Robert Wimmer: Der Ultraläufer im Gespräch

1.300 Kilometer in 16 Tagen zu Fuss über die Alpen

Auf Hannibals Spuren läuft Robert Wimmer von Spanien nach Turin, mit Ziehwagen und autark.

1.300 Kilometer in 16 Tagen zu Fuss über die Alpen

Robert Wimmer ist Optikermeister und Familienvater. Und seit Jahrzehnten einer der bekanntesten Köpfe der deutschen Ultra-Laufszene. Die Liste seiner Erfolge ist lang. 2003 gewann er den Transeuropalauf (5036 km in 64 Etappen), 2004 war er 9. und bester Deutscher beim legendären Badwater Ultramarathon im Death Valley (217 km), 2011 stellte er mit über 140 Kilometern einen Weltrekord im 12-Stunden-Bahnlauf (Indoor) auf.

Am 17. Juli startet der 50-Jährige ein Projekt, das ihn über die Alpen bringen soll. Wir haben uns mit Robert Wimmer über seinen "Hannibal Survival Run" unterhalten.

<p>Rennt über die Alpen: Robert Wimmer.</p>

Rennt über die Alpen: Robert Wimmer.

© Holger Rupprecht

Stell uns doch bitte Dein Projekt kurz vor. Was ist Dein Plan?

<p>Spartanische Packliste schön und gut, aber ALPIN muss mit.</p>

Spartanische Packliste schön und gut, aber ALPIN muss mit.

© Holger Rupprecht

Die Idee kam durch einen befreundeten Journalisten, der historisch bewandert ist. Für 2016 hatte ich noch kein Projekt. Ich wollte aber unbedingt etwas machen. Also fragte ich ihn, ob er eine Idee hätte, wo ich laufen könnte, vielleicht mit historischem Bezug. Da sagte er: "Wie war denn das mit Hannibal, der mit den Elefanten über die Alpen ist?". Hannibal marschierte mit 50 000 Soldaten, davon 12 000 Reiter und 37 Elefanten auf seinem Kriegszug von Carthago nach Italien. Ich werde in 16 Tagen 1300 Kilometer auf Hannibals Spuren laufen: Von Sagunt bei Valencia in Spanien über Barcelona und Grenoble über den Bergpass Col de Clapier mit 2.488 Metern Höhe und weiter in die Po-Ebene nach Italien. Ziel ist das Grabtuch Jesus Christus in der Kathedrale San Giovanni Battista in Turin. Ich möchte die ganze Unternehmung autark und ohne Hilfe von außen bewältigen. Kein Geld, keine Hilfe, kein Bett, mein Essen habe ich komplett dabei, schlafen werde ich am Wegesrand und mein Wasser hole ich mir aus Bächen, Flüssen oder Brunnen.

Historisch ist es sicher schwer, den genauen Weg Hannibals zu rekonstruieren und aus Sicht des Läufers sind asphaltierte Straßen ja auch nicht gerade schön. Wie hast Du Deine genaue Route geplant?

Die genaue Route Hannibals ist nicht bekannt. Selbst über die Alpen gibt es vier mögliche Routen, die er genommen haben könnte. Ich werde die derzeit wahrscheinlichste über den Col de Clapier laufen. Die sonstige Route ist nur äußerst grob bekannt, deshalb habe ich die Route im Detail nach meinen eigenen Anforderungen ausgewählt. Es sollten wenig Höhenmeter zu bewältigen sein und mit meinem Ziehwagen mit seinen schmalen Rennradreifen möglichst leicht zu laufen. Deshalb sind es vor allem verkehrsarme Straßen geworden. Und da wird dann immer links gegen den Verkehr gelaufen und natürlich mit voller Konzentration.

Wieviel Höhenmeter kommen da auf Dich zu?

Höhenmeter sind es circa 11.000, die meisten davon in den Alpen, wo ich auf eine Höhe von 2.488 Meter komme. Aber bis dahin ist mein Ziehwagen schon leicht, denn das Gewicht von 13 - 14 Tagen Essen ist ja dann nicht mehr mit dabei. Dennoch werde ich ihn im Gebirge manchmal schultern. Denn vor allem bergab ist es gefährlich wenn man von hinten zu viel Schub bekommt.

Mit Deinen Schlafplätzen bist Du ja flexibel. Stehen Deine einzelnen Etappen schon genau fest, oder entscheidest Du spontan wie weit es jeden Tag geht?

Eine grobe Struktur habe ich schon, denn dann habe ich ein Tagesziel und kann mich auch auf etwas freuen. Im Schnitt laufe ich 85 Kilometer pro Tag und diese einzelnen Etappen sind auch schon im GPS-Gerät abgespeichert. Und so muss ich nur dem Pfeil folgen und komme an mein Etappenziel, wo auch immer Grünflächen sind und nicht gerade ein zentraler Marktplatz. Als Backup habe ich normale laminierte Karten dabei. Habe ich an einem Tag aber ein Leistungshoch oder -tief kann ich die Länge der Etappe dementsprechend anpassen.

