Eiger Award 2010

Die Laudatio für Marko Prezelj von Bene Benedikt

Dragi Marko, Imam samo nekaj minut casa da te pohvalim. To je težko.

Die Laudatio für Marko Prezelj von Bene Benedikt

Lieber Marko,

ich habe fünf bis sieben Minuten Zeit, dich zu loben. Das ist schwierig.

Keine Sorge, sehr geehrte Damen und Herren jeder Zunge,

I won't proceed in slovenian, neither in Englisch, sondern auf Deutsch. Denn wir sprechen und verstehen zu wenig Slowenisch, die Sprache des schönen Landes am Ostrande der Alpen, um Marco Prezelj angemessen zu ehren.

Marco kommt aus Kamnik, einer kleinen Stadt zwischen Ljubljana und Klagenfurt, wo man die Gipfel vom Fenster aus sehen kann - das ist schön, ein permanenter Lockruf der Berge. Marco wurde dort geboren, am 13. Oktober, vor 45 Jahren, und unternahm mit sieben Jahren die ersten Touren mit seinem Vater. Mit 17 begann er "with a real alpinism". In Kamnik gibt es genug Möglichkeiten, denn "kamen" heißt auf Deutsch "Stein".

Stein - das passt zu Marko. Denn du bist kein Leichtgewicht, du gehst deinen Weg, ohne dich beirren zu lassen. Wie sagt Hermann Hesse über seinen Siddharta: "Sein Ziel zieht ihn an sich, denn er läßt nichts in seine Seele ein, was dem Ziel widerstreben könnte." Mit Zitaten von Hesse muss man sehr vorsichtig sein, aber da du im Siddarta-Verlag in Ljubiljana publizierst, geht das.

In deinen Worten liest sich das so: "Die Herausforderung beim Klettern ist der Fluss der Entscheidungen (the decision-making process), genährt von Zweifel und Unsicherheit." Gehen wir kurz mit dir an den Cerro Standhardt in den Schneepilz, nehmen wir mit dir den Pickel in die Hand und hören dir zu: "breathe, brush away the snice, swing, doubt, swing, commit, move on …"

Aber du bist kein Alleingänger, du bist kein Draufgänger. Offenbar kennst du deine so oft erkundeten Grenzen ganz genau, sonst wärest du nicht hier. Sonst könntest nicht du erzählen, dass du 2006 den ersten Sturz im Vorstieg seit zehn Jahren erlebtest. Das Enchaînement über den El Mocho zum Cerro Torre glückte dennoch.

Deine Routen sind schwer, sind gefährlich. Sie sind dein Werk, deine Idee, dein Leben. Viele Erstbesteigungen und Erstbegehungen sind dabei. Berühmt gemacht haben dich 1992 die Erstbesteigung des 7181 Meter hohen Melungtse in Tibet über die 2000-Meter-Südost-Wand und, im Jahr davor, eine neue Route zum Kangchendzönga-Südgipfel (8476 m).

Von links nach rechts: ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt, Jury-Mitglied Michi Wärthl, Jury-Mitglied Stephan Siegrist, Preisträger Marko Prezelj.
Von links nach rechts: ALPIN-Chefredakteur Bene Benedikt, Jury-Mitglied Michi Wärthl, Jury-Mitglied Stephan Siegrist, Preisträger Marko Prezelj.

Du warst damals 26 Jahre alt und unterwegs mit dem 35-jährigen Landsmann Andrej Štremfelj. Für eure Leistung, eine neue Route im Alpinstil an einem 8000er, erhieltet ihr 1991 als erste den "Piolet d'Or". Štremfelj war wohl dein Mentor, jedenfalls weißt du seit der Expedition mit ihm, wie man einen Rucksack packt. Den Trick hast du 1992 auf einem Vortrag in München verraten: Jeder packt den Rucksack des anderen. Soll heißen: einer teilt die gemeinsamen Ausrüstungsgegenstände und der andere wählt. So trägt keiner mehr als notwendig - und keiner weniger als der andere.

Die Partnerschaft am Berg ist dir wichtig. Deine Partner wechseln, finden sich manchmal erst am Berg, Konflikten gehst du nicht aus dem Weg. Über den Zoff am Cerro Torre hast du geschrieben. Das ist heftig kritisiert worden, aber deine Antwort war nur: "Entweder ich bin offen und ehrlich, oder ich lasse es ganz bleiben."

Klingt gut, stimmt aber nicht ganz. Du weißt auch, wann man blufft: Wenn ein Partner nicht ganz so stark ist wie du - vor allem nicht so willensstark -, dann kann es sein, dass du ihm im Angesicht des Gipfels vorschlägst: "So, wir haben die schwierigen Stellen hinter uns. Jetzt können wir umdrehen." Was wird der Partner sagen: "Wohl verrückt geworden? Natürlich gehen wir rauf!"

So hast du 2006 Boris Lorencic zum Endspurt auf den Chomo Lhari angefeuert. Das ist ein besonderer Berg für dich. Diese wunderschöne Pyramide liegt in Bhutan, ist 7350 m hoch und heißt auch "Braut des Kandchenzönga" - verweist also auf den 8000er mit deiner Neutour. Du bist ihm erstmals 1996 begegnet, in einem Buchladen in Kathmandu. Damals konntest du nur humpeln, nachdem eine Eislawine deinen Knöchel zertrümmert hatte. Der schmerzt immer noch, aber du sagst: "Der Schmerz ist ein Teil von mir geworden. Und je weniger ich dran denke, desto weniger tut es weh." Keine gute Erfahrung. - Nein, auch nicht richtig. Deine Einstellung ist: "Können Erfahrungen überhaupt schlecht sein?"

Dabei weißt du genau, wie verschieden Empfindungen sind: "On the same ascent, each person's story plays out like a separate movie." Daher hast du den Piolet d'Or erst entgegengenommen und dann kritisiert, denn: "Verlierer sind unglaubwürdig." Was dich störte? Dass es nicht um Tatsachen gehe, sondern um Geschichten. Und dass es sinnlos sei, Anstiege zu bewerten, denn: "Every climb is unique." Das verstehe ich - aktuelles Beispiel: der Wettlauf der 8000er-Damen.

Deine Gipfel-Liste ist in fünf Minuten nicht vorzulesen, aber deine Berichte erzählen viel von dir: "Wenn es einen Schatten der Angst gab, so vergass ich ihn in der Konzentration auf die Bewegung und im vollen Gefühl des Glücks. Als mein Sohn seine ersten Schritte machte, schrie er vor Begeisterung. Diesen ursprünglichen Enthusiasmus müssen wir uns im Unterbewusstsein bewahren!"

Und genau diese flammende Begeisterung, lieber Marko, dragi Marko, mögest du dir immer erhalten - auch für uns!

Herzlichen Glückwunsch zum Eiger Award 2010!

Bene Benedikt