Acht Monate Haft auf Bewährung

Fahrt ins Verderben?

Ein Südtiroler Bergführer wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er eine Lawine auslöste: Wie "riskant" ist das Skifahren und Tourengehen in Italien?

Fahrt ins Verderben?

Risiko Lawine: Der Südtiroler Bergführer Kuno Kaserer hat mehr Angst vor dem Kadi als vor dem Lawinen-Bulletin (PEAK in ALPIN 12/05, siehe auch Interview mit Kaserer in PEAK 02/06): Nachdem Kaserer bei einer Variantenabfahrt ein Schneebrett auslöste, war er verhaftet worden. Damit müssen in Italien alle Skifahrer rechnen, egal, welche Folgen eine Lawine hat. Schlimmer noch: Auch wer in Pistengebieten auf Varianten unterwegs ist, muss mit Repressionen von Seiten des Liftpersonals oder sogar der Carabinieri rechnen.

Kaserer wurde zunächst freigesprochen, in zweiter Instanz jedoch zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Berufungsgericht in Rom bestätigte den Urteilsspruch, obwohl zwei der drei Gutachter sein Tun nicht als riskant angesehen hatten.

Fakt bleibt, dass er (obwohl nur indirekt) eine Lawine ausgelöst hat. Fakt ist auch, dass niemand zu Schaden kam.

Zweifel an der Kompetenz der Justiz

Die Reaktionen auf das Urteil waren in Südtirol, aber auch in den anderen Alpenländern überaus heftig. Der Sterzinger Bergführer Hanspeter Eisendle fand harte Worte: "Man kann auch Unrecht tun, wenn man sich auf Recht und Gesetze beruft." Etliche seiner Kollegen, vor allem auch ehrenamtliche Tourenleiter kündigten an, in den Südtiroler Bergen keine Skitouren mehr zu führen – die Materie ist zu heiß! Skifahren abseits der Piste? Das sagen die Profis Die Zweifel, die an der juristischen Kompetenz und am alpinen Sachverstand der beteiligten Richter und Staatsanwälte laut wurden, sind nebensächlich. Es wurde ein Präzedenzfall geschaffen, und solange Italien seine Gesetze nicht an europäisches Recht angleicht, sind diese zu beachten!

Wobei Besonnene darauf hinweisen, dass das Urteil wohl in erster Linie gegen Variantenfahrer gerichtet sein soll, die in Pistennähe Unheil anrichten. Da gab es vor drei Jahren eine Lawine in Sölden, bei der ein vierjähriger Bub getötet wurde. Der Skifahrer, der sie ausgelöst hatte, als er in eine Rinne über der Piste einfuhr, war nicht zu ermitteln. Fahrerflucht in den Bergen – kein Kavaliersdelikt!

Bergführer Eisendle bringt die Konsequenzen für Skibergsteiger auf den Punkt: "Ich werde mich noch weiter abseits skitouristischer Strukturen und gängiger Modetouren bewegen."

Juristische Gefahren in allen Alpenländern

Also: entweder Skitouren fernab von allen anderen Menschen oder aber Variantenfahren, dann aber mit extremer Vorsicht, um nur ja keinen anderen zu gefährden. Für Vernünftige, die den Lawinenlagebericht im Hinterkopf haben, dürfte das Risiko nicht allzu groß sein, zumal gängige Varianten als relativ sicher gelten können, so Dr. Stefan Beulke, der Justiziar des Deutschen Alpenvereins. Denn in viel befahrenen Hängen ist der Schneedeckenaufbau stärker verdichtet als im freien Gelände und es können sich nur geringe Gefahrenpotenziale aufbauen. Skifahren abseits der Piste? Das sagen die Profis Dennoch bleiben juristische Gefahren. Dr. Andreas Ermacora, der Justiziar des Österreichischen Alpenvereins, betont, dass in allen Alpenländern Skifahrer angeklagt werden, wenn sie eine Lawine auslösen, durch die Menschen zu Schaden kommen – auch wenn dies fahrlässig geschah.

Mit einer Verhaftung (wie bei Kaserer) ist hierzulande jedoch nicht zu rechnen, auch ein Urteil wie gegen den Südtiroler ist unwahrscheinlich. Denn es darf in den Bergen nicht soweit kommen, dass man sich "dünne macht", wenn man eine Lawine auch nur sieht. Im Gegenteil: Jeder sollte sofort zu Hilfe kommen, erst an die Menschen, dann an die Paragrafen denken!