Medizin

Kneippen - ein ganzheitlicher Therapieansatz

Sebastian Kneipp waren die Grenzen seiner Methode wohl bewusst: Sie sei gut für Wohlbefinden und Gesundheit. Er empfahl jedoch: Schwere Erkrankungen müsse ein Arzt behandeln, wobei seine Anwendungen die jeweiligen Therapien sinnvoll ergänzen sollten.

Kneippen - ein ganzheitlicher Therapieansatz
Die wohl bekannteste Kneipp-Methode: Wassertreten (Foto: picture-alliance).
Die wohl bekannteste Kneipp-Methode: Wassertreten (Foto: picture-alliance).

"Oft genug wird Kneippen mit Wassertreten gleichgesetzt“, erklärt Dr. Heinz Leuchtgens. Der Allgemeinmediziner aus Bad Wörishofen ist Präsident des Kneippärztebundes: „Dabei umfasst das Repertoire mehr als hundert Anwendungen.“ Unter anderem gehören dazu heiße Auflagen, Wickel, Arm-, Fuß-, Sitz-, Halb-, Dreiviertel- und Vollbäder, Güsse und Abreibungen.

Zudem ist der Einsatz von Wasser nur eine Säule der Kneippschen Lehre. Die anderen vier sind: Ordnungs-, Bewegungs- und Ernährungstherapie sowie der Einsatz pflanzlicher Arzneien (Phytotherapie). Dieses Bündel an Verfahren stellt einen ganzheitlichen Therapieansatz dar. Natürlich wirkt es nicht bei Knochenbrüchen oder einer akuten Gallenblasen- Entzündung.

Solche Probleme erfordern eine medizinische Akutbehandlung. Anders sieht die Sache bei chronischen Gesundheitsproblemen aus. „Bei Rheuma, Venenleiden, Bluthochdruck, Verdauungsstörungen oder auch Übergewicht beispielsweise können Kneippsche Anwendungen die Therapie sinnvoll ergänzen“, sagt Leuchtgens.

Diese Bedeutung bestätigten zahlreiche Studien, denn die Therapie nach Kneipp, die den komplementären Heilmethoden zugerechnet wird, hält im Gegensatz zu vielen anderen Verfahren einer wissenschaftlichen Überprüfung stand.

Wechsel zwischen kaltem und warmem Wasser

Das Grundprinzip der Wasseranwendungen besteht darin, den Körper einem Temperaturreiz auszusetzen. Wird dabei kaltes Wasser verwendet, soll dieses den Körper dazu anregen, sich als Reaktion zu erwärmen: Auf den Kältereiz hin ziehen sich die Blutgefäße zwar zunächst zusammen, da aber der Kreislauf angeregt wird, fördert dies letztlich die Durchblutung.

Insbesondere der Wechsel zwischen warmem und kaltem Wasser (Wechselbäder) regt die Blutzirkulation an und verbessert die Anpassungsfähigkeit. Der Grund: Die Temperaturänderungen trainieren die Gefäßmuskulatur, die dann den Gefäßdurchmesser rascher an äußere Gegebenheiten anpassen kann.

In der Folge reagiert der Kreislauf schneller auf Blutdruckschwankungen, was unter anderem Frühjahrsmüdigkeit oder Wetterfühligkeit entgegenwirkt. „Denn diese Befindlichkeitsstörungen, die manche Menschen verspüren, beruhen auf einem zu wenig trainierten Kreislauf“, erklärt Leuchtgens. Gefäßtraining mit Wasseranwendungen legen Ärzte auch Menschen mit Venenleiden nahe.

Nicht nur Wasseranwendungen, auch Ernährungstherapie umfasst die Kneipp-Methode (Foto: picture-alliance).
Nicht nur Wasseranwendungen, auch Ernährungstherapie umfasst die Kneipp-Methode (Foto: picture-alliance).

„Blutstau und Schwäche der Venenwände werden mit Wassertreten wirksam angegangen“, erklärt Leuchtgens. Zum einen trainiert das Waten in zwölf bis 18 Grad kaltem Wasser die Gefäßmuskulatur, zum anderen erhöht sich durch die Aktivität der Wadenmuskulatur der Blutrückfluss zum Herzen – der Blutstau in den Venen nimmt ab.

Kalte Güsse und Waschungen haben übrigens eine ähnliche Wirkung wie Wassertreten, auch wenn der Bewegungseffekt dabei ausbleibt. Ein praktischer Tipp: Betroffene Glieder sollten immer in Richtung Herz abgespült werden. So wird die Blutzirkulation unterstützt.

Doch nicht nur kaltes Wasser oder Temperaturwechsel kommen im Rahmen der Kneippschen Therapie zum Einsatz. Auch Wärme wird therapeutisch genutzt. Die durchblutungsfördernde Wirkung warmer Bäder kann durch den Einsatz von Duftstoffen (ätherische Öle) aus Heilpflanzen ergänzt werden: Rosmarinöl beispielsweise regt den Kreislauf an, Fichtennadelöl wirkt belebend, Melisse entkrampfend, Wacholder durchblutungsfördernd bei Gelenkleiden, Baldrian beruhigend und Thymian stimuliert das Abhusten bei Atemwegsinfekten.

Übrigens: Die verbesserte Durchblutung der Schleimhäute verbessert zudem die Abwehrkraft des Körpers. „Andere Komponenten der Kneippschen Therapie sind weniger verbreitet“, räumt Leuchtgens ein. „Sie sind aber bei bestimmten gesundheitlichen Problemen sehr hilfreich.“ Ernährungs- und Bewegungstherapie helfen im Kampf gegen Übergewicht, die Ordnungstherapie, die auf das Gleichgewicht zwischen Belastung und Ruhe abzielt, bei der Stressbewältigung.

Fazit

  • Kneippsche Anwendungen können die Therapie bei schweren Erkrankungen sinnvoll ergänzen.
  • Neben Wasseranwendungen umfasst die Kneippsche Therapie auch Ordnungs-, Bewegungs-, Ernährungs- und Phytotherapie.
  • Wasseranwendungen trainieren unter anderem die Gefäßmuskulatur und verbessern die Blutzirkulation.

Text: Dr. Ralph Müller-Gesser/ Beratung: Dr. Heinz Leuchtgens

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