Diskussion um Kletterethik

Der Standpunkt von Alexander Huber

Alpinismus ist kein konzeptloses Steigen am Berg, bei dem jeder macht, was er will. Das Bergsteigen hat eben eine ethische Dimension, grundsätzlich und von Anfang an.

Der Standpunkt von Alexander Huber
Engagiert: Alexander Huber. Bild: Marco Kost.
Engagiert: Alexander Huber. Bild: Marco Kost.

Alpinismus kennt zwar keine geschriebenen Gesetze und doch gibt es außerhalb der Gesetze Verhaltensregeln, die unter anderem im gesunden Menschenverstand, im gegenseitigen Respekt und in der Tradition wurzeln.

Für die Gemeinde der Bergsteiger ist diese gemeinsame Ebene des Denkens - ihre Ethik - die selbst gegebene Handlungsstruktur, die Statik des alpinistischen Hauses, in dem sie sich sinnvoll bewegen und aufhalten wollen.

Ein elitärer, narzisstischer und egoistischer Haufen?

Eines der meist diskutierten Themen der letzten Jahre ist dabei die Sanierung der Klassiker der Alpen. Bei vielen Sitzungen hatte ich für das klassische Bergsteigen geworben und wurde doch immer nur wegen meines vermeintlich "elitären" Standpunktes angefeindet.

Oft genug wurden wir Traditionalisten als die Radikalen hingestellt: Ein elitärer, narzisstischer und egoistischer Haufen, der andere nicht an den vertikalen Freuden teilnehmen lassen will. Und trotzdem waren wir bereit, am runden Tisch in Diskussionen eine Vereinbarung - die "Tirol Deklaration" von 2002 - zu finden, die für alle tragbar wäre und die einen Weg zwischen Tradition und Moderne ausdrücken soll.

Denn ehrlich gesagt, in den Alpen gibt es genug Raum für alle Interessen. Plaisir-Routen, klassische Routen und Abenteuer-Routen könnten nebeneinander existieren ohne einander zu beeinträchtigen.

Die Plaisir-Fraktion ignoriert alles, was vereinbart wurde

Doch die "Tirol Deklaration" führte ins Leere, denn Papier ist geduldig. Die Plaisir-Fraktion ignorierte alles, was am grünen Tisch vereinbart wurde und die Alpenvereine schauen zu: Die Entwicklung nahm - und nimmt auch heute noch - ungebremst ihren Lauf.

So ist es derzeit völlig normal, dass klassische Routen eingebohrt werden und anschließend der Öffentlichkeit als saniert verkauft werden. Die "Tirol Deklaration" wird missachtet und die Konsequenz ist, dass nach dem richtigen oder falschen Verhalten an sich nicht mehr gefragt wird, was dem Verlust der Ethik gleichkommt. Aber genau ohne diese kann das Bergsteigen nicht existieren.

Ich halte es daher für Aufgabe der Alpenvereine , dass sie die in der "Tirol Deklaration" formulierten Richtlinien auch durchsetzen. Und es wäre eigentlich sogar ihre Pflicht, denn nur so kann diese Deklaration als ethisches Gerüst dem Haus des Alpinismus wieder eine tragfähige Statik verleihen, ein dringend notwendiges Fundament bieten für die Auseinandersetzung mit der Zukunft.

Noch keine Generation zuvor hatte es fertig gebracht, dass unser alpines Erbe zerstört wird - meine Generation wird die Zerstörung in wenigen Jahren erledigt haben. Dabei wäre die Pflege des gemeinsamen Erbes der dringlichste und für mich wichtigste Dienst des Vereins.

Deshalb werde ich auch weiterhin darauf aufmerksam machen, auch wenn ich dafür wie schon in der Vergangenheit viel Kritik einstecken muss.

Denn ich persönlich würde es mir in zwanzig Jahren nicht verzeihen, wenn ich mir eingestehen müsste, dass ich für den Erhalt dieses Erbes nichts getan hätte. Schreiben Sie uns, was meinen Sie?

Redaktion ALPIN

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