Das sagen Bergzeit, Bergfreunde und Decathlon zum Thema Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit: Geht "grüner" Online-Handel?

Der Online-Handel boomt – auch dank Corona. Doch wie gut ist der Versandhandel unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Und wie verändert sich der Markt? Wir haben bei Bergzeit, Bergfreunde und Decathlon nachgefragt!

Geht "grüner" Online-Handel? Wir haben bei Bergzeit, Bergfreunde und Decathlon nachgefragt.
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Inhaltsverzeichnis

Während der stationäre Handel zu den großen Verlierern der Corona-Krise zählt, können sich all diejenigen freuen, die schon vor der Pandemie verstärkt auf E-Commerce gesetzt haben: 

Insgesamt hat der Online-Handel im Bereich Freizeit und Hobby um 11,6 Prozent binnen eines Jahres zugelegt – auf eh schon hohem Niveau.

Bei Sport Conrad beispielsweise macht der Online-Verkauf inzwischen 60 Prozent des Umsatzes aus. Und das trotz fünf großer Ladengeschäfte im Oberland. Die Ski-Stückzahlen, die heuer versendet worden sind, mag man sich gar nicht vorstellen. Zumal Conrad inzwischen auch viele Ski um die halbe Erde schickt.

Doch wie steht es mit der Öko-Bilanz des digitalen Handels? Was tun Versender für die Nachhaltigkeit? Wir haben bei einigen großen Händlern nachgefragt!

Bergfreunde

Wie viel des Umsatzes ist bei euch Versand, wieviel Verkauf vor Ort?

Als Online-Pure-Player ohne stationäre Handelsstrukturen verdienen wir unser Geld zu 100% über den Versand von Outdoor-Ausrüstung.

Benutzt ihr Verpackungen mehrmals?

<p>Hat unsere Fragen beantwortet: Jörn Perschbacher, Unternehmenssprecher von Bergfreunde.</p>

Hat unsere Fragen beantwortet: Jörn Perschbacher, Unternehmenssprecher von Bergfreunde.

Wir versuchen vor allem die bei Bekleidung häufig genutzten Polybags, also die dünnen Plastiktüten, wieder zu verwenden - sofern sie noch intakt sind. Als Alternative hierzu, kommt in unserer Retourenabteilung eine Maschine zum Einsatz, die z.B. T-Shirts und Jacken einfach mit Papierbanderolen umwickelt. So müssen wir nur in seltenen Fällen frische Polybags nutzen, zum Beispiel bei besonders empfindlichen Textilien, und sparen einen Haufen Plastik. Alles, was bei uns im Lager sonst als Abfall anfällt, führen wir dem Recyclingkreislauf zu.

Wie darf man sich das Prozedere vorstellen, wenn Sachen zurückgeschickt werden?

Das ist recht simpel: Der Kunde findet seinen Retourenschein im Paket oder kann sich diesen über einen Link ausdrucken. Er bringt das Paket zur Post und wenn die retournierte Ware bei uns landet, wird sie von Mitarbeitern ausgepackt, überprüft und wieder eingelagert.

Was tut ihr im Bereich des Versandhandels für das Thema Nachhaltigkeit, explizit den Versand betreffend?

Ende 2019 haben wir entschieden, dass wir ein klimaneutrales Unternehmen sein wollen und kompensieren seitdem alle Emissionen, die wir bis dato noch nicht verhindern oder aktiv verringern können. In der Logistik nutzen wir eine Maschine, die Pakete anhand ihres Füllstandes zuschneidet. So können wir LKWs deutlich effizienter beladen und verschicken weniger Luft, was wiederum den CO2-Fußabdruck unserer Pakete optimiert. Wir beziehen für unsere Standorte 100% Ökostrom oder Strom aus unserer Photovoltaik-Anlage. Ausführlich behandeln wir das Thema hier: https://www.bergfreunde.de/klimaneutral/

Gehen alle zurückgesendeten Waren wieder in den Verkauf?

Sofern sie nicht beschädigt oder verschmutzt sind, natürlich.

