1963 bis 2013: Ein halbes Jahrhundert ALPIN

Zwischen Barbie und Bergfex

Was musste frau sich nicht alles anhören: das Geschwafel von der idealen Bergsteigerfrau und von ihr als Ruin des Helden am Berg. Heute stehen Frauen „ihren Mann“ in der vertikalen Welt – und das ganz selbstverständlich. Eine Zeitreise mit ALPIN.

Zwischen Barbie und Bergfex
03/1970: Im Bikini ist unser "Skihaserl" gut gerüstet für das Frühjahrs-Skivergnügen.
03/1970: Im Bikini ist unser "Skihaserl" gut gerüstet für das Frühjahrs-Skivergnügen.

Die Frau ist der Ruin des Alpinismus. Dieses Schlagwort ist nicht ganz mit Unrecht entstanden, zitierte vor genau 50 Jahren der Chefredakteur des ALPIN-Vorgängers "Alpinismus", Toni Hiebeler, die Kletterlegende Paul Preuss anlässlich einer Spezial-Ausgabe zu Frauen am Berg.

Preuss soll diese Worte wiederum 50 Jahre zuvor gesagt haben. Und sicher gibt es auch 100 Jahre danach noch Männer, die so denken, wenn ihr Spetzl lieber Zeit mit der frischen Liebe als mit ihnen am Fels verbringt. Auch wenn sich das heute kaum noch einer öffentlich sagen traut, gibt es für die Frauen im Alpinismus noch ordentlich Nachholbedarf: Noch immer leben wesentlich weniger Frauen als Männer von der Bergsteigerei und es gibt kaum Bergführerinnen.

Nun ist es nicht so, dass nur Männer ein anderes Bild von den Frauen hatten, sondern auch die Frauen von sich selbst. In besagter Alpinismus-Ausgabe schrieb Geneviève Livanos, die Frau des Dolomiten-Erschließers Georges Livanos, kurz Sonia, sehr unterwürfig: "Für uns weibliche Sestogradisten sind zwei Dinge Voraussetzung: Eine sehr gute Technik zu besitzen (…) und einen mutigen Kameraden zu finden, der bereit ist, uns die Freuden des extremen Bergsteigens miterleben zu lassen" und "Er dirigiert, denkt, schreitet voran, gibt Anweisung; sie … folgt".

Die Autorin Elfi Schneck war sich derweil sicher: "Eine Frau ist (…) seien wir ehrlich, rein psychisch und physisch gesehen nun einmal kein vollwertiger Partner." Im weiteren Verlauf ihres Textes mit dem aussagekräftigen Titel "Was wir ihm sein wollen – Seilgefährtin oder mehr" ist von den Frauen als "höchstens eine gute zweite" und "nicht nur eine körperliche, sondern vor allem auch eine zusätzliche nervliche Belastung" die Rede.

Und das alles vor dem Hintergrund, dass es sehr wohl seit Anbeginn der Bergsteigerei immer auch Frauen gab, die hohe Gipfel erklommen: die Französin Henriette d’Angeville, die schon 1838 auf dem Montblanc stand, die britische Alpinistin Lucy Walker, die 1871 als erste Frau das Matterhorn erklomm, oder Margaret Claudia Brevoort mit der ersten Winterbesteigung der Jungfrau 1874 sind nur ein paar Beispiele.

Es scheint, als wären es nicht nur die Männer gewesen, die den Frauen Anerkennung verweigerten, sondern auch die Frauen selbst - sogar die Aktiven.

Das andere Geschlecht beschäftigte sich derweil mit der zentralen Frage nach der echten und der idealen Frau am Berg. Der österreichische Bergsteiger Karl Lukan schrieb gleich mehrere Seiten über Susi, die bei Gewitter in der Höhle nach einem Spiegel fragt, und Johanna, die sich seiner Meinung nach allzu burschikos verhält. "Ich persönlich würde allerdings von der idealen Frau am Berg mindestens achtzig Prozent Susi verlangen", ist sein Fazit, denn er wünscht sich eine Frau, die eine Frau ist. Und wieder ist es Sonia, die sich auch mit dieser angeblich echten Frau beschäftigt: "Er (der sechste Grad, Anm. d. Red.) erfordert eine Anstrengung, die Frauen - die echte Frauen sind - nicht durchhalten."

11/1965: Yvette am Berg, immer noch Frau: Kamm, Spiegel und Lippenstift sind dabei.
11/1965: Yvette am Berg, immer noch Frau: Kamm, Spiegel und Lippenstift sind dabei.

In Karl Lukans Sinne wäre auch Yvette Vaucher eine "echte Frau". Mit Spiegel ist sie in Alpinismus 11/1965 am Hörnligrat beim Abstieg nach der Matterhorn-Nordwand zu sehen.