<p>In Aktion: Robert Wimmer läuft mit dem Ziehwagen.</p>

In Aktion: Robert Wimmer läuft mit dem Ziehwagen.

© Holger Rupprecht

Wie kamst Du überhaupt auf die Selbstversorger Idee? Wäre die Aussicht auf eine heiße Dusche und ein schönes Essen am Abend nicht reizvoll?

Ich möchte alle ein bis zwei Jahre eine Herausforderung, die mich an meine Grenzen bringt. Früher konnte ich Rekorde oder etwas Non-Stop laufen, jetzt bin ich fünfzig, da richtet sich der Fokus eher auf eigene anspruchsvolle Projekte mit spannenden Herausforderungen. 2014 bin ich auf meinem Trans-Germany-Run schon einmal ohne Hilfe, am Wegesrand schlafend und mit dem Ziehwagen so schnell wie möglich von Wilhelmshafen auf die Zugspitze gelaufen. Mit 10 Tagen und 5 Stunden für die 930 Kilometer hat das gut geklappt und so kam die Lust, so etwas auch mal international zu machen.

Wie spartanisch ist Deine Ausrüstung? Was nimmst du mit?

Die Packliste ist über Monate entstanden und ist maximal gewichtsreduziert. Ich habe nicht mal eine Zahnbürste dabei. Zu Essen habe ich 96 Haferriegel und 16 Beutel mit gefriergetrockneter Nahrungs dabei. Einmal am Tag etwas salziges und sechsmal einen süßen Riegel. Zusammen komme ich so auf circa 3.600 Kalorien pro Tag. Mir ist aber bewusst, dass ich um die 5.000 Kalorien am Tag verbrauchen werde. Ich werde auf der Tour also gut abnehmen. Deshalb starte ich auch nicht mit möglichst wenig Körpergewicht, wie man das beispielsweise vor einem 100 Kilometerlauf machen würde, sondern mit Reserven, um von meinem Körperfett zu leben. Sollte ich unterwegs frei zugängliche, wild wachsende Nahrungsmittel finden, sage ich natürlich nicht nein. Da ich aber auf Äpfel, Birnen, Trauben, Nüsse und Pfirsiche allergisch bin und mich überwiegend vegetarisch ernähre, bleibt da nicht mehr viel.

<p>Pflichtlektüre: Wer über die Alpen will, sollte ALPIN lesen.</p>

Pflichtlektüre: Wer über die Alpen will, sollte ALPIN lesen.

Auf welches Gesamtgewicht kommst Du dann laut Packliste?

Momentan stehe ich bei 37,8 Kilogramm inklusive des Ziehwagens. Also circa 30 Kilo Ausrüstung und Verpflegung. Gute sieben Kilo wiegt der Wagen.

Begleitet Dich jemand? Mit wem stehst Du in Kontakt? Hast Du ein Telefon dabei?

Alle ein bis zwei Tage werde ich zu Hause anrufen, um zu sagen, dass alles in Ordnung ist. Und über Facebook werde ich ein- oder zweimal am Tag ein Bild posten mit ein paar Sätzen. Zu erreichen über robertwimmer.de. Für meinen Nachbericht habe ich eine GoPro-Kamera dabei und werde - so weit es meine mentale Stärke zulässt - Filme und Fotos machen. Auf einen Live-Ticker verzichte ich aber bewusst.

Du hast 16 Tage hintereinander mit durchschnittlich zwei Marathons täglich vor Dir. Das machst auch Du, der schon seit Jahrzehnten im Ultralauf-Bereich aktiv, nicht mal eben nebenbei. Wie hast Du Dich vorbereitet?

Seit Januar werde ich bis zum Start 4.500 Kilometer im Training gelaufen sein. Darüber hinaus habe ich Läufe mit dem Ziehwagen gemacht. Dabei bin ich Samstags irgendwo hin gelaufen, habe dort übernachtet und bin Sonntags wieder zurück. Auch habe ich bewusst Wochen mit sehr hohem Umfängen eingeplant. In diesen bin ich neben meiner 40-Stunden Woche als Optiker bis zu 350 Kilometer gelaufen. Somit fühle ich mich sportlich ganz gut vorbereitet, aber das ist ja nur ein Drittel.

Was sind die anderen zwei Drittel?

Das zweite Drittel ist das Mentale, das letzte Drittel sind die Umstände mit Nahrungsdefizit und vielleicht auch Schlafmangel.

Bezüglich der mentalen Komponente: Hast Du bestimmte Techniken, die Dich über schwierige Kilometer bringen, die Dir bei Schmerzen helfen? Hörst Du Musik mit einen MP3-Player oder murmelst Mantren?