Wie seht ihr eure Zukunft? Weiterhin eine Mischung, immer mehr auf Versand oder ganz andere Kanäle?

Wir werden wohl weiterhin das machen, was wir am besten können: Online die beste Outdoor-Ausrüstung anbieten und nebenbei immer ein Auge für spannende Innovationen offenhalten.

Bergzeit

Wieviel des Umsatzes ist bei euch Versand, wieviel Verkauf vor Ort? 

Der überwiegende Teil unseres Umsatzes ist mittlerweile Online.

Wie viele Pakete sind das im Durchschnitt pro Tag und wie viele an Spitzentagen?

4.000 Pakete, 8.000 an Spitzentagen.

<p>Hat unsere Fragen beantwortet: Markus Zabel, Geschäftsführer Bergzeit.</p>

Hat unsere Fragen beantwortet: Markus Zabel, Geschäftsführer Bergzeit.

Wie hoch ist die Rücklaufquote?

Das ist sehr abhängig von der Produktkategorie. Die höchste Rücklaufquote haben wir im Bereich Bekleidung. Im September letzten Jahres haben wir die EMAS Zertifizierung, übrigens als erster Sporthändler Deutschlands, erhalten. Ein Ziel der recht umfassenden Umwelterklärung für das Zertifikat ist die nachhaltige Reduzierung von Retouren. Dazu werden wir noch in diesem Jahr einen eigens entwickelten Online-Produktberater einführen. So können wir, zusammen mit dem Kunden, Fehlkäufe und damit Rücksendungen vermeiden und im Versandhandel umweltschonender agieren.

Benutzt ihr Verpackungen mehrmals?

Wir beschäftigen uns im ganzen Unternehmen und in allen Prozessen sehr stark mit dem Thema Nachhaltigkeit und arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung an der Verpackung. Wir sind mit mehreren Anbietern von wiederverwendbarer Verpackung im Gespräch, um Möglichkeiten zu prüfen. Im komplexen Versandprozess (vom Eingang der Bestellung bis zum versandfertigen Paket) sind Änderungen meist nicht schnell durchführbar, da viele Rädchen perfekt ineinandergreifen müssen. Wir arbeiten an einem komplett neuen Prozess, der mit Inbetriebnahme unseres neuen Lagers eingeführt wird.

Wie darf man sich das Prozedere vorstellen, wenn Sachen zurückgeschickt werden?

Grundsätzlich klassifizieren wir die Waren in drei Kategorien: sofort wieder verkaufbar, nach Aufbereitung wieder verkaufbar oder nicht wieder verkaufbar. Die ersten zwei Kategorien kommen wieder in unseren Verkauf, evtl. nach kurzer Aufbereitung. Die dritte Kategorie wird gesammelt und über Sonderverkäufe verkauft oder gespendet.

Was tut ihr im Bereich des Versandhandels für das Thema Nachhaltigkeit, explizit den Versand betreffend?

Für uns gibt es im Rahmen der Nachhaltigkeit mehrere Angriffspunkte beim Versand. 

  • Besonderes Augenmerk legen wir aktuell auf die Verpackung und das Füllmaterial. Durch die Auswahl der richtigen Versandverpackung wird unnötiger Müll vermie den. Letztes Jahr haben wir auf den Versand mit Papiertüten umgestellt, womit wir einen deutlich geringeren Plastikverbrauch erreichen. Aktuell versenden wir 45% der Kundenbestellungen in Papiertüten und versuchen diesen Wert zu steigern. Damit reduziert sich der Materialeinsatz bei Versandverpackung und Füllmaterial. Zudem schauen wir uns wiederverwendbare Verpackungsmöglichkeiten an. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass im komplexen Versandprozess (von Eingang der Bestellung bis zum versandfertigen Paket) Änderungen oft nicht schnell durchführbar, da viele Rädchen perfekt ineinandergreifen müssen. Wir arbeiten hier an einem komplett neuen Prozess, der mit Inbetriebnahme unseres neuen Lagers eingeführt wird.

