Bergschule

So klettern Sie sicher im Eis

Eis ist launisch, verändert ständig seine Beschaffenheit. Da ein Eisfall nie gleich ist, verlangt dies von Eiskletterern eine ordentliche Portion an Kreativität. ALPIN-Experte Robert Jasper sagt Ihnen, woran Sie erkennen, wann Sie einsteigen können.

So klettern Sie sicher im Eis
Beides ist schwierig abzusichern: Blumenkohleis (vorne) und Röhreneis (hinten).
Beides ist schwierig abzusichern: Blumenkohleis (vorne) und Röhreneis (hinten).

Ohne Frost kein Eis! Die Temperatur ist der wichtigste Faktor bei der Bildung von Eis. Dabei gilt es aber, nicht nur die Temperatur am Tag der Tour, sondern auch die mehrerer Tage zuvor im Auge zu haben.

Der Temperatureinfluss auf das Eis ist verzögert. War es lange Zeit sehr kalt (minus 15 Grad und darunter) und ist es dann am Tag der geplanten Tour ideal (knapp unter 0 Grad), so wird das Eis immer noch sehr spröde und splittrig sein. Erst nach mehreren Tagen oder einem größeren Temperaturanstieg wird es weicher.

Man hat die besten Verhältnisse bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Tagsüber minimal darüber, und nachts deutlich im Minusbereich. Dann ist das Eis elastisch, splittert nicht und schon mit dem ersten Schlag sitzt das Gerät sicher im Eis. Eisschrauben lassen sich setzen wie in Butter.

Noch passt alles: Robert Jasper setzt sein Eisgerät in den frei hängenden Zapfen.
Noch passt alles: Robert Jasper setzt sein Eisgerät in den frei hängenden Zapfen.

Taut das Eis tagsüber auf der Oberfläche an und wird nass, ist es optimal. Wichtig ist aber, dass die Nachttemperaturen das komplette Antauen und das damit verbundene Ablösen des gesamten Eisfalles vom darunter liegenden Untergrund verhindern, da sonst der komplette Einsturz die Folge sein kann. Auch Föhn ist sehr gefährlich! Warmer Wind taut Eis sehr schnell und innerhalb nur weniger Stunden kann es gefährlich werden.

Ein tonnenschwerer Eiszapfen kracht in die Tiefe

Welch gravierende Auswirkungen die Temperatur auf die Eisverhältnisse und die damit verbundenen Gefahren hat, zeigt mein Erlebnis in „Flying Circus“, M10 (Berner Oberland). Nachdem mir der Rotpunktdurchstieg der Route gelungen war, kam ich einige Tage später wieder, um die Kletterei zu fotografieren.

Auweia: Der gesamte Zapfen hat durch den Schlag mit dem Eisgerät einen Riss bekommen.
Auweia: Der gesamte Zapfen hat durch den Schlag mit dem Eisgerät einen Riss bekommen.

Die Bedingungen waren meiner Meinung nach noch besser geworden. Es war etwa zwei Grad wärmer als die Tage zuvor geworden. In den ersten zwei Seillängen, den Schlüsselseillängen, bestätigte sich mein Eindruck. Als ich den riesigen, tonnenschweren Eiszapfen des Ausstiegs hinaufkletterte, krachte er völlig unerwartet in die Tiefe. Der Zapfen, der bei der Rotpunktbegehung gehalten hatte, war durch die minimale Erwärmung schwerer geworden. Das Eigengewicht war nun so groß geworden, dass ich mit einem leichten Schlag das ganze Gebilde abgesprengt habe.

Zum Glück sitzt die letzte Sicherung weiter rechts und nicht im Zapfen - so hing Robert nach 15 Metern im Seil.
Zum Glück sitzt die letzte Sicherung weiter rechts und nicht im Zapfen - so hing Robert nach 15 Metern im Seil.

Von Milch und Blumenkohl

Das könnten Sie gebrauchen. Profi-Eistools. Klicken Sie für eine Großansicht!
Das könnten Sie gebrauchen. Profi-Eistools. Klicken Sie für eine Großansicht!

Die Beschaffenheit des Eises lässt sich gut an dessen Farbe erkennen. Weißes, milchiges Aussehen deutet auf nasses, mehrmals aufgetautes und sehr weiches Softeis hin. Was zum Klettern noch einigermaßen geeignet ist, bietet oft keine zuverlässigen Sicherungsmöglichkeiten.

Weiß oder heller als das übrige solide blaue Eis schimmern auch Schneeeinschlüsse, die nach größeren Neuschneefällen vom sich neu bildenden Eis überwachsen werden. Ist die darüber gewachsene Schicht noch nicht dick genug, verbirgt sich darin eine große Gefahr. Sie kann, mit dem Kletterer, schneebrettartig abbrechen. Außerdem kann in diesem Eis nicht zuverlässig gesichert werden.

Ebenso unangenehm ist das Blumenkohleis, das sich wie Lamellen am Fuße von Säulen oder unter riesigen Felsdächern bildet. Von weitem schimmern diese Passagen eher weiß, hell und luftig, sie versprechen aber unangenehme Hookerei mit schlechter Absicherung.

Prinzipiell ist zu sagen, dass helles, weißes Aussehen auf Schnee, Lufteinschlüsse und Röhreneis, also auf schlechte Substanz schließen lässt und recht unangenehm zu klettern ist. Blaues Eis ist solide und kompakt. Noch hellblau, ist das Eis nass und im Wachsen begriffen, wasserüberronnenes Kompakteis mit wenig Lufteinschlüssen ist das perfekte Eis.

Text: Robert Jasper