1963-2013: 50 Jahre ALPIN. "Jetzt möchte ich wieder Frau sein, die Frau von Michel", beschreibt sie einen Moment bei ihrer Durchsteigung. Das Thema Frauen beschäftigte die Szene lose weiter. 1983 fragte ALPIN, wie das damals von Reinhold Messner herausgegebene Magazin mittlerweile hieß: Sind Frauen die besseren Alpinisten? In einigen Aspekten sogar den Männern überlegen, antwortete Dr. Jean-Louis Etienne.

Amüsant, fragwürdig, schön: alpine "Covergirls" aus fünf Jahrzehnten in einer Slideshow.

02/1963: Wir sind für Ihn nicht nur eine körperliche, sondern vor allem eine zusätzliche nervliche Belastung.
02/1963: Wir sind für Ihn nicht nur eine körperliche, sondern vor allem eine zusätzliche nervliche Belastung.

Die Cover der vergangenen 50 Jahre zeigen vor allem eines: Frauen scheinen zumindest im Skisport schon länger akzeptiert - als Skihaserl. Man könnte an dieser Stelle in die Sexismusdebatte einsteigen, muss man aber nicht, denn Frau kann sich auch darüber freuen, dass Magazinen mit schönen Damen ein besserer Absatz nachgesagt wird. Und damit wären wir wieder bei der Frau, die schön sein will, der "echten Frau". Eine entscheidende Rolle spielt dabei natürlich die Kleidung.

"Vorbei sind die Zeiten, wo man sich gezwungenermaßen in weite Knickerbocker stürzte, mit einem ausladenden Wetterfleck im Rucksack, alles Grau in Grau und mehr der Zweckmäßigkeit und den unvorhergesehenen Wetterstürzen im Hochgebirge Rechnung tragend als modischen Gesichtspunkten", freut sich 1963 Autorin Henriette Dohn.

Die Gesellschafts-Moden werden in die Berge getragen: von Zopfpullis über Taillenhosen, von auffällig gemusterten Overalls, Eulenbrillen, Stirnbändern bis hin zu den Knallfarben des Hier und Jetzt. Aber sogar heute noch gilt das größtenteils nur für Damen in Normgröße.

Viele Hersteller scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, dass auch Frauen gerne Farbe tragen und lange Beine meist nicht an einem Elefantenpo entspringen. Kurz vor der Jahrtausendwende kritisiert dann Luisa Francia in ihrem Buch "Der untere Himmel" das verzerrte Bild der Bergsteigerin in den Medien und behauptet: "Die Herabwürdigung von Alpinistinnen (…) hat System."

2001 findet die Sportkletterin Marietta Uhden, dass Frauen mehr Leistung bringen müssen als Männer, um anerkannt zu werden. Und die Eiskletterweltmeisterin Ines Papert konstatiert 2007 in einem Interview: "Ehrlich gesagt, es gibt dort, wo ich bin, kaum weibliche Konkurrenz, was mir eine gewisse Erleichterung verschafft."

Eine Ausnahme ist da sicherlich die österreichische Höhenbergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner, die selbst ihrem Mann als "Cinderella Caterpillar" davonstapft und deren Leistung sogar vom polternden Urgestein Reinhold Messner anerkannt wird - "eine großartige Bergsteigerin"; -, der aber gleichzeitig auch die 14 Achttausender kritisiert: "Mich wundert, dass ihr nichts Gescheiteres einfällt."

Alles in allem muss die Alpinistin von heute Alice Schwarzer und ihren Kolleginnen wohl dankbar sein. Denn auch sie wäre ohne die gesamtgesellschaftliche Emanzipation der Frau so nicht denkbar. Vielleicht ist jetzt aber der Zeitpunkt gekommen, an dem Schluss ist mit der Annäherung und Gleichstellung von Mann und Frau. Vielleicht wollen Frauen gar nicht wie Männer werden. Vielleicht wollen sie keine Top-Manager sein, weil sie mehr vom Leben erwarten als Macht und Geld.

Vielleicht wollen sie nicht immer unter den Argusaugen der Öffentlichkeit klettern, weil sie die Berge einfach genießen möchten. Dafür spräche zumindest, dass Frauen seit Anbeginn der Bergsteigerei ihr Licht gerne unter den Scheffel stellen, kaum heroische Beschreibungen liefern und sich oft nur auf Nachfrage im Rampenlicht präsentieren. Sie müssen auch nicht. Das hat sich auch in den letzten hundert Jahren nicht geändert. Frau wird noch lange die Akzeptanz zum Understatement haben, man wird ihr auch das Aufgeben weniger übel nehmen als ihm. Und alle, die fit genug sind, können den Männern weiter davon steigen, heimlich oder im Rampenlicht, mit oder ohne Spiegel.

Klicken Sie sich durch die Slideshow mit Titelbildern aus 50 Jahren ALPIN.