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Rohmilch: Mehr Risiko als Nutzen?

Rohmilch ist ein etabliertes Getränk, nicht nur auf Almen und Hütten. Doch die meisten wissen nicht, welche Gefahren der Milch-Konsum birgt.

Rohmilch: Mehr Risiko als Nutzen?
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Milch frisch aus der Kuh: vielleicht naturverbunden, aber nicht (immer) gesund.
Milch frisch aus der Kuh: vielleicht naturverbunden, aber nicht (immer) gesund.

Wenn die Sonne strahlt und der erste Teil der Bergtour geschafft ist, steht die Mittagspause an. Auf der Hütte angekommen, gibt es erst einmal ein Glas frische, kühle Milch.

Ein paar Stunden bis einige Tage später machen sich jedoch ernsthafte Verdauungsbeschwerden bemerkbar und die Suche nach der Toilette kann nicht schnell genug gehen. Um auf die gesundheitsgefährdenden Aspekte der "Milch ab Hof" eingehen zu können, sollte man zunächst die unterschiedlichen Formen erhältlicher Milch kennen.

Die Rohmilch wird gemolken und anschließen lediglich gefiltert. Die sogenannte Vorzugsmilch ist ebenfalls roh und gefiltert, jedoch verpackt und muss innerhalb von 96 Stunden verzehrt werden. Behandelte Milch wird für ca. 20 Sekunden auf 72 Grad erhitzt (Pasteurisierung) und so länger haltbar. Dabei werden auch Krankheitserreger abgetötet.

Vielfach wird die Milch ebenfalls homogenisiert. Bei diesem Schritt werden die in der rohen Milch enthaltenen Fettkügelchen zerkleinert, um so das Aufrahmen zu verhindern. Ein anderes Verfahren ist die Ultrahocherhitzung (135 bis 150 Grad für eine Sekunde). Diese Milch wird als H-Milch bezeichnet und ist mehrere Monate haltbar.

Mehr Gefahr als Nutzen

Dr. med. vet. Juliane Bräunig: Fachgruppe mikrobielle Toxine, Bundesinstitut für Risikobewertung Berlin.
Dr. med. vet. Juliane Bräunig: Fachgruppe mikrobielle Toxine, Bundesinstitut für Risikobewertung Berlin.

"Durch die Erhitzung auf 72 Grad sollen die potenziell gesundheitsgefährdenden Mikroorganismen abgetötet werden", erklärt Dr. Juliane Bräunig, Expertin für mikrobielle Toxine in Lebensmitteln vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin.

Sie führt weiter aus: "Zu den wohl wichtigsten Krankheitserregern in der Rohmilch zählen EHEC und Campylobacter." Beide können Auslöser für Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen sein. Seit 2011 ist EHEC, der enterohämorrhagische Escherichia coli, unter anderem in Verbindung mit Sprossen in aller Munde.

"Vorher war das Bakterium als Erreger blutiger Durchfälle bei Kindern bekannt und wurde dann in kurzer Zeit auffällig häufig auch bei Erwachsenen beobachtet", ergänzt Bräunig. Auch in der Rohmilch kann EHEC enthalten sein. Die schwerste Krankheitsform beschreibt das sogenannte hämolytisch- urämische Syndrom (HUS), bei dem es durch eine Schädigung kleiner Blutgefäße zum akuten Nierenversagen kommen kann.

Campylobacter ist ein Erreger, der bei vielen Tierarten, insbesondere Geflügel, nachweisbar ist. Auch bei Milchkühen kann der Keim vorkommen und durch den Verzehr unerhitzter Milch übertragen werden. Bei Durchfall gilt als erste therapeutische Maßnahme die Flüssigkeitszufuhr. Genügend zu trinken und das Wettmachen der Elektrolytverluste über Salzzufuhr ist entscheidend.

Man kann sich als Faustregel merken: Hält der Durchfall länger als drei Tage an oder ist er blutig, sollte ein Arzt aufgesucht werden. "Campylobacter ist neben Salmonellen der häufigste Erreger für bakterielle Durchfallerkrankung", weiß Dr. Bräunig.

Die Fakten

  • Gesundheitsgefährdende Erreger in der Rohmilch sind u. a. EHEC, Campylobacter und Listerien.
  • Sie lösen in leichten Fällen vor allem Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen aus.
  • Viele Rohmilchkäsesorten sind gerade von Schwangeren mit besonderer Vorsicht bzw. gar nicht zu genießen, da sie optimaler Nährboden für Listerien sind!
  • Hält der Durchfall länger als drei Tage an oder ist Blut im Stuhl, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
  • Die potenziell vorteilhaften Inhaltsstoffe der Rohmilch können bisher nicht das Risiko der Gefahren aufwiegen.

Meist heilt die Infektion, die sich auch in Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen äußert, selbstständig aus. Es kann jedoch zu schwereren Komplikationen kommen. Dazu gehört das sogenannte Guillain-Barré-Syndrom. Es führt zu fortschreitenden Lähmungserscheinungen und sollte unbedingt von einem Neurologen behandelt werden.

