Was hat sich seit dem Massenrückruf getan?

Neue Klettersteigsets in der Übersicht

Der Massenrückruf der Klettersteigsets vor zwei Jahren ist noch im Bewusstsein. Wie sieht es nun mit den aktuellen Modellen aus? Und bringt eine neue Norm von Klettersteigsets nur Vorteile?

Neue Klettersteigsets in der Übersicht
© Gelder

Klettersteige sind keine Erfindung der letzten Jahre. Auch wenn man manchmal diesen Eindruck bekommen könnte, wenn man die Kommunikation von Tourismusregionen oder einigen Herstellern verfolgt. Gleichwohl ist das Begehen von Klettersteigen in den letzten Jahren explodiert. Actionsport ist in. Da wagen sich Leute auf Klettersteige, die vorher nie irgendeinen Kontakt zu Bergen hatten. Hochseilgärten und moderne Klettersteige kann man oft nicht mehr auseinander halten. Allerdings sind Hochseilgärten betreut und der Weg auf den sicheren Boden ist meist nicht weit. Bei Klettersteigen sieht das anders aus. 

Mit dem Boom kamen neue, komfortablere Produkte auf den Markt, bei denen gerne versucht wird zu vermitteln, sie würden absolute Sicherheit bieten. Klettersteigsets wurden bedienerfreundlicher und leichter. Dann kam vor zwei Jahren der große Rückruf, der fast alle Hersteller und fast alle Klettersteigsets betroffen hat. In dem Moment, wo eine Nischensportart zu einer Massenbewegung wird, sind Probleme einfach vorprogrammiert. Es war klar, so kann es nicht weitergehen. Die aktuelle Norm ist auf die vor Jahren (oder Jahrzehnten) übliche Art von Klettersteigen ausgelegt. Damals ging es vor allem darum, einen Totalabsturz zu verhindern. Traditionelle Klettersteige gehen meist durch schrofiges Gelände oder über Leitern. Überhängende Passagen, schwindelerregende Seilbrücken und korkenzieherförmig angelegte Steignetze gab es nicht. 

Die neue Karabiner-Generation.
Die neue Karabiner-Generation.
© alpin.de

Eine neue Norm muss her, das war allen Beteiligen nach dem Massenrückruf klar. Doch bis so eine neue Norm bindend ist, vergehen Jahre (vgl. Interview mit Richard Heinz von Edelrid). Und so lange müssen sich die Hersteller an die (bestehende) Norm halten. Wir haben aus genau dem Grund in den letzten Jahren keinen großen Test von Klettersteigsets veröffentlicht. Nachdem es aktuell aber so aussieht, dass es noch etwa zwei Jahre dauern wird, bis ein breites Sortiment an neuen Klettersteigsets auf dem Markt sein wird, präsentieren wir nun eine Marktübersicht mit den Sets der führenden Hersteller der laufenden Saison. 

Elastische Arme bei Klettersteigsets sind inzwischen fast Standard. Noch recht neu sind Karabiner mit vereinfachter Bedienung wie bei Salewa (Ergotech) oder Edelrid (One Touch) zu sehen. Durch den geringeren Abstand der Handballensicherung und des gegenüberliegenden Schnappers und die längere Bauweise ist die Bedienung spürbar einfacher und schneller. Das ist gerade auf modernen Klettersteigen ein wichtiges Thema, da man hier oft Hunderte Male umklinkt und der Klippvorgang auch schnell vonstattengehen sollte, besonders an steilen Passagen, da einen sonst die Kraft verlässt. 

Ein Wirbel (Camp, Edelrid) verhindert das lästige Verdrehen der Arme an den Sets, macht das Set aber auch schwerer und etwas länger. Eine Ausnahme innerhalb der Klettersteigsets bildet nach wie vor das Vario von Edelrid. Hier lässt sich das Benutzergewicht einstellen, womit sich die Bremskraft ändert. An sich eine geniale Lösung, die möglich ist, weil Edelrid geschickt eine Lücke in der Norm genützt hat. Ausgeliefert (und zertifiziert) wird das Vario mit einem eingestellten Nutzergewicht von 80 Kilo. 

"Verstellung" nimmt dann der Endverbraucher vor. Gestört haben uns die ungenauen Gewichtsangaben der Hersteller. Bei Camp sind es stolze 115 Gramm Differenz zwischen Herstellerangabe und tatsächlichem Gewicht (Camp Vortex). Aber auch beim Edelrid Cable Comfort 2.3 ist die Abweichung von 45 Gramm ein Schönheitsfehler und beim Salewa Ferrata Ergo Tex beträgt die Differenz 70 Gramm. Das geschieht sicherlich nicht mit dem Ziel der Täuschung (sonst müssten auch die Angaben der anderen Sets niedriger sein), aber nachbessern sollten die Hersteller hier schon! 

Fazit: Warten oder kaufen?

Soll man sich für die Saison ein neues Klettersteigset zulegen oder sollte man warten, bis die neue Generation auf dem Markt ist? Das ist die Frage, die sich viele Nutzer stellen. Da bisher nicht sicher ist, wie lange es noch dauert, bis die neuen Klettersteigsets kommen, und sie nicht nur Vorteile (sicherer), sondern auch Nachteile (größer, schwerer, teurer) haben werden, ist es sicherlich nicht sinnvoll, jetzt schon auf die neuen Produkte zu setzen und mit dem Kauf zu warten. Wer jetzt ein funktionelles Set erwirbt, wird das noch Jahre nutzen können! 

Text von Olaf Perwitzschky

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