DAV legt neue Bergunfallstatistik vor

Historischer Tiefststand bei tödlichen Bergunfällen

Das Risiko, beim Bergsport tödlich zu verunglücken, war noch nie so gering. Die Rettungseinsätze zur Bergung unverletzter Wanderinnen und Wanderer sind dagegen deutlich angestiegen. Außerdem ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Bergsportunfällen immer häufiger sichtbar.

Bergsportrisiko so niedrig wie nie zuvor
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Quote für tödliche Unfälle auf Tiefststand

Insgesamt 71 DAV-Mitglieder sind in den Jahren 2016 und 2017 in den Bergen ums Leben gekommen. Das entspricht einem Rückgang um 28 % im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum. Die Quote für tödliche Unfälle ist damit für den aktuellen Berichtszeitraum die niedrigste seit Erstellung der DAV-Bergunfallstatistik in den 1950er Jahren. 

<p>Die Quote für tödliche Unfälle ist auf einem Tiefstand.</p>

Die Quote für tödliche Unfälle ist auf einem Tiefstand.

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Im gesamten Untersuchungszeitraum wurden 1878 Notfälle mit insgesamt 2433 Betroffenen gemeldet. Das entspricht - gegenüber dem Vegleichszeitraum der Jahre 2015 und 2016 - einer Steigerung sowohl bei den Notfälle als auch hinsichtlich der Betroffenen. In beiden Jahren ist die DAV-Mitgliederzahl jedoch stark angestiegen. Das bedeutet, dass sich das Risiko in einen Notfall zu geraten, um 2,7 % verringerte. 

Deutlich mehr Notfälle beim Wandern

Im Wandergelände kam es zu 558 Unfällen und Notlagen mit 751 beteiligten Alpenvereinsmitgliedern. Hauptursache waren, mit einem Anteil von 47 %, Stolpern, Umknicken oder Sturz.

<p>Hauptursache für Norfälle beim Wandern waren Stolpern, Umknicken oder Sturz.</p>

Hauptursache für Norfälle beim Wandern waren Stolpern, Umknicken oder Sturz.

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33 % aller Rettungseinsätze beim Wandern sind inzwischen auf Blockierungen (Rettungseinsätze zur Bergung unverletzter Wanderinnen und Wanderer) zurückzuführen. Dieser Anteil ist zum letzten Berichtszeitraum um die Hälfte gestiegen. 

Blockierungen sind Situationen, aus denen sich die Betroffenen nicht selbst befreien können, obwohl sie unverletzt sind. Etwa die Hälfte der blockierten Wanderer hatte die Orientierung verloren, in den meisten anderen Fällen spielte Erschöpfung eine große Rolle. 

Selbstüberschätzung und die falsche Tourenauswahl sind wahrscheinlich wichtige Faktoren, die zur deutlichen Steigerung der Blockierungen beim Wandern führen - zusammen mit dem Umstand, dass die Alarmierung der Rettungsdienste früher erfolgt als noch vor wenigen Jahren.

So wirkt sich der Klimawandel auf Bergsportunfälle aus

<p>Grafik: Quote der Unfälle und Blockierungen auf Grund von Einflüssen, die durch Klimawandel und Extremwetterlagen mit entstehen.</p>

Grafik: Quote der Unfälle und Blockierungen auf Grund von Einflüssen, die durch Klimawandel und Extremwetterlagen mit entstehen.

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Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Alpen und die Bergsportbedingungen zeigen sich seit Jahren und Jahrzehnten: Auftauender Permafrost, Häufung von Gewittern und niederschlagsreichen Extremwetterlagen, die wiederum zu Bergstürzen und Murenabgängen führen. 

Auf die Unfallzahlen der DAV-Mitglieder haben diese veränderten Bedingungen bislang keinen direkten Einfluss. Lediglich die gestiegenen Blockierungen durch Erschöpfung und Dehydrierung stimmen mit den Rekordsommern von 2003 und 2015 überein.

In einem Bereich ist der indirekte Einfluss des Klimawandels auf die Unfallzahlen jedoch sichtbar. Bei Hochtouren führt der Gletscher- und Firnschwund zu heiklen Geländeverhältnissen: Apere, schneefreie Gletscher sind schwerer zu begehen und bergen ein größeres Unfallrisiko. 

<p>Bei Hochtouren führt der Gletscher- und Firnschwund zu heiklen Geländeverhältnissen.</p>

Bei Hochtouren führt der Gletscher- und Firnschwund zu heiklen Geländeverhältnissen.

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Die erhöhte Zahl von tödlichen Mitreißunfällen im aktuellen Berichtszeitraum ist beispielgebend für diese Entwicklung. Mitreißunfälle passieren insbesondere an steilen und aperen Gletscherpassagen, wenn Bergsteigerinnen und Bergsteiger mit einem Seil verbunden sind und bei einem Sturz die anderen mitreißen. 

Bei einem besonders tragischen Unfall in den Zillertaler Alpen verunglückten im August 2017 sechs Alpenvereinsmitglieder, da ein Mitglied stürzte und alle anderen am Seil mit sich in den Tod riss.

Hitzesommer 2018

Die Veränderung der Bedingungen beim Hochtourengehen wird beim Blick auf den Hitzesommer 2018 deutlich: Der Rückgang des Permafrosts, apere Gletscher, Gletscherschmelze, Muren, Steinschläge und Bergstürze verändern das Hochgebirge und setzen Bergsportlerinnen und Bergsportler neuen Gefahren aus und erfordern von ihnen neue Strategien. 

<p>Am Biancograt sind Bergführer nur noch mit einem Gast unterwegs.</p>

Am Biancograt sind Bergführer nur noch mit einem Gast unterwegs.

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Bergführer waren früher am Biancograt (Piz Bernina) mit bis zu drei Gästen unterwegs – heute wird in der Regel nur noch ein Gast mitgenommen. Ob die neuen Strategien bereits greifen und wie sich der Hitzesommer auf die Unfallzahlen auswirkt, wird die nächste Bergunfallstatistik zeigen.

Datengrundlage der Statistik

Die DAV-Bergunfallstatistik erscheint in einem zweijährigen Turnus. Der aktuelle Berichtszeitraum reicht vom 1. November 2015 bis zum 31. Oktober 2017 und umfasst jeweils zwei komplette Sommer- und Wintersaisons in den Bergen. Datengrundlage sind ausschließlich Unfälle von DAV-Mitgliedern.

Unter Zuhilfenahme der Zeit, die Mitglieder bei der Ausübung der verschiedenen Disziplinen verbringen, kann für jede Bergsportdisziplin das Unfallrisiko genau berechnet werden. Daraus resultiert im Vergleich der einzelnen Disziplinen, dass das Bergwandern die sicherste Disziplin ist. 

Beim Wandern ereignen sich zwar die meisten tödlichen Unfälle; es handelt sich dabei um die Hälfte der Betroffenen. Allerdings ist Wandern mit Abstand die am meisten durchgeführte Aktivität der DAV-Mitglieder. Das bedeutet, dass das Risiko beim Wandern tödlich zu verunglücken dennoch sehr niedrig ist. Die risikoträchtigsten Bergsportdisziplinen sind Alpinklettern und Hochtourengehen.

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