Seltener findet man Salmonellen oder Listerien in der Rohmilch. "Bei Listerien ist vor allem die Verarbeitung roher Milch zu Milchprodukten entscheidend. In einigen Sorten von Rohmilchkäsen, z. B. bei Weichkäse und halbfestem Schnittkäse, kann sich der Erreger sehr gut vermehren und so zur Gefährdung werden, insbesondere für Schwangere", erläutert Bräunig und spricht damit eine der Risikogruppen an, für die der Rohmilchkonsum eine besondere Gefährdung darstellt.

Die YOPI-Merkregel

Ein frisches Glas Milch: Nutzen und Schaden liegen oft nah beieinander. (Foto: www.picture-alliance.com)
Ein frisches Glas Milch: Nutzen und Schaden liegen oft nah beieinander. (Foto: www.picture-alliance.com)

Mit den Stichworten jung, alt, schwanger, immungeschwächt (auf englisch: young, old, pregnant, immunocomprimised) sind die Risikogruppen, bei denen ein Verzehr von Rohmilch bzw. Rohmilchprodukten unbedingt abzuraten ist, kompakt zusammengefasst.

"Bei Kindern ist das Immunsystem noch nicht erfahren genug, um adäquat auf die Erreger reagieren zu können. Bei älteren oder immungeschwächten Patienten ist es einfach nicht mehr in der Lage, die Bakterien im richtigen Maße zu bekämpfen, um eine Infektion effektiv zu verhindern", beschreibt die Expertin den Hintergrund der Gefährdung bei diesen Risikogruppen.

"Schwangere dagegen können nicht nur sich selbst, sondern auch den Fötus schädigen, wenn sie Rohmilchprodukte konsumieren." Gerade deshalb sollte in der Schwangerschaft auf den Verzehr solcher unbehandelter Produkte verzichtet werden.

Vorbeugend gegen Asthma?

Rohmilch als Schutz vor Asthma und Allergien? Ist da was dran? Es besteht momentan großes Interesse an der Untersuchung der Inhaltsstoffe unbehandelter Milch. Man will herausfinden, ob rohe Milch für die niedrigere Zahl an Asthmatikern unter "Bauernhofkindern" im Vergleich zu "Stadtkindern" verantwortlich ist.

Ersten Hinweisen wird nachgegangen, jedoch muss ganz klar festgestellt werden, dass die bisherige Studienlage weit davon entfernt ist, einen wirklichen Nachweis zu erbringen. Viele weitere Faktoren, wie andere Hygienebedingungen und vermehrter Kontakt mit Tieren könnten ebenfalls eine Rolle spielen.

Kritiker der Milchbehandlung bringen an, dass mit der Verarbeitung der Milch durch Pasteurisierung und Homogenisierung wertvolle Inhaltsstoffe zerstört werden und so der eigentliche Vorteil der frischen Milch verlorengeht.

Jedoch ist auch hier bisher äußerst fraglich, ob das relevant ist. Der Anteil der verloren gegangenen Inhaltsstoffe (z. B. Vitamine) durch die Verarbeitung ist eher niedrig. Dr. Bräunig ist hinsichtlich der bisherigen Ergebnisse in der Interpretation sehr zurückhaltend.

Sie betont: "Nach aktueller Studienlage bedeutet der Verzehr von Rohmilch, gerade für die Risikogruppen, aber auch für jeden Gesunden mehr Risiko als Nutzen." Und schließlich kann man die strahlende Sonne doch auch mit einem schönen Glas Apfelschorle auf der Hütte genießen.

2 Kommentare

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Garten 49

seit ich 5 Jahre war und aufs Land gezogen
Heute mit 74 Jahre immer noch Rohmilch trinke
Kann es ja wirklich nur gesund sein
Bei Milch aus dem Laden welche wenn auch nur kurz erhitzt bekomme ich Probleme
Außerdem schmeckt sie einfach nicht
Kann daraus auch selbst gut Quark und Joghurt machen
Mit selbst gemachter Marmelade drin
Gesünder gehts nicht für mich

Vanessa

Wenn man diesen Artikel liest, fragt man sich unweigerlich, wie die Menschheit die letzten Jahrtausende überleben konnte. Immerhin ist die haltbare Milch eine Erfindung der Neuzeit und die Menschen wussten schon immer frische Milch zu schätzen.
Früher habe ich haltbare Milch getrunken und hatte ständig Probleme mit dem Darm, hatte Allergien und meine Leber ist so riesig geworden, dass sie bereits meinen Darm bedrängt hat.
Nun trinke ich seit einigen Monaten nur noch Rohmilch und es geht mir deutlich besser. Allergien zeigen sich nicht mehr, der Darm hat seine reguläre Tätigkeit wieder aufgenommen und meine Leber schrumpft deutlich Richtung Normalgröße. Und obwohl Rohmilch deutlich mehr Fettanteil hat, nehme ich inzwischen sogar ab.
Und nebenbei erwähnt: Ich bin jemand aus der genannten Risikogruppe.
Wer die Möglichkeit hat, Rohmilch in die Ernährung einzubinden, sie es tun. Ich (und auch Familie und Freunde) habe nur positive Effekte durch die Rohmilch erfahren