Monte Emilius, Triangolo Nero, "Bittere Pillen" (Bocconi Amari)

Abenteuer am unbekannten Berg

Nach dem zu kalten August folgte ein aussergewöhnlich milder Herbst. Bittere Pillen also für alle Eisfreaks. Auf der Suche nach dem kalten Abenteuer wurde ich erst im Internet fündig. Dass man aber gerade auf der Alpensüdseite in Italien, südlich des Mont Blanc im Valle d´Aosta fündig werden sollte, erstaunten Roger Schäli und mich um so mehr.

Abenteuer am unbekannten Berg
Inhaltsverzeichnis
Die Route "Bocconi Amari" . Klicken Sie für eine Großansicht!
Die Route "Bocconi Amari" . Klicken Sie für eine Großansicht!

Italien ist zwar das Land des Gelati, aber wir staunten nicht schlecht als wir den Bericht von einer aussergewöhnlichen und einzigartigen alpinen Mixedroute "Bocconi Amari-Bittere Pillen" durch das "Schwarze Triangel" der Monte Emilius Nordwand erfuhren.

Die bekannten italienischen Bergsteiger und Eiskletterer Rossano Libera und Ezio Marlier hatten volle zehn Jahre auf die notwendig guten Verhältnisse gewartet. Dünnste Eisglasuren und schwierige Mixedkletterei, mit Kletterei im Schwierigkeitsbereich WI 6 und M7 im hochalpinen Gelände, zählt die Route zu den schwierigsten dieser Kategorie. Lange Runouts, psychisch sehr anspruchsvoll und ohne Bohrhaken dass alles in grosser Abgeschiedenheit.

Die Schlagzeilen machten uns neugierig. Genau das wonach wir gesucht hatten, es sollte ja ein zünftiger Winterauftakt werden. Dank dem "Highspeedinternetzeitalter" waren wir auch gleich vor Ort, die Erstbegehung war gerade mal zwei Wochen alt, und als wir in der Morgendämmerung am Einstieg standen und die Linie aus der Nähe zu begutachten, bemerkten wir, dass schon wieder merkbar Eis abgeschmolzen war. Fast nicht zu glauben da der Einstieg knapp an der Dreitausedergrenze liegt. Auf den Bildern der Erstbegeher war aber eindeutig mehr Eis zu sehen.

Anspruchsvolle Mixedroute in Eis und Fels. Klicken Sie für eine Großansicht!
Anspruchsvolle Mixedroute in Eis und Fels. Klicken Sie für eine Großansicht!

Tibet oder Italien?

Mit einem etwas mulmigen Gefühl machten wir uns trotzdem an die Arbeit. Mit der ersten Seillänge vergasen wir alles um uns herum. Anspruchsvolle Mixedkletterei, heikle Absicherung, in einer Alpenlandschaft die uns eher an Tibet erinnerte. Wie verschieden doch die Alpen in ihren Jahreszeiten und Regionen sind!

Wenn man glaubt nur noch auf Expeditionen am "Ende der Welt" das grosse Abenteuer zu finden, dem sei diese Tour wärmstens empfohlen.

Mit dem letzten Tageslicht ereichten wir den Ausstieg der 400 Meter langen Route auf den messerscharfen Grat. Anders als die beiden Italiener die von hier nach 12 Stunden Kletterei wieder hinunter abgeseilt waren, wollten wir die komplette Überschreitung über den Gipfel und zurück hinunter zum Pass mit der urigen Biwakschachtel versuchen, was bei den winterlichen Verhältnissen in der Nacht noch eine recht spannend Angelegenheit wurde.

Berge gibt es wie Sand am Meer und ein Leben reicht zum Glück nicht aus um alle Gipfel der Alpen zu besteigen, so hatten wir uns aber auch vorgenommen dass unser Weg über den Gipfel des Monte Emilius führen sollte, wer würde denn schon ein zweites mal hier her zurück kommen, und der Gipfel ist eben die Krönung einer tollen Tour!

Es lohnt sich!

400 Meter hinauf bis zum messerscharfen Grat. Klicken Sie für eine Großansicht!
400 Meter hinauf bis zum messerscharfen Grat. Klicken Sie für eine Großansicht!

Steile verschneite Grataufschwünge, ein nicht enden wollender Grat. Im Stirnlampenkegel suchen wir unseren Weg. Die Lichter von Aosta funkelten weit unten in der Ferne, die Silhouetten von Mont Blanc und Matterhorn hoben sich von den anderen Bergen im Mondlicht ab. Traumtour!

Nach 16 Stunden endlich wieder die Biwakschachtel. Wir hatten unsern eigenen Kreis gezogen und wieder geschlossen. Ein tolles Abenteuer an einem völlig unbekannten Gipfel, wunderbar!

Uns wurde einmal mehr bewusst, dass das Abenteuer auch heutzutage noch direkt vor unserer Haustür in den Alpen zu finden ist. Es sind meist nicht die grossen Berge mit berühmten Namen. Wer aber nach dem eigentlichen Erlebnis sucht, der wird hier fündig. Und gerade auch für die junge Generation der Alpinisten sollte das, so meinen wir, viel Ansporn sein, einfach in die Berge vor der Haustür loszuziehen. Es lohnt sich!

Toureninfo:

Geschafft: Jasper und Schäli am Monte Emilius erfolgreich.
Geschafft: Jasper und Schäli am Monte Emilius erfolgreich.

Italien, Valle´d Aosta, Monte Emilius 3559 Meter, "Triangolo Nero - Das Schwarze Dreieck"

Route: "Bocconi Amari - Bittere Pillen" ; 400 Meter

Erstbegehung: Rossano Libera und Ezio Marlier (I) am 26.10.2006

2. Begehung: Roger Schäli (CH) und Robert Jasper (D) am 07.11.2006

Eis & Mixed: WI6 / M7

E- Skala: E 3/4.

Routeninfo: " Bocconi Amari" Einstieg- Gratausstieg (400m) 10- 12 Std.

Abseilstände nur vereinzelt vorhanden, recht zweifelhafte Qualität!

Überschreitung: Weiterer Aufstieg über NO-Grat, mixed und Fels und Abstieg über West, dann Nordgrat (Klettersteig) zurück zum Col Federigo ca. 6 Std.

Material: 60m Doppelseil, Eis & Mixedausrüstung, 2 kurze und 1 lange Eisschraube, 1 Eishook, ein paar Haken und Messerhaken, 1 Satz Rocks, 1 Satz Friends, lange Schlingen.

Zustieg: Von Aosta Stasse nach Skistation Pila oberhalb Aosta bis Parkplatz an der Gipfelstation. Von hier Zustieg über Bergwege, Chamolé zum Clo Fenetre. Abstieg ins Comolé Tal. Dann Aufstieg zum Col Federigo. Biwakschachtel Federigo 2907m auf dem Pass. (3/4 Stunden von Pila).

Abstieg von der Biwakschachtel (Decken, aber kein Kocher vorhanden!!) ins Arpisson Tal über wegloses Geröll und Schneefelder zum Wandfuss. Einstieg in die Nordwand am Triangolo nero, am rechten Rand des "Schwarzen Felsdreiecks" ca. 1 ½ Std. vom Biwak.

Über versteckten Gully (50°) ca. 100 Meter hinauf, dann leicht links haltend und gerade über Mixedgelände immer dem logischen und leichtesten Weg folgend hinauf.

Text: Robert Jasper

Auswahl weiterer Artikel zu Robert Jasper auf alpin.de:

Weitere Informationen zu den Alpinisten:

www.klettertraum.ch (Roger Schäli)