Drei Fragen an Steve House

Steve House: "Ich rechnete mit meinem Leben ab"

2010 erschütterte ein lebensgefährlicher Kletterunfall Steve Houses persönliche Sicht auf seine Leidenschaft. In einem Interview mit dem DAV beschreibt der Amerikaner sein Erleben nach dem Unfall und warum der Alpinismus Mentoring-Programme braucht.

Steve House: "Ich rechnete mit meinem Leben ab"
© Steve House/Prezelj

Steve House im Interview über seinen Lebensweg und Mentoring im Alpinismus

DAV: Sie sind bereits für Ihre ehrenamtlichen Bemühungen und Ihre Unterstützung im Bereich des Umweltschutzes bekannt. Derzeit engagieren Sie sich im sozialen und pädagogischen Bereich des Bergsports. Was ist Ihre Motivation dafür?

Dafür muss ich zu meinem Kletterunfall in Kanada im Jahr 2010 zurückgehen. Beim Versuch der zweiten Winterbegehung einer Route an der Nordwand des Mount Temple in Kanada fiel ich 25 Meter in die Tiefe und erlitt dabei lebensgefährliche Verletzungen. Ich wurde mit dem Hubschrauber gerettet und musste mich zwei Stunden nachdem ich fiel, einer Notoperation im Banff-Krankenhaus unterziehen. Während ich auf Rettung wartete, war mir bewusst, dass ich sterben könnte. Ich rechnete mit meinem Leben ab: was hatte ich richtig gemacht und was hätte ich mir anders gewünscht.

<p>Erster am Seil: Steve House führt am Rochefort-Grat.</p>

Erster am Seil: Steve House führt am Rochefort-Grat.

© Steve House

Eine Sache, die ich erkannte, war, dass ich viel Zeit beim Klettern und Bergsteigen verbracht hatte. Aber ich hatte es versäumt, anderen Kletterern meine Erfahrung mitzugeben, damit sie davon in ihrem Selbstfindungsprozess profitieren können, was eigentlich die Praxis im Alpinismus auszeichnet.

DAV: Warum, glauben Sie, bewerben sich junge Alpinisten auf Mentoring-Programme oder beim deutschen DAV Expeditionskader?

<p>Lehrer mit Schülern: Steve House (li.) mit Nachwuchsalpinisten.</p>

Lehrer mit Schülern: Steve House (li.) mit Nachwuchsalpinisten.

© Steve House

Einige Leute, sicherlich nicht alle, folgen einem ausgewiesenen Pfad, um eine neue Kunst oder Fähigkeit zu lernen. Eine Hochschulausbildung, wie sie in der Regel für den Journalismus erforderlich ist, ist ein Beispiel für einen solchen Weg. Aber Sie finden auch Journalisten, die keine formale Ausbildung in redaktioneller Arbeit oder Berichterstattung haben. Ich wollte Bergführer werden, um unter anderem ein besserer Kletterer zu werden. Die Kurse und Prüfungen ermöglichten es mir, alles über die Berge zu lernen, was ich nur konnte.

Expeditionskader-Gruppen bieten den jungen Leuten einen Weg, ihre eigenen Kletterfähigkeiten zu verbessern, zu einem Bergsteiger zu werden, Gleichgesinnte in einem ähnlichen Alter zu treffen und mit Experten zu klettern. Und in einigen Fällen werden sie zu Walking-Heroes des Kletterns. Wenn ich nochmal 25 Jahre alt wäre, würde ich alles dafür tun.

Steve House: "Was einen in den Bergen am Leben hält, ist auch Urteilsvermögen"

DAV: Alpine Mentoren - klingt ungewöhnlich. Einige Alpinisten, die durch Trial-and-Error und eigene Erfahrungen im Alpinismus aufgewachsen sind, zeigen sich möglicherweise verwundert über die "Ratgeber"-Idee. Warum also ein Mentor? Wo ist die Lücke im heutigen Alpinismus, die nationale Expedkader so erfolgreich sein lässt?

Ich habe gelernt, auf die altmodische Art und Weise auf Berge zu steigen: Meine Eltern sind mit mir in die Berge gegangen: zum Wandern, Skifahren, Bergsteigen und schließlich zum Klettern. Dann, als ich 18 war, studierte ich für ein Jahr in Maribor, Slowenien und trat dort dem örtlichen Alpenverein, dem slowenischen Kozjak Club bei.

Aber all das passierte ja draußen im Freien, in den Bergen, oft in gefährlicher Umgebung. Meine technischen Fähigkeiten kamen dabei nur langsam voran. Ich brauchte vier Jahre, bis ich eine 5.10a (VII-) vorsteigen konnte - natürlich ohne Bohrhakensicherung.

<p>Eis-Solo: Steve House in den Kanadischen Rockies.</p>

Eis-Solo: Steve House in den Kanadischen Rockies.

© Steve House

Heute kommen die meisten Kletterer über das Hallenklettern zum Klettersport. Sie sind schnell in der Lage, dann auch draußen in gesicherten Routen zu klettern. Ihre technischen Fähigkeiten sind bereits sehr fortgeschritten, wenn sie in die Berge gehen. Die meisten Kletterer können eine 5.10a nach ein paar Monaten in der Kletterhalle klettern, einige sogar nach ein paar Tagen.

Aber was einen in den Bergen am Leben hält, auf den Gipfel bringt und wieder zurück, ist nicht nur technisches Können, sondern auch Urteilsvermögen. Entscheidungen zu fällen, ist bei weitem die wichtigste Fähigkeit. Und der einzige Weg, zu lernen, wie man Entscheidungen fällt, ist durch Erfahrung, durch das eigene Tun, indem man selbst Fehler macht und von ihnen lernt. Ein Mentor, egal ob formal oder informal, ist eine Person, die einem durch den Lernprozess dieser Entscheidungsfällung hilft.

Dies ist eine dramatische Veränderung in Bezug auf die Art und Weise wie Menschen lernen zu klettern. Vor 20 Jahren gerieten junge Alpinisten nicht so schnell in Schwierigkeiten am Berg, weil sich ihre technischen Fähigkeiten mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Entwicklung ihres Urteilsvermögens entwickelte. Durch das Hallenklettern hat sich das alles verändert.

Das Gespräch führte Alexandra Albert für den DAV. Das komplette Interview lest ihr hier

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