Musik habe ich wegen des benötigten Stroms nicht dabei. Aber ich habe meine Power-Monologe und Affirmationen."Ich bin stark, ich bin stark!" oder "Laufen ist schön, laufen macht Spaß, ich laufe gerne!". Das ist schon eine Art Mantra. Oder man läuft wieder bewusster und strukturierter. Man sieht sich seine Beine an, denkt sich in diese hinein, koordiniert seine Schrittlänge. Oder ich stelle mir vor, dass ich wachse, über Baumwipfel schauen und die Erdkrümmung sehen kann. Dadurch wird mein Schritt auch wieder gepflegter, die Schrittlänge länger. Und ich visualisiere das Ziel in Turin, den Dom mit dem Grabtuch von Jesus Christus.

<p>Im Gespräch: Holger Rupprecht (alpin.de, li.) und Robert Wimmer.</p>

Im Gespräch: Holger Rupprecht (alpin.de, li.) und Robert Wimmer.

Hat dieses Ziel, das Turiner Grabtuch, eine religiöse Bedeutung für dich?

Nein, das kam eher zufällig. Ich habe eine Bekannte, die aus Italien stammt gefragt, was es in Turin als interessantes Ziel gibt. Denn es ist gut zu wissen, dass man nicht zum Turiner Busbahnhof läuft, sondern einen besonderen Aufhänger hat. Und diese meinte, dass dort in der Kathedrale das Grabtuch von Jesus Christus sei. Es hat also keinen religiöse Bedeutung ich mache das Projekt einfach für mich. Ich habe noch genug Resturlaub und möchte etwas erleben.

Wovor hast Du am meisten Angst?

Gesundheitlich gesehen muss mein Knie halten. Doch am ehesten kommt man bei der persönlichen Sicherheit an Grenzen, wenn man nicht zu zweit und nicht auf Campingplätzen unterwegs ist. Manche könnten denken, dass ich in meinem Wagen viel Geld oder digitale Geräte dabei habe. Auch könnte es zu unangenehmen Situationen mit freilaufenden Hunden kommen. Ich habe schon festgestellt, dass diese meinen Ziehwagen sehr mögen. Wie wehre ich diese Gefahren ab? Ich werde nicht unbewaffnet unterwegs sein. Auch habe ich ein paar Survival-Kurse gemacht und könnte ohne Hilfsmittel Feuer machen.

Hast Du Angst zu scheitern?

Die Möglichkeit besteht. Aber ich hoffe sehr, gut durchzukommen. Und eins ist klar: Bis ich aufgebe muss viel passieren. Wegen ein bisschen Rückenschmerzen oder einer kleinen Erkältung werde ich nicht aussteigen.

Worauf freust Du Dich am meisten?

Ich glaube, die heiße Dusche nach 16 Tagen Waschen im Flußwasser wird grandios.

Was sagt Deine Familie zu deinem Projekt?

Meine Kinder sind 13 und 17. Die brauchen ihren Vater nicht mehr jeden Tag. Und meine Frau hat mich schon als Ultra-Läufer kennengelernt. Sie weiß, dass ich ab und an solche Projekte brauche und danach wieder ruhig und gelassen bin. Ich bin Jäger, Abenteuerer, brauche Grenzerfahrungen. Wenn ich dieses Verlangen im Berufsleben zu stillen versucht hätte, hätte ich wahrscheinlich schon längst einen Hörsturz oder gar einen Schlaganfall erlitten. Da ist ein Projekt wie der Hannibal Survival Run ganz sicher die gesündere Alternative.

Weitere Informationen: www.robertwimmer.de

Text von Holger Rupprecht

5 Kommentare

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Julia

Willkommen in der Leistungssegelschaft!
Sorry aber der Typ hat mein vollstes bedauern, warum und vor was läuft der eigentlich weg.

Sein nächstes Projekt, in 80 Tagen um die Welt, natürlich zu Fuß ohne Schuhe, das soll ja gut für den Rücken sein. Wo Wasser ist wir natürlich geschwommen, also muss der Ziewagen noch schwimmfähig gemacht werden.

Also viel Spaß??

Ingo

Ich kenne Robert und wundere mich über nichts mehr. So schnell gibt der auch nicht auf. Ich wünsche ihm daher alles Gute!!!

Gino Vln auf Facebook

wer braucht schon flugzeuge, autos & motoren, wenn man gesunde und starke beine hat? :D ??

bewundernswerter mensch!!

Alna

Ist das jetzt bewundernswert oder bescheuert? ich weiß es nicht so recht.

Jerome ist mein Nachbar

Coole Aktion! Aber ganz ehrlich: An der Straße entlang würde ich nicht laufen wollen. Hail to the trail!!