"Diese Chance hat man vielleicht einmal im Leben"

Interview mit Ueli Steck

Ueli Steck hat mit seiner erfolgreichen Durchsteigung der Annapurna-Südwand für den alpinistischen Paukenschlag 2013 gesorgt. Manch einer sieht in dem 28-Stunden-Solo des Schweizers sogar schon eine neue Dimension des Höhenbergsteigens. Während die Fachwelt noch die Meisterleistung des 37-Jährigen feiert, denkt Steck offen darüber nach, es in Zukunft etwas ruhiger angehen zu lassen. Wir haben die Gelegenheit genuzt, dem Berner fünf Fragen zu stellen.

Interview mit Ueli Steck
Die Cola danach: Ueli Steck nach seinem 28 stündigem Solo an der Annapurna (Foto: PatitucciPhoto / uelisteck.ch)
Die Cola danach: Ueli Steck nach seinem 28 stündigem Solo an der Annapurna (Foto: PatitucciPhoto / uelisteck.ch)

28 Stunden alleine und ungesichert in extremen Absturzgelände. Wie gehst Du mit der Situation um? Hast Du eine Methode, um die enorme Anspannung in den Griff zu bekommen?

Für mich ist das mittlerweilen eine sehr gewohnte Situation. Ich habe das so oft gemacht, dass es eigentlich nichts Neues ist. Ohne diese Routine währe das auch nicht möglich. Ich versuche mich immer auf`s Wesentliche zu konzentrieren. Ich mache mir auch keinen Druck. Ich gebe mir immer die Freiheit umzudrehen wenn ich will.

Sobald ich mich nicht mehr wohl fühle, mache ich das auch. Habe ich schon hunderte Male gemacht. Ganz einfach. Ich hatte jeder Zeit die Möglichkeit umzudrehen! Aber so lange ich mich sicher fühle beim Klettern, drehe ich nicht um. Das ist ein ganz einfacher Mechanismus und bei mir funktioniert das ganz gut. Aber es ist mir auch bewusst: jeder Schritt kann der letzte sein. Also muss ich mich konzentrieren.

Woran hast Du gedacht, als Du in der Gletscherspalte auf ein Abflauen des Windes gewartet hast? Nur an die Route, an das, was dich noch erwarten wird? Oder schweifen die Gedanken auch mal ins Private ab?

Nein, ich bin voll und ganz in der Wand. Es existiert nur noch Ueli Steck und der Berg. Ich überlege nichts mehr. Ich werde total zum Egoisten in dem Moment. Nur so kann ich klar kommen. Sonst würde ich die Nerven verlieren. Ich werde sehr rationell.

Ein Gipfelfoto fehlt, da Du deine Kamera während des Aufstiegs verloren hast. Angst davor, dass dies "Experten" auf den Plan rufen könnte, die Deine Leistung anzweifeln?

Ich habe die Annapurna-Südwand bestiegen, weil ich das wollte - für mich alleine! Wieder ganz egoistisch. Jeder hat die Freiheit, seine Meinung zu haben. Ich habe einen Fehler gemacht, denn meine Kamera ist mir runter gefallen. Das war schlecht. Ich habe mich in dem Moment noch viel mehr geärgert, dass ein Handschuh weg war. Und die Situation hätte durchaus tödlich enden können, wenn der Spindrift eine Lawine gewesen wäre.

Seit der Everest Geschichte wäre ich am liebsten aus der Öffentlichkeit abgetaucht. Ich gehe einfach für mich Bergsteigen das ist was mir Spass macht. Die Zeit in der Wand, meine Erlebnisse da oben - niemand kann mir das Wegnehmen. Erlebnisse können nie mit Bilder ersetzt werden. Das ist das Schöne.

Nun, jetzt ich bin zur öffentlichen Person geworden das muss ich akzeptieren. Leute wollen wissen, was ich mache. Ich kann auch nichts verheimlichen. Will ich auch nicht. Ich kann einfach nur sagen, wie es war. Es braucht aber grundsätzlich niemand darüber zu schreiben. Es waren insgesamt fünf Personen im vorgeschobenen Basislager. Sie konnten mich beobachten. Ich denke das ist doch sehr entscheidend.

Ich war nicht einfach irgendwo ganz alleine unterwegs. Von da kann man sehr gut erkennen was ich mache. Man kann viel Manipulieren im Leben das ist so. Mit dir selber kannst du aber nicht unehrlich sein. Das weiss du. Es wird dich ein Lebenslang verfolgen! Du wirst zu Grunde gehen dabei. Zumindest mir würde das so gehen!

Auf was hast Du dich nach diesem alpinen Parforceritt eigentlich am meisten gefreut?

Auf zu Hause, mein weiches Bett und am nächsten morgen der Café der aus der Mokka sprudelt. Und jetzt freue ich mich erstmal wieder etwas am Fels rumzuhängen!

"Mehr kann ich als Bergsteiger gar nicht mehr erreichen" hast Du in einer ersten Reaktion nach deiner Rückkehr gesagt. Hast Du die Befürchtung - ähnlich wie Steve House nach Durchsteigung der Rupalwand 2005 - fortan nur noch an dem Annapurna-Solo gemessen zu werden?

Das ist Ok. Ich kann das gerne akzeptieren. Ich bin mir auch bewusst wieviel Glück ich hatte mit dieser Besteigung. Diese Chance hat man vielleicht einmal im Leben. Also ist das auch gut so. Ich bin an einem Punkt, wo ich weiss, dass ich lernen muss etwas kürzer zu treten.

Es kann nicht immer mehr und mehr gehen. Das endet tödlich. Ich weiss wie ausgesetzt mein Leben war in den letzten Jahren. Es macht irgendwann sinn das ganze etwas zu beruhigen. Annapurna ist ein guter Grund. Das heisst nicht ich höre auf mit Bergsteigen. Aber vielleicht einfach etwas anders.....

Interview: Wolfgang Dengler / alpin.de