  • Klimaneutraler Versand nach DE, AT und CH ist für uns seit Jahren selbstverständlich.

  • Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Optimierung der Anlieferung unserer Lieferanten durch Bündelung und Änderungen in unseren Bestellprozessen.

Gehen alle zurückgesendeten Waren wieder in den Verkauf?

Sofern die zurückgesendeten Waren unversehrt und in einwandfreiem Zustand sind, gehen sie wieder in den Verkauf. Wir sprechen uns ausdrücklich gegen die Vernichtung intakter Ausrüstung aus. Ware, die aufgrund kleinerer Mängel nicht mehr regulär verkauft werden kann, wird bei uns beispielsweise in regelmäßigen Abständen in einem Sonderverkauf in unseren Filialen angeboten. Den Erlös spenden wir zum großen Teil an soziale Projekte, die uns am Herzen liegen, wie das Bergwaldprojekt e.V. und der Inklusions-Kletterverein "Ich will da rauf". 

Ist aus eurer Sicht der Versand lukrativer als der vor Verkauf im Ladengeschäft?

Das ist keine Frage, die wir uns stellen. Für uns ist es wichtig beides zu haben, wir können über den Versand mehr Kunden mit Bergzeit erreichen und sind über unsere Geschäfte nahbar und authentisch.

Wie seht ihr die Zukunft des Versandhandels? Gibt es irgendwann das klassische Ladengeschäft gar nicht mehr?

Ich bin davon überzeugt, dass es auch weiterhin Ladengeschäfte geben wird, sofern sie eine klare Positionierung und einen Mehrwert für den Kunden haben.

Wie seht ihr eure Zukunft? Weiterhin eine Mischung, immer mehr auf Versand oder ganz andere Kanäle? 

Unsere Strategie ist es, auch weiterhin eine Mischung aus Offline und Online Handel zu haben. Unsere Läden sind ein ganz elementarer Teil unserer Marke.

Ganz kurz, die Zukunft für den Bergsporthandel allgemein in drei, fünf und zehn Jahren.

Meine persönliche Sicht ist, dass es weiterhin eine Verlagerung von Stationär zu Online geben wird, die über die Jahre aber langsamer werden wird. Stationäre Händler, die ihren Kunden einen klaren Mehrwert liefern können, werden auch in Zukunft weiterhin bestehen können.

Decathlon

Wie viel des Umsatzes ist bei euch Versand?

Bereits 2019 lag unser Online-Umsatzanteil u¨ber 20%, mit einer stark steigenden Tendenz. Der Lockdown hat diesen Trend noch einmal beschleunigt. 2020 lag der Anteil bei circa 30%.

<p>Hat unsere Fragen beantwortet: Celinn Fischer, Pressesprecherin Decathlon Deutschland.</p>

Hat unsere Fragen beantwortet: Celinn Fischer, Pressesprecherin Decathlon Deutschland.

Wie viele Pakete sind das im Durchschnitt pro Tag, wie viele an Spitzentagen?

Im Durchschnitt erreichen uns in Deutschland täglich etwa 8.700 Onlinebestellungen, wobei die Anzahl der Pakete je nach Bestellvolumen variiert. Wirversuchen im Sinne der Nachhaltigkeit, die Paketmenge pro Bestellung so gering wiemöglich zu halten. An einem Wochenende können das bis zu 25.000 Bestellungen an einem Tag sein.

Wie hoch ist die Rücklaufquote?

Hier sollte man zwischen Textilien, Material und dem Mix aus beiden Produktkategorien unterscheiden. Momentan verzeichnen wir im Durchschnitt eine Retourenquote von circa 20%.

Benutzt ihr Verpackungen mehrmals?

Aktuell wird getestet, wie die Retoure-Kartons wiederverwendet werden können.

Wie darf man sich das Prozedere vorstellen, wenn Sachen zurückgeschickt werden?

