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Grundwissen Klettern, Teil II: Sicherungstechnik

Sich in der Senkrechten zu bewegen, ist das Eine. Dabei gesichert zu werden, das Andere. Wir sagen Ihnen die wichtigsten Punkte, auf die es beim Sichern ankommt.

Grundwissen Klettern, Teil II: Sicherungstechnik

Allgemeines

Als Kletterer muss man dem Sichernden unbedingt vertrauen können.
Als Kletterer muss man dem Sichernden unbedingt vertrauen können.

Solange Kletterer und Sichernder keine grundlegenden Fehler machen, sind beim Sportklettern im Klettergarten kaum mehr schwere Unfälle möglich. Trotzdem sollten wir uns – unabhängig von der Absicherung – nur in dem Schwierigkeitsgrad bewegen, den wir beherrschen. Zumindest solange wir vorsteigen, also das Seil nicht von oben kommt. Ausnahmen sind nur erfahrenen Kletterern vorbehalten, die die Situation im Falle eines Sturzes richtig einschätzen können.

Sichern ist eine sehr vertrauensvolle Angelegenheit. Wann sonst im heutigen, allgegenwärtig abgesicherten Leben geben wir uns voll und ganz in die Hand eines anderen. Nicht umsonst haben Erlebnispädagogen und Psychologen das Klettern (und das Sichern) als ein Spielfeld entdeckt, auf dem viele zwischenmenschliche und vertrauensbildende Aspekte entwickelt und geübt werden können.

Wichtig: Wer mit dem Klettern beginnen möchte und keine erfahrenen Kletterer in seinem Freundeskreis hat, die ihm die wichtigsten Handgriffe zuverlässig beibringen, sollte einen Kletterkurs bei einer Bergschule oder einer Alpenvereinssektion belegen.

Anseilen

Um gesichert zu werden, muss ich mich möglichst sicher und fest mit dem Seil verbinden. Das geschieht mit Klettergurt und Knoten. Der normale Hüftgurt hat sich beim Klettern im Klettergarten oder in der Halle durchgesetzt. Das ist okay, solange die Routen sehr gut abgesichert sind und unkontrollierte, weite Stürze nicht möglich sind. Wer sich mit der Kombination aus Hüftgurt und Brustgurt sicherer fühlt, sollte diese aber weiterhin verwenden.

Anseilknoten

Der erste richtige Glaubenskrieg steht beim Anseilknoten bevor. Es gibt drei gängige Formen: den Sackstich, den Achterknoten und den doppelten Bulin. Alle Knoten haben ihre spezifischen Vor- und Nachteile.

Der Sackstich ist recht einfach zu knüpfen, doch nach einem Sturz oder auch nur nach einer Hängebelastung ist er kaum wieder zu öffnen.

Der Achterknoten ist der verbreitetste Anseilknoten. Aber mit ihm sind schon etliche schwere Unfälle, auch mit Todesfolge, geschehen. Der Fehler: Der Knoten wurde aus Flüchtigkeit nicht fertig geknüpft und öffnete sich bei Belastung. Unter anderem ist dies einer Worldcup-Siegerin im Sportklettern passiert! Achten Sie also immer darauf, dass Sie das kurze Seilende exakt parallel zum Grundknoten zurückstecken! Außerdem ist auch der Achterknoten nach hoher Belastung recht schwer zu öffnen.

Den Bulinknoten gibt es schon lange, bei den Seglern ist er als Paalstek bekannt. Aber der normale Bulin hat einen Nachteil: Bei Ringbelastung kann er sich von selbst öffnen. Abhilfe schafft da der doppelte Bulin. Ihn zu knüpfen, dauert zwar etwas länger, aber er ist sicher und lässt sich selbst nach extremer Belastung sehr einfach lösen.

Die gängigen Anseilknoten (von links nach rechts): der Sackstich, der doppelte Bulin und der Achterknoten
Die gängigen Anseilknoten (von links nach rechts): der Sackstich, der doppelte Bulin und der Achterknoten

ALPIN empfiehlt: Achter oder doppelter Bulin!

Sicherungsmittel

Damit der Sturz eines Kletterers abgebremst werden kann, muss die Energie, die dabei auftritt, abgebaut oder umgewandelt werden. Doch: Nur das Seil durch die Hände laufen zu lassen, reicht nicht. Die auftretenden Kräfte sind viel zu groß.

HMS: Seit Jahren bewährt ist der Halbmastwurfknoten (HMS). Er klemmt sich bei Belastung mehr oder weniger selbst ab. Es ist nur wenig Material notwendig (ein Halbmastwurf-Karabiner). Und der HMS ist das einzige Sicherungsgerät, das zuverlässig für die Sicherung des Vor- sowie des Nachsteigers verwendet werden kann.

Aber er hat auch Nachteile: Das Handling ist nicht gut. Das Seil krangelt (verdreht sich) recht viel (kann verringert werden, indem man das Seil beim Ablassen von oben, das heißt parallel zum auslaufenden Seil eingibt). Zudem ist bei der Bedienung viel Aufmerksamkeit notwendig. Auch der Seilverschleiß ist relativ hoch, da immer Seil auf Seil reibt.

