Produkttest Klettersteig-Sets 2013

TÜV: Prüfhaus auf Abwegen?

Ein Test an einem zertifizierten Institut sorgt für Klarheit! Sollte man meinen. Schließlich gehen wir nicht umsonst mit unseren Test zu unabhängigen Instituten, um verlässliche Werte zu erhalten. Aber das ist nicht immer so: Bei unserem Klettersteig-Test in der Mai-Ausgabe fielen bei unserem Test Produkte durch, die zuvor die Sicherheitsprüfung bestanden hatten - allerdings an einem anderen Institut!

TÜV: Prüfhaus auf Abwegen?
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Normalerweise beantwortet er Fragen, dieses Mal stellt er sie: ALPIN-Testredakteur Olaf Perwitzschky.
Normalerweise beantwortet er Fragen, dieses Mal stellt er sie: ALPIN-Testredakteur Olaf Perwitzschky.

Wie kann es sein, dass Prüfhaus 1 (Institut für Fördertechnik und Logistik an der Universität Stuttgart) einen deutlich höheren Wert für den Fangstoß misst, als ihn Institut 2 (Uni Wien bzw. TÜV Austria) gemessen hat?

Konkret geht es um das Klettersteigset Classic K-Spring (und Top Shell Spring) von Climbing Technology (CT): Der TÜV Austria bzw. bei der TVFA (Uni Wien, Institut für Fördertechnik) ermittelten für die Zulassung einen (normkonformen) Fangstoß von deutlich unter 6 kN. Erlaubt sind maximal 6 kN. Das IFT in Stuttgart ermittelte in unserem Auftrag einen Wert von bei 7,3 kN - weit über der Norm! Wir reden hier also nicht über eine Abweichung von wenigen Prozent, die immer mal sein kann. Und es handelt sich auch nicht um einen Einzelfall. Denn auch das von uns getestete Salewa Set Ergo Zip Modelljahr 2012 war ebenfalls in Wien zertifiziert, unsere beiden Textmuster kamen aber beim IFT auf einen Wert von 8,8 kN. Dieses Modell war allerdings so nie im Handel, daher zeigt unser Test nur die Version 2013 (mit normkonformen Werten).

Da Klettersteigsets einen Fangstoß von maximal 6 kN aufweisen dürfen, reden wir von einer Abweichung von fast 50 Prozent - zumal, wenn man davon ausgeht, dass das angesprochene Modell beim Test Wien (deutlich?) unter 6 kN lag. Wohlgemerkt bei der Prüfung ein- und desselben Modells an zwei unterschiedlichen Prüfstellen.

Ursache für die abweichenden Prüfergebnisse war wohl die Fixierung der Klettersteigsets auf dem Prüfstand mittels Seil. Dass aber ein Seil ein elastisches Verbindungsmittel ist, weiß jeder, der sich in der Materie ein wenig auskennt. In der Norm ist nicht festgeschrieben, wie die Fixierung zu erfolgen hat. Alle Beteiligten sind immer davon ausgegangen, dass die Fixierung schon aus Gründen der Reproduzierbarkeit statisch (also mittels Metallbolzen wie in Stuttgart oder mittels Kette) erfolgen muss. Und sich nun damit rauszureden, dass in der Norm nichts über die Art und Weise der Fixierung steht und damit jede Art der Fixierung normkonform sei, scheint uns etwas billig.

Im Jahre 2008 gab es nach Abweichungen bei Tests (u.a. dem ALPIN Test im Heft 03/2008) zwar einen Round Robin Test, einen Ringversuch, in dem sich die Prüfhäuser auf freiwilliger Basis einer Überprüfung stellten, um ihre Ausrüstung und Vorgehensweise anzugleichen. Aber: Die Anlage der Uni in Wien wurde in diesem Zuge nicht mit getestet. Warum konnte (oder wollte) uns niemand sagen.

Und so ist die Problematik auch nicht neu. Schon bei unserem Test 2008 kam das Salewa Set G2 Attac beim IFT in Stuttgart auf einen Fangstoß von 8,0 kN. 2010 haben wir für das Modell Stubai Ferrata Connection Flex einen Wert von 7,1 kN gemessen. Beide Sets sind in Wien zertifiziert worden. Bis zum Jahr 2013 hat es offensichtlich niemand für nötig gehalten, diesen Missstand nachzugehen. Das stellt man sich als Endverbraucher die Frage, wie so etwas im Dschungel der Vorschriften und Richtlinien sein kann. Laut Florian Hellberg von der DAV Sicherheitsforschung sei die Sicherheitsreserve bei Klettersteigsets im Vergleich zu vielen anderen sicherheitsrelevanten Produkten ohnehin nicht besonders hoch. Wenn dann noch so eine Abweichung bei den Prüfstellen hinzu kommt, wird der Spielraum für einige Produkte langsam eng.

Die von ALPIN in der Ausgabe 05/2013 veröffentlichten Werte für Klettersteigsets sind realistisch und reproduzierbar. Allerdings muss man Climbing Technology (CT), deren Set einen Fangstoß von 7,3 kN aufwies, insofern in Schutz nehmen, als dass sie für ihr Produkt eine gültige Baumusterprüfungen vorlegen konnten. Und genau wie bei Salewa erfüllen auch die Sets von CT in der 2013er Version die Prüfanforderungen (und zwar beim IFT in Stuttgart). Wir haben das im Nachklang zum Test nachprüfen lassen. In diesem Nachtest erreicht das Set von Climbing Technology einen Fangstoß von 5,1 kN bei einem Bremsweg von 1083 Millimetern. Interessante Randnotiz: Beide Klettersteigsets werden bei ein und demselben Produzent hergestellt: bei der Firma Teufelberger aus Österreich.

Einziger Lichtblick in der Angelegenheit: Der TÜV Austria prüft die Klettersteigsets inzwischen selber und gibt die Prüfung nicht mehr bei der TVFA (Uni Wien) in Auftrag. Mit dieser Umstellung hat sich auch die Fixierung der Klettersteigsets geändert (seit Februar 2013), wie uns der zuständige Ingenieur Karl Lueger versichert hat. Bleibt zu hoffen, dass in zukünftigen Test annähernd ähnliche Ergebnisse bei allen der fünf Europäischen Prüfhäuser erzielt werden.

Allerdings bleibt bei der ganzen Geschichte ein Frage offen: Was passiert mit all den Produkten, die in Wien vor der Umstellung der Prüfanlage zertifiziert wurden - und im Handel sind? Denn ein Fangstoß von 8,8 kN (oder mehr) liegt in einem Bereich, bei dem es langsam kritisch wird. Und solche Produkte sind im Umlauf!

Da gibt es Normen, Vorschriften und Richtlinien - aber ganz am Anfang der Sicherungskette, bei den Institutionen, die eben diese Normen überprüfen, scheint es massiv zu hapern. Zumindest bei einem! Das schafft kein Vertrauen in die Produkte.

Ach ja, eines noch: Liebe Hersteller und Produzenten: Die Norm ist eine Mindestanforderung. (Deutlich) besser zu sein als die Norm ist nicht verboten!

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