Die Kunden können die Ware entweder postalisch oder in einer nahegelegenen Filiale retournieren. Die Pakete werden anschließend in der Logistik (Standorte: Schwetzingen oder Dortmund) oder eben in der Filiale angenommen und auf Second-Use Tauglichkeit gepru¨ft und bei Bedarf repariert.

Was tut ihr im Bereich des Versandhandels für das Thema Nachhaltigkeit, explizit den Versand betreffend?

Bei unseren Online-Aufträgen bevorzugen wir Verpackungsmaterial aus Pappe, das aus mindestens 50 % recyceltem Papier besteht. Wir glauben, dass Mehrwegverpackungen die Zukunft sind. Wie bereits erwähnt, sind unsere Kollegen in den Niederlanden und Schwetzingen in der Testphase, um Onlinebestellungen mit 100% recycelten und wiederverwendbaren Verpackungen zu versenden.

Gehen alle zurückgesendeten Waren wieder in den Verkauf?

Retouren werden ein immer wichtigeres Thema im Kontext der Nachhaltigkeit. In 96% der Fälle handelt es sich bei den retournierten Produkten um neue, ungebrauchte Produkte. Diese werden wieder direkt in den Logistikbestand oder in den Filialen aufgenommen.

Ist aus eurer Sicht der Versand lukrativer als der Verkauf im Ladengeschäft?

Wir haben, neben dem stationären Handel, schon fru¨h auf ein digitales Konzept gesetzt und freuen uns, dass sich unser Wachstum fortsetzt. Eine On- und Offline Fusion ist in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Außerdem werden 2021 sowohl der E-Commerce als auch das Filialnetz in Deutschland weiter ausgebaut.

Wie seht ihr die Zukunft des Versandhandels? Gibt es irgendwann das klassische Ladengeschäft gar nicht mehr?

<p>Nachhaltigkeit im Fokus: die "grüne" Ausgabe von ALPIN. Ab dem 13.03. im Zeitschriftenhandel oder in unserem <a href="https://leserservice.alpin.de/de_DE/einzelhefte?onwewe=0601&utm_campaign=alpinde-navi&utm_term=header-heft" rel="nofollow" target="_blank">Heft-Shop</a> erhältlich!</p>

Nachhaltigkeit im Fokus: die "grüne" Ausgabe von ALPIN. Ab dem 13.03. im Zeitschriftenhandel oder in unserem Heft-Shop erhältlich!

© ALPIN

Unser Ziel ist ein grenzenloses Einkaufserlebnis für unsere Kunden über alle Kanäle hinweg zu ermöglichen und daher arbeiten wir daran unseren Onlineshop und unsere Filialen immer weiter miteinander zu verschmelzen. Wir werden mit der Einführung des Marktplatzes dieses Jahr außerdem einen weiteren großen Schritt im E-Commerce gehen. Auch im stationären Handel werden wir die digitale Komponente weiter ausbauen. Im vergangenen Jahr haben wir z. B. einen neuen, komplett bargeldlosen Bezahlvorgang namens "Scan & Go" eingeführt. Unsere Kunden können in ausgewählten Filialen autonom ihre Sportartikel über das eigene Smartphone scannen und bezahlen. 

Ganz kurz, die Zukunft für den Bergsporthandel allgemein in drei, fünf und zehn Jahren?

Das Thema Nachhaltigkeit wird besonders im Bergsport eine essenzielle Rolle einnehmen und stark im Fokus stehen. Dabei verzichten wir auf unnötiges Verpackungsmaterial und ersetzen umweltschädliche Stoffe, soweit das möglich ist, durch recycelte bzw. recycelbare Stoffe. Der Einsatz von Plastikflaschen für Fleecepullover oder Bio-Baumwolle und Merinowolle sind nur einige Beispiele für einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur. Zudem stellt die Entwicklung von PFC-freien Produkten eine große Priorität dar.

Mehr zum Thema "grüner" Online-Handel lest ihr unserer neuen April-Ausgabe! ALPIN 4/2021 ist ab dem 13.03. im Zeitschriftenhandel oder in unserem Heft-Shop erhältlich!

Text von Olaf Perwitzschky

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