativ, größtes Gebirge in den Nördlichen Kalkalpen, gehört ebenso zu den Lechtalern wie die Tatsache der steilen Flanken und der unwegsamen Kare.

<p>Die Hanauer Hütte im Sommer.</p>

Die Hanauer Hütte im Sommer.

© Whgler/commons.wikimedia.org

Als wir die Hanauer Hütte passiert haben, die noch unter den Schneemassen zu schlafen scheint, ist die Sonne bereits hinter unserem Ziel, dem Gufelseejöchl, verschwunden. Merklich ziehen die Temperaturen an, die hastige Suche nach dem richtigen Kleidungsstück und wärmenden Accessoires kennzeichnet den überschaubaren "Überlebenskampf" auf unserer Tour. Finger werden öfter bewegt als noch vor einer halben Stunde und unsere Damen ziehen das Tempo nun merklich an - Bewegung bedeutet Wärme.

Darüber hinaus scheinen sich unsere Sinne zu weiten und die Kälte wird Nebensache. Die Dunkelheit, die eben nicht so dunkel ist wie wenn der Mond eine schmale Sichel darstellt, bekommt eine andere Nuance in unserem visuellen Empfinden. Eine natürliche Lichtquelle, die die Nacht erhellt, sodass man keine Lampe braucht - sie wird die Menschen wohl noch ewig in ihren Bann ziehen. Menschen schlafen unruhiger oder gar nicht und Gemütszustände verändern sich. Es ist jenes Licht, in dem schon immer allerlei Wunder und Absonderlichkeiten geschehen sind. Und es hat nichts mit der Dunkelheit aus unseren lichtverschmutzten Städten gemein.

Biwak am Gupfelseejöchl und Abfahrt nach Boden

Die Einzigartigkeit dieser Nächte ist offensichtlich. In einem ganzen Winter, in dem die Berge mit Ski begangen werden können, gibt es nicht viele solcher Nächte. Es sind gerade einmal sieben - maximal. Die Monate sind überschaubar und es ist sogar möglich, dass auf einen Monat zwei Vollmonde fallen. Schnell und in steter Bahn zieht der Mond über die Dremelspitze hinweg.

Die Route oberhalb der Hütte verfolgt mittelsteile Hänge und endet mit einem letzten Steilstück. Von unserer Empore, dem Gufelseejöchl, schauen wir Richtung Westen. Alle Spitzen und Kare sind noch gut zu erkennen. Die Kälte lässt uns noch genug Fingerfertigkeit, um die Zelte aufzubauen. Es gibt keinen Anlass zur Eile, denn es ist offensichtlich, dass alles unter diesen eisigen Bedingungen seine Zeit braucht.

<p>Sonnenaufgang an der Dremelspitze.</p>

Sonnenaufgang an der Dremelspitze.

© IMAGO / imagebroker

Der Kocher fängt an zu fauchen und Schnee schmilzt für einige Schlucke wärmenden Tees. Das Gufelseejöchl ist in dieser Nacht halbwegs gnädig mit uns. Schon in der Nacht, früher als erwartet, ziehen von Westen die ersten Ausläufer des nächsten Tiefdruckgebiets über uns hinweg. Am nächsten Morgen erleben wir ein Mischmasch aus Wolken und Sonne.

Wir beschließen abzufahren und uns ein Frühstück in Boden zu genehmigen. In dem riesigen Kessel unterhalb des Jöchls finden wir noch recht gute Abfahrtsbedingungen vor und mogeln uns zwischen den Harschdeckeln von einer Pulverzone zum nächsten schönen Rücken. Die Sonne setzt sich immer weiter durch und es wird ein strahlender Tag. Wer hätte das gedacht! Die Meteorologen zumindest nicht! Welch ein Zauber, der sich uns hier offenbart!

Alle Infos zur Skitour aufs Gufelseejöchl (2373 m)

Das Parzinn ist sicherlich eine der eindrucksvollsten Untergruppen in den Lechtaler Bergen. Wild zerklüftete Felsgipfel stehen in bizarrem Kontrast zu weiten Mulden und steilen Karen. Die Gegend ist ideal für erfahrene Skitourengeher. Der Anstieg zum Gufelseejöchl ist die einfachste Tour in der Region.

  • Schwierigkeit: Skitour, mittel

  • Höhenmeter: 1020 Hm

  • Gesamtzeit: 3 - 3,5 Std.

  • Talort / Ausgangspunkt: Boden, 1356 m, im Bschlaber Tal, einem Seitental des Lechtals.

  • Route: Der erste Anstieg ist sehr gemächlich und folgt dem Weg 601, E4 alpin, dies ist auch der Hüttenzustieg zur Hanauer Hütte. Der erste Aufschwung beginnt nach der Bachquerung bei 1800 m. Nach der Hütte hält man sich rechts, verlässt den Weg 601 und folgt der Route in Richtung des Sommerweges 624. Bei P. 2026 bleibt man wieder rechts und läuft geradewegs dem gut sichtbaren Gufelseejöchl entgegen. Abfahrt wie Aufstieg. Aus dem Gufelseejöchl lässt sich auch die Kogelseespitze besteigen oder die Parzinnspitze über die nördliche Parzinnscharte umrunden.

<p>Übersichtskarte der Tour.</p>

Übersichtskarte der Tour.

© ALPIN

Infos zu Hütte, Einkehr, Bergführer und Literatur

  • Anreise: Mit dem Auto von München nach Boden: A 95, E 533 München - Garmisch, Ettaler Bergstraße, B 23, Lechtal Bundesstraße, B 198, bei Steeg links abbiegen Richtung Boden. Der Startpunkt der Tour liegt am linken Dorfende an einem kleinen Parkplatz. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist relativ zeitaufwendig und nicht zu empfehlen.

  • Info/Unterkünfte: Tourismusverband Tiroler Lechtal, lechtal.at

  • Hütte: Hanauer Hütte, 1922 m, im Winter geschlossen, Winterraum in separater kleiner Hütte, hanauer-huette.de

  • Einkehr: Gasthof Bergheimat, Boden 40.

  • Bergführer: Alpinschule Oberstdorf, alpinschule-oberstdorf.de

  • Literatur: Dieter Elsner, Michael Seifert: Skiführer Lechtaler Alpen, Panico Alpinverlag, 2010.

  • Karte: AV-Karte, 1: 25 000, Blätter 3/4, Lechtaler Alpen - Heiterwand und Muttekopfgebiet, und 3/3, Lechtaler Alpen - Parseierspitze.

In diesen 10 Hütten könnt ihr euch im Winter als Selbstversorger übernachten:

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