Nordwand des Likhu Chuli (6.719m) in Nepal gemeistert

Ines Papert holt sich Erstbesteigung - und Erfrierungen

Kalt war`s am Likhu Chuli. So kalt, dass Ines Papert die geglückte Erstbesteigung der Nordand des Himalaya-Sechstausenders wohl nicht so schnell vergessen wird. Schließlich trugen die Extrembergsteigerin und ihr Seilpartner Thomas Senf bei der Begehung Erfrierungen 2. Grades davon. Ihren ursprünglichen Plan, den 6.487 Meter hohen Tengkangpoche auf einer neuen Route zu besteigen, hatten die beiden Alpinisten bereits vorher begraben.

Ines Papert holt sich Erstbesteigung - und Erfrierungen
Verdammt Steil: Ines Papert in der Nordwand des Likhu (Foto: visualimpact.ch | Thomas Senf).
Verdammt Steil: Ines Papert in der Nordwand des Likhu (Foto: visualimpact.ch | Thomas Senf).

Aufgrund einer Schulterverletzung nach einem Sturz bei einer Erstbegehung in Marokko musste sich Ines Papert im Frühjahr einer Operation unterziehen und drei Monate pausieren. Die Aussicht auf eine Himalaya-Expedition im Herbst motivierten die 39-jährige Profialpinistin jedoch in der Reha- und Trainingsphase.

Ende Oktober reiste Ines Papert in Begleitung von Thomas Senf (Alpinfotograf und Bergsteiger aus Interlaken, Schweiz) und Hans Hornberger (Kameramann aus Bayerisch Gmain, Deutschland) ins Khumbu-Valley mit dem Plan den 6.487 Meter hohen Tengkangpoche auf einer neuen Route durch die Nordwand zu besteigen. Die favorisierte Linie versprach jedoch wegen geringem Eis wenig Erfolg. Ein Ausweichen auf eine andere Linie an diesem Berg kam wegen massiver Hängesercas im Gipfelbereich und einem damit verbundenem hohen objektiven Risiko nicht in Frage.

Während einer Besteigung des 6.178 Meter hohen Pharchamo Peak zu Akklimatisationszwecken musste die Idee, diesen Berg mit dem Gleitschirm zu verlassen, aufgrund hoher Windgeschwindigkeiten aufgegeben werden. Einige Tage später konnten die Alpinisten jedoch ihren ersten Himalayaflug von einem weniger hohen Gipfel realisieren.

Bibbern im Biwak: Thomas Senf und Ines Papert (visualimpact.ch | Thomas Senf).
Bibbern im Biwak: Thomas Senf und Ines Papert (visualimpact.ch | Thomas Senf).

Bald entstand die neue Idee, den Likhu Chuli I über seine Nordwand anzugehen. Laut Mingma Sherpa, welche die Pharchamo View Lodge am Fuße des Tengkangpoche betreibt, galt dieser Gipfel noch als unbestiegen. Weitere Datenbank-Recherchen im Internet bestätigten diese Aussage vorerst. Als schließlich auch Meterologe Charly Gabl aus Innsbruck für die Tage zwischen 11. bis 14. November keine Niederschläge und relativ günstige Windbedingungen voraussagte, wurde der Plan konkret.

Am 11. November gelang es Ines Papert und Thomas Senf bei sehr guten Bedingungen etwa 1.800 Höhenmeter, davon die Hälfte seilfrei, zu klettern. Der Ausstieg aus der Nordwand gestaltete sich jedoch durch eine schier unüberwindbare Gipfelwechte äußerst schwierig.

Meterhoher Pulverschnee und die beginnende Dunkelheit waren der Grund dafür. Nur weniger Meter unterhalb des Ausstiegs mussten Papert und Senf biwakieren. Es folgt eine bitterkalte, überaus unbequeme Nacht auf einem winzigen Schneeband in der ansonsten 70 Grad steilen Wand.

