Medizin

Höhenangst - Was können Sie dagegen tun?

Im Gebirge sind Menschen, die unbeeindruckt von der Höhe bewegen können, im Vorteil. Doch von Haus aus schwindelfrei ist nur eine Minderheit unter uns. Viele Menschen leiden unter Höhenangst. Was steckt dahinter?

Höhenangst - Was können Sie dagegen tun?
Nerven wie Drahtseile? Arbeiter in New York (Photo: Vincent Laforet, NYT)
Nerven wie Drahtseile? Arbeiter in New York (Photo: Vincent Laforet, NYT)

Den meisten Menschen hat die Natur die Eigenschaft, die eigene Körperlage über Abgründen als instabil und unangenehm zu empfinden, mit in die Wiege gelegt – wenn auch in unterschied-licher Ausprägung. „Höhenschwindel ist ein vollkommen normales Phänomen“, bestätigt Dr. Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aus Heidelberg.

„Dieser Entfernungsschwindel tritt dann auf, wenn der Abstand zwischen den Augen und dem nächsten sichtbaren festen Objekt zu groß wird.“ Das Gefühl hat eine gewisse Schutzfunktion: Betroffene treten unwillkürlich zurück und sind in Sicherheit. Im Volksmund wird dieses Schwindel-Phänomen gerne als Höhenangst bezeichnet.

Unter diesem Begriff verstehen Mediziner aber tatsächlich etwas anderes. „Höhenangst kennzeichnet sich durch die Angst vor einem Kontrollverlust“, erklärt Mayer. Angesichts eines Abgrundes sind Gedanken wie „Ich könnte fallen!“ oder „Ich könnte die Kontrolle verlieren und hinunterspringen“ normal.

Ein Schritt zurück reicht, und es kehrt Ruhe ein im Kopf. Krankhaft wird die Angelegenheit, wenn die Gedanken überhandnehmen oder einen übertriebenen Stellenwert bekommen. Solchen Menschen fällt es mitunter schwer, über Brücken zu gehen oder auch nur auf eine Leiter zu steigen. „Wer Höhenangst hat, wagt sich daher eigentlich nicht in die Berge“, sagt Psychiater Mayer.

Menschen mit Höhenschwindel dagegen schon. Das unangenehme Phänomen, an dem das Gleichgewichtsorgan im Innenohr völlig unbeteiligt ist, erklärt sich aus der Körperposition im Raum. „Steht der Mensch aufrecht, schwankt sein Kopf unmerklich, um die Lagebestimmung zu ermöglichen“, erklärt Mayer.

„Das Schwanken nimmt zu, wenn sich in näherer Umgebung keine festen Objekte zur Orientierung befinden. Was folgt, ist Schwindel.“ Zur Stabilisierung seiner Lage nutzt der Mensch seine Augen, allerdings nicht das zentrale, sondern das seitliche Blickfeld: Es hilft den Betroffenen daher, wenn sich dort feststehende Gegenstände oder Objekte befinden.

Ein leichter Schauer darf ruhig sein!
Ein leichter Schauer darf ruhig sein!

Höhenschwindel geht oft mit starkem Unwohlsein sowie der Angst herunterzufallen oder abzustürzen einher. Hinzu kommen mitunter körperliche Symptome wie Schweißausbrüche, beschleunigter Herzschlag oder erhöhte Atemfrequenz. Wer etwas dagegen tun möchte, kann versuchen, sich immer größeren Höhen auszusetzen, um sich daran zu gewöhnen.

„Schwindelfreiheit ist bis zu einem gewissen Grad trainierbar“, erklärt Mayer. In jedem Fall sollten Menschen mit Höhenschwindel ihre Routen sorgfältig planen. Mitunter empfiehlt sich eine Seilsicherung. „Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen“, sagt Mayer. „Denn wer übertreibt, beraubt sich nicht nur des Bergvergnügens, sondern verstärkt unter Umständen auch seine Angst.“

Text: Dr. Ralph Müller-Gesser