35 Jahre Everest ohne künstlichen Sauerstoff

Der Tag, an dem Habeler und Messner Geschichte schrieben

Es ist der 8. Mai 1978. Kurz nach 13.00 Uhr Ortszeit stehen Reinhold Messner und Peter Habeler auf dem Gipfel des Mount Everest. Die beiden Extrembergsteiger sind am Ende ihrer Kräfte. Der Akku ist leer. Die letzten Meter bis zum höchsten Punkt in 8848 Meter Höhe hatten sie zeitweise auf allen Vieren kriechend zurücklegen müssen. Alles vergessen - sie haben das Unmögliche geschafft: den Everest ohne künstlichen Sauerstoff!

Der Tag, an dem Habeler und Messner Geschichte schrieben

Expeditionsleiter Wolfgang Nairz im Gespräch mit ALPIN (April 2008)

<p>ALPIN: Denken wir an 1978, wie bist Du als Leiter mit dem Thema Verantwortung umgegangen?</p>

ALPIN: Denken wir an 1978, wie bist Du als Leiter mit dem Thema Verantwortung umgegangen?

Wolfgang Nairz: "Ich hab mich nie um die Leitung gerissen, es war immer so, dass meine Freunde gesagt haben, du machst das und ich hab es gemacht. Wir haben uns im Basislager zusammengesetzt und haben diskutiert, was ist los, wenn etwas passiert. Jeder musste sich dazu äußern, das wurde auch schriftlich festgehalten. Nur einer war dabei, dem es nicht recht gewesen wäre, wenn im Falle seines tödlichen Unfalls die Expedition weiter macht. Das war die Verantwortung in der einen Richtung."

"Viel größer war das Problem der Verantwortung in einer anderen Richtung. Wir mussten uns ja einen Strategie-Plan zurechtlegen, um überhaupt hinauf zu kommen. Ich sage, ein Expeditionsleiter muss so handeln, wie in einer Demokratur, demokratisch wird festgelegt, was man macht, doch wenn es notwendig ist, muss der Leiter diktatorisch sagen, so wird es gemacht. Und den Respekt hatte ich von allen.

Das war manchmal nötig, gerade zum Ende der Expedition, wo schon neun Leute am Gipfel waren, jeden Tage ist im Khumbu eine neue Brücke eingestürzt, Spalten gingen auf, Seracs fielen um. Obwohl es traurig war, dass drei nicht am Gipfel waren, musste ich sagen, dass es nicht mehr riskiert werden kann. Und wir haben abgebrochen."

ALPIN: Der 3. Mai 1978, ein Triumphtag für ganz Österreich, und dann kam der 8. Mai!

Wolfgang Nairz: "Reinhold und Peter hatten von vornherein eine Sonderstellung in der Expedition, sie hatten, weil sie den Everest ohne künstlichen Sauerstoff wagen wollten, das Privileg, dann gehen zu dürfen, wann sie sich dazu in bester Verfassung fühlten. Und sie gingen zwar als erste los, Peter aber musste wegen Magenverstimmung wieder umdrehen. Und am Südsattel waren im Sturm dramatische Verhältnisse, dass Peter Zweifel hatte, ob er noch mal losgehen sollte. Inzwischen war die erste Gipfelmannschaft aufgestiegen, sie hatten aber keine guten Verhältnisse, es gab auch gesundheitliche Probleme, so dass sie im Lager III umdrehen mussten."

"Die große Leistung war sicher der 8. Mai. Dass die zwei das wahr gemacht haben. Wie man heute weiß, war es vor allem eine Überwindung einer vor allem psychischen Barriere. Das war sicher das Highlight unserer Expedition. Wenn man heute fragt dann wissen zwar die Alpinisten, dass 1978 Reinhold und Peter ohne Sauerstoffhilfe oben waren, dass der Horst Bergmann, der Robert Schauer und ich oben waren, das wissen wenige, aber das ist mir auch egal."

Klicken Sie sich durch die Slideshow mit Impressionen zur Everest Besteigung 1978.

http://fotogalerien.alpin.de/slideshow/thema/500231/cat/501177/motiv/524701/der-weg-in-die-geschichtsbuecher/slideshow.html Peter Habeler im ALPIN-Interview (2008)

ALPIN: Am 8. Mai 1978 kurz nach 13.00 Uhr standest du gemeinsam mit Reinhold Messner als erster Mensch ohne Flaschensauerstoff auf dem Gipfel des Mount Everest. Wie erinnerst du diesen Moment?

Peter Habeler: "Wir umarmten uns, stammelten und heulten und lachten zugleich. Endlich war ich oben, endlich musste ich nicht mehr weiterklettern. Schnell kamen aber auch Sorgen hinzu: Wie kommen wir über den Hillary Step runter, an dem wir uns nicht sichern konnten? Wird das Wetter halten?"

ALPIN: Du bist rasch wieder abgestiegen.

Peter Habeler: "Ja, Messner blieb noch ein bisschen oben, um zu filmen, ich wollte so schnell wie möglich wieder in eine sichere Umgebung kommen. Ich hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. Es war ja auch sehr nebelig und windig. Ich hatte Angst, dass der Wind unsere Spuren zuwehen könnte, ich vom Weg abkomme und abstürze."

ALPIN: Du bist weite Strecken kontrolliert auf dem Hosenboden abgerutscht, hast aber dabei ein Schneebrett ausgelöst.

Peter Habeler: "Ich verlor den Eispickel und verdrehte mir den rechten Knöchel, aber das war alles. Im Zillertal war ich oft so abgefahren, ich wusste genau, was ich tat."

ALPIN: Bei keiner Expedition hattest du so viel Angst wie bei dieser, hast du in deinem Everest-Buch "Der einsame Sieg" geschrieben.

Peter Habeler: "Damals hatte man ja noch keine Erfahrungen damit, ob der Sauerstoffmangel zu langfristigen Hirnschäden führt. Viele Gehirnforscher hatten uns eindringlich gewarnt, dass wir schwere Schäden davontragen würden. Selbst unsere Freunde waren äußerst skeptisch, ob der Everest ohne Flaschensauerstoff machbar sei."

ALPIN: Es hat dann aber doch geklappt.

Peter Habeler: "Obwohl wir auch einige Fehler gemacht haben, wir nahmen zum Beispiel im Basislager nachts Valium zur Beruhigung. Was für ein Blödsinn! Ich war einfach nicht so gut drauf, und ich muss dem Reinhold danken, dass er sich immer wieder um mich gekümmert hat und meinte: "Peter, wir machen das, wir schaffen das!" Er war immer da, wenn ich ihn gebraucht habe."

ALPIN: Du und Reinhold, ihr wart die ersten Menschen, die ohne Flaschensauerstoff auf dem Gipfel standen.

Peter Habeler: "Es ist lustig, dass wir das geschafft haben. Das ist nett und angenehm, aber ich mache kein Evangelium daraus. Ich habe mich all diesen Bergen mit Freude genähert. Das fehlt mir übrigens bei den heutigen Bergfilmen: Nur ganz wenige bringen die Freude zum Ausdruck, mit der man ins Gebirge geht. Da ist immer alles unheimlich schwierig und gefährlich und die Leute fluchen. Es geht immer nur um Kampf und Krampf - lächerlich, ich will das gar nicht sehen."

Das ganze Interview mit Wolfgang Nair finden Sie hier

Das ganze Interview mit Peter Habeler finden Sie hier