An einen Rückzug wollten die Bergsteiger an dieser Stelle nicht mehr denken. Immerhin war das Duo "leicht", also im Alpinstil unterwegs und somit wäre ein Rückzug mangels Material äußerst schwierig geworden. Im Tageslicht fanden die beiden mit Hilfe der Anweisungen von Hans Hornberger, welcher die Begehung vom Wandfuß aus filmerisch dokumentierte, einen machbaren Weg durch die Wechte. Wenig später standen sie auf dem 6.660 Meter hohen Vorgipfel des Likhu Chuli I.

Rote Linie: Die Route der Erstbesteigung am Likhu Chuli (visualimpact.ch | Thomas Senf).
Rote Linie: Die Route der Erstbesteigung am Likhu Chuli (visualimpact.ch | Thomas Senf).

Unterhalb des abschließenden Gipfelgrates fanden Papert und Senf schließlich einen geeigneten Zeltplatz für eine zweite Nacht am Berg. Am nächsten Morgen erwies sich der Grat bei näherer Betrachtung allerdings als nicht kletterbar. Zu viel Neuschnee! Stattdessen traversierten sie durch die Nordwand zur Westflanke.

Bei extremer Kälte und starkem Wind musste das Duo erneut für ein paar Stunden Schutz im Zelt suchen. Bei Thomas Senf zeichneten sich bereits erste Erfrierungserscheinungen an den Zehen ab, weshalb der Schweizer beschloss, auf den Gipfel zu verzichten, obwohl dieser schon zum Greifen nah war.

Thomas Senf: "Wäre ich an dieser Stelle weiter geklettert, hätte ich schwere Erfrierungen riskiert. Umso mehr freute ich mich über Ines Entschluss alleine zum Gipfel aufzubrechen. Hätte sie mir zuliebe verzichtet, wäre das sehr schade gewesen."

Gegen Mittag machte sich Ines Papert bei weiterhin heftigem Wind auf den Weg. Der Bergschrund war auch im Alleingang zu überwinden, die Kletterei über die 50 - 70 Grad steile Westflanke relativ problemlos seilfrei zu bewältigen. Gegen 14 Uhr erreichte Papert schließlich den Gipfel.

"Ein überwältigender Moment, als erster Mensch seinen Fuß auf einen Himalaya-Gipfel zu setzen. Aber ganz große Freude wollte nicht aufkommen. Ich hätte mir so gewünscht, diesen Moment mit Thomas teilen zu können. Außerdem setzten mir die Kälte und Höhe zunehmend zu."

Abflug: Ines Papert frönt ihrer neuen Leidenschaft (visualimpact.ch | Thomas Senf).
Abflug: Ines Papert frönt ihrer neuen Leidenschaft (visualimpact.ch | Thomas Senf).

Nach einer weiteren Nacht im Zelt traten Papert und Senf den Abstieg über die Westschulter des Berges an und erreichen am 14.11.2013 gegen 14 Uhr das ABC. Beide Bergsteiger erlitten Erfrierungen 2. Grades, weshalb die Expedition vorzeitig beendet wurde.

Ines Papert dazu: "Nie hätte ich geglaubt, dass sich Erfrierungen so schleichend abzeichnen können. Wir haben zwar während unserer Begehung gefroren wie noch nie, aber auch erste Anzeichen sehr ernst genommen. Die Heilung von Fingern und Zehen wird jetzt einige Zeit in Anspruch nehmen."

Der aufwändigen Recherchearbeit von Billi Bierling, welche für die Himalaya-Chronisten Elizabeth Hawley in Kathmandu tätig ist, ist es zu verdanken, dass Paperts Erstbesteigung am Likhu Chuli I nun auch amtlich ist. Ein französisches Team unter der Leitung von Robert Sandoz hatte zwar am 21. Oktober 1960 einen Erfolg am Likhu Chuli I vermeldet. Jedoch konnte über Bildmaterial und vorliegende Routenbeschreibungen eindeutig bewiesen werden, dass das französische Team auf dem Likhu Chuli II stand.