Fazit: Der HMS ist das Multitalent zum Sichern.

Achter: Der Achter (ursprünglich zum Abseilen entwickelt, daher meist auch Abseilachter genannt) hat sich seit einigen Jahren auch als Sicherungsgerät etabliert. Interessant ist dabei die Entwicklung. Anfangs nur zum Sichern für den Nachstieg empfohlen, kam relativ schnell raus, dass der Achter nur beim Sichern von unten genügend Bremskraft entwickelt. Grund ist der zusätzliche Knick, der in diesem Fall beim Seilverlauf im Achter entsteht.

Vorteile des Achters: Das Seilhandling ist recht gut, der Seilverschleiß ist geringer als beim HMS (Seil auf Stahl), auch der Materialaufwand hält sich in Grenzen, da ein Achter zum Abseilen eh meist dabei ist.

Nachteile sind eine geringere Bremskraft als beim HMS und eine gewisse Gefährdung durch eine verwinkelte Belastung, bei der sich der Achter über den Schnapper des Karabiners legen kann und sich dieser unter ungünstigen Umständen öffnet (einige tödliche Unfälle).

Fazit: Der Achter ist für erfahrene Sicherer komfortabel bei Vorstieg und Toprope.

Die gängigen Sicherungsmittel (von links): die universelle HMS-Sicherung. Der Achter - nur sicher mit zusätzlichem Seilknick. Das DriGri - im Vorstieg mit Vorsicht zu genießen.
Die gängigen Sicherungsmittel (von links): die universelle HMS-Sicherung. Der Achter - nur sicher mit zusätzlichem Seilknick. Das DriGri - im Vorstieg mit Vorsicht zu genießen.

GriGri: Das GriGri ist das neueste der drei hier vorgestellten Sicherungsgeräte. Es ist ein selbst blockierendes Sicherungsgerät, das heißt, im Falle eines Sturzes muss man nicht aktiv den Sturz halten, sondern am besten gar nichts machen.

Und hier liegt auch das Problem: Es ist ein natürlicher Reflex, dass der Sichernde fest zupackt. Aber genau das darf er beim GriGri nicht. Vorsicht ist vor allem beim Sichern eines Vorsteigers geboten. Denn zum Ausgeben von Seil muss der Blockademechanismus mit der Hand offen gehalten werden. Stürzt der Kletterer in diesem Moment, ist es für den Sichernden schwierig, seinem Instinkt entgegenzuwirken und nicht reflexartig zuzugreifen.

Weitere Gefahr beim GriGri: Das Seil kann falsch ins Gerät eingelegt werden, auch wenn die Handhabung auf dem Gerät aufgezeichnet ist. Dem kann man aber mit einem kurzen Check vorbeugen.

Riesen-Vorteil des GriGri: Zum Ausprobieren von Routen im Toprope ist es für den Sichernden sehr angenehm, da er nicht ständig das Seil festhalten muss, wenn der Kletterer hängt.

Fazit: Das GriGri ist besonders geeignet zum Topropen.

Stellung des Sichernden

Häufiger Fehler: Der Sichernde steht viel zu weit von der Wand entfernt.
Häufiger Fehler: Der Sichernde steht viel zu weit von der Wand entfernt.

Egal, welches Sicherungsmittel Sie bevorzugen, eines ist bei allen gleich: die Stellung des Sichernden zum Kletterer beziehungsweise zur ersten Zwischensicherung.

Es ist erschreckend, was man hier an gravierenden Fehlern sieht! Gerade in den oft sehr steilen oder gar überhängenden Hallen stehen die Sicherer weit weg von der ersten Zwischensicherung, weil man den Kletterer mit etwas Abstand zur Wand besser beobachten kann. Das hat bei einem Sturz des Vorsteigers oft zur Folge, dass dieser nicht sanft in der Zwischensicherung, sondern hart auf dem Boden landet, weil es den Sichernden an die Wand reißt, und somit die Sturzhöhe größer wird. Gottlob stürzen so wenig Leute beim Klettern.

Der Sichernde muss so stehen, dass er im Falle der Belastung nach oben gezogen wird, nicht zur Wand. Nur so lässt sich die Sturzhöhe minimieren. Auch wenn es unbequem ist, längere Zeit steil nach oben zu schauen: Alles andere ist gefährlich.

Seillänge

Ein weiteres, häufiges Gefahrenmoment in Klettergärten ist die Routenlänge. In vielen Gebieten in Südfrankreich ist es inzwischen üblich, Umlenkhaken auf 30 Meter oder noch höher zu setzen. Konsequenz daraus: Wenn Sie ein gängiges 50-Meter-Seil benutzen und Ihren Partner ablassen, wird er die letzten Meter ungebremst auf den Boden stürzen – wenn Sie nicht vorgesorgt haben.

Die Seilmitte sollte gut markiert sein, denn so sehen Sie, ob Sie deutlich mehr als die Hälfte des Seiles ausgeben. Machen Sie außerdem in das freie Seilende eine Sackstichschlinge. Oder Sie binden sich selbst ins freie Ende ein. Eignen Sie sich eine Notbremse an! Denn spätestens, wenn die Routine kommt, wird es gefährlich.