US-Kletterer zu Besuch in Herzogenaurach

Interview mit Dean Potter

Mit den Huberbuam, Beat Kammerlander, Sasha DiGulian, Valerie Rozov und Reinhard Kleindl (Porträt in der September-Ausgabe von ALPIN) ist das Outdoor-Team von Adidas personell bereits bestens aufgestellt. Jetzt gesellt sich noch eine weitere Szenegröße zu dieser hochkarätig besetzten Runde: Dean Potter. Mit dieser Personalie konnte der fränkische Sportartikelgigant einen weiteren Coup landen.

Interview mit Dean Potter
Leichte Übung: Dean Potter während seines Besuches bei Adidas in Herzogenaurach (Foto:adidas Outdoor / Hannes Huch).
Leichte Übung: Dean Potter während seines Besuches bei Adidas in Herzogenaurach (Foto:adidas Outdoor / Hannes Huch).

Dass sich die Huberbuam, Beat Kammerlander oder der russische Basejumper Valerie Rozov bei den meisten ihrer Projekte am Limit des Machbaren bewegen, ist bekannt. Doch wohl keiner der genannten Herren testet - und überschreitet die eigenen Grenzen so oft wie Dean Potter. Mit dem 40-jährigen Amerikaner hat sich Adidas mit Sicherheit den "wildesten Hund" in sein Outdoor-Team geholt, den die Bergsportszene derzeit hergibt. Ob Free Solo im Fels oder auf der Highline - für Potter scheint es nur das Extrem zu geben.

Ein Eindruck, der sich nahezu bei jedem neuen Projekt des Kaliforniers weiter zu verstärken scheint. Für manchen Beobachter der Szene ist es daher eines der größten Wunder, dass der Szene-Anarcho überhaupt noch am Leben ist. Doch Potter auf seinen Ruf als "lebensmüder Spinner" zu reduzieren, wird dem privat eher still und introvertiert wirkenden Amerikaner nicht gerecht.

"Instead of dying I am flying", so Potters Motto, mit dem er auf die von ihm erfunde Sportart des Free Base Solo anspielt. Dabei ist Potter free solo im Fels unterwegs, also ohne Seil und Sicherung, nur mit einem kleinen Fallschirmrucksack ausgerüstet. Im Falle eines Sturzes soll ihm dieser "Erste Hilfe" - Rucksack das Leben retten oder - bei erfolgreicher Durchsteigung einer Route - schnell und unkompliziert wieder ins Tal bringen. So geschehen 2008 am Eiger. Hier kletterte Potter die Route "deep blue sea" in der berüchtigten Nordwand free solo, um sich anschließend mit dem Fallschirm ins Tal zu stürzen.

alpin.de nutzte die Gelegenheit, um Dean Potter bei einem Termin seines neuen Sponsors im fränkischen Herzogenaurach ein paar Fragen zu stellen.

alpin.de: Dean, der Firmensitz deines neuen Sponsors liegt unweit eines der berühmtesten Klettergebiete Europas - der Fränkischen Schweiz. Hattest Du Gelegenheit, dem Revier einen Besuch abzustatten und vielleicht sogar ein paar Klassiker von Wolfgang Güllich oder Kurt Albert zu klettern?

Nein, bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit die fränkische Schweiz zu besuchen. Wolfgang Güllich war schon von klein auf ein Idol von mir, aber ich habe ihn leider nie persönlich kennengelernt. Er ist einer der großen Heros vergangener Tage! Kurt Albert habe ich in Argentinien getroffen, einige Monate mit ihm verbracht und dabei viel von ihm gelernt. In die Fränkische würde ich auf jeden Fall gerne mal klettern gehen und einige Routen von ihm und Güllich klettern.

alpin.de: Würde Dich eine Route wie "Action Directe" überhaupt (noch) reizen?

Oh ja, klar. Es ist ja nach wie vor eine der faszinierendsten Kletterrouten. Auch heute noch ist jeder Kletterer stolz, der sie geschafft hat. Für mich persönlich ist es etwas ganz Spezielles, wenn ich die Route eines anderen klettere. Denn ich benutze die gleichen Griffe und Tritte, wie diese Person und sehe, rieche und spüre das, was diese Person gesehen, gerochen und gespürt hat - erlebe die Tour mit allen Sinnen. Eine sehr intime Art und Weise ein Stück Vergangenheit zu leben.

Sympathischer "Spinner": Dean Potter (adidas Outdoor / Hannes Huch).
Sympathischer "Spinner": Dean Potter (adidas Outdoor / Hannes Huch).

alpin.de: Für einen Spitzenkletterer bist Du mit 1,95m außergewöhnlich groß. In einer Situation schon einmal gewünscht, deutlich kleiner zu sein bzw. durch Deine Körpergröße in eine brenzlige Situation gekommen?

Ich merke ehrlich gesagt gar nicht, dass ich so groß bin, solange ich nicht neben einer kleineren Person stehe. Ich bin einfach wie ich bin und hab mir noch nie Gedanken darüber gemacht.

alpin.de: In einem Interview hast Du erwähnt, dass du an einem Kinderbuch arbeitest. Für den Außenstehenden ein krasser Gegensatz zu deinen sportlichen Projekten. Was bedeutet das für Dich? Harte, disziplinierte Arbeit? Oder erlebst Du beim Schreiben einen ähnlich meditativen "flow" wie beim Free Base oder auf der Highline?

Ich habe schon immer gerne geschrieben. Wenn ich schreibe, kann mich nichts ablenken bis ich meinen kreativen Prozess abgeschlossen habe. Zudem bin ich irgendwie selbst ein wenig Kind geblieben und versuche mit der gleiche Freude und dem gleichen Spaß zu leben, wie es Kinder tun. Außerdem denke ich, dass es eins der wichtigsten Dinge ist, Kids zu zeigen, dass es verschiedene auch unkonventionelle Wege gibt, das Leben erfolgreich zu meistern. Das wichtigste ist, gesund zu sein, seinen Träumen zu folgen und Spaß zu haben.

alpin.de: Kannst Du schon etwas über dein nächstes Projekt verraten - ob am Schreibtisch oder draußen?

Beides irgendwie - im Grunde verfolge ich im Moment gegensätzliche Ziele: "the art of not falling" und "the art of flying". Das Dritte, "the art of linewalking" liegt irgendwo dazwischen. Was sich bei mir in den letzten Jahren geändert hat, ist, dass ich gründlicher plane. Denn eine intensive Vorbereitung, die auch am Computer stattfindet, hat einen großen Anteil am Erfolg. Dazu gehört Statistiken auszuwerten, die beste Ausrüstung weiter zu verbessern, die Logistik auszuarbeiten und langfristig mit Experten zusammen zu arbeiten. Denn um meine Projekte und Ziele verwirklichen zu können, ist es wichtig das beste Material zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu benutzen. Und jedes Mal bevor ich ein Projekt angehe, setze ich mich intensiv mit dem Gebiet auseinander und versuche so viel wie möglich darüber in Erfahrung zu bringen.

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