Lebensleistung des österreichischen Bergsteiger wird gewürdigt

Piolet d'Or für Kurt Diemberger

Er ist der einzige (noch lebende) Mensch, der zwei Achttausender erstbestiegen hat. Dies allein macht Kurt Diemberger schon zu einer Legende. Doch der Österreicher konnte nicht nur als Bergsteiger so manches Ausrufezeichen setzen, sondern auch als Autor, Filmemacher und Fotograf. Für sein alpinistisches und publizistisches Lebenswerk erhält Kurt Diemberger in Chamonix und Courmayeur Anfang April den Bergsteiger-Óscar "Piolet d'Or".

Piolet d'Or für Kurt Diemberger

Der Piolet d'Or ist für die Bergsteigerelite das, was der Oscar für die Filmschaffenden darstellt. Zur Verleihung dieser Auszeichnung treffen sich Spitzenalpinisten aus aller Welt alljährlich zu Füßen des Montblanc.

Der "goldene Eispickel" wird seit 2009 auch als "Walter Bonatti Award" jeweils für ein Lebenswerk eines Alpinisten vergeben. Die bisherigen Preisträger sind:

  • 2009 : Walter Bonatti
  • 2010 : Reinhold Messner
  • 2011 : Doug Scott
  • 2012 : Robert Paragot

2013 wird der Preis an Kurt Diemberger vergeben, der heute in Salzburg und Bologna lebt. Warum er den Preis bekommt, geht auch aus dem Glückwunschsbrief hervor, den ALPIN-Redakteur Clemens Kratzer Kurt Diemberger anlässlich dessen 80. Geburtstags im März 2012 geschrieben hat und den wir Ihnen anlässlich der bevorstehenden Ehrung gerne im Ganzen zu lesen geben:

Lieber Kurt. Nimm's nicht persönlich, aber ich bin sowas von froh, dass du deinem Vater nicht in allen Dingen gefolgt hast. Du würdest heute nämlich aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommen, hättest du, wie seinerzeit gewünscht, das mit dem Welthandel-Studium durchgezogen. Aber bekanntlich standen solcher Karriere ja einige Berge im Weg. Ein Glück! Einen "Reisenden zwischen den Welten" hat man dich einmal genannt. Um einen deiner Buchtitel in diese Methapher einzubauen: Ein Seiltänzer zwischen den Welten!

Kurt Diemberger: Stationen eines bewegten Lebens.

Hier der Erfolg, zusammen mit Marcus Schmuck, Fritz Wintersteller und Hermann Buhl als Erster auf dem Broad Peak zu stehen, das war 1957! Das Jahr, als die Sowjets den ersten Sputnik in die Erdumlaufbahn schossen. Aber am anderen Ende des Erfolgsseils: Wenige Tage später stürzt dein Freund Hermann Buhl bei der gemeinsamen Chogolisa-Besteigung mit einer Wechte ab.

Der Seiltanz zwischen Glück und Schmerz. Er hat dich ein Leben lang fasziniert, begleitet, aber auch im Gefühlsleben zwischen Himmel und Hölle in Trab gehalten. Dass du nicht hingeschmissen hast, das ist eine Eigenschaft, die sich - meiner Meinung nach - nur entwickeln kann, wenn ein fester Charakter-Grundstock da ist. 1956 hast du zusammen mit Herbert Knapp und Hannes Unterwegner an der Königspitze die "Schaumrolle" überwunden. Viele Jahre später wird dieser Erfolg von den anderen anders dargestellt. Wir saßen in Bozen im Wirtshaus und redeten drüber und du hast den Kopf geschüttelt und nur gesagt: "Das war das, was man heute einen Deal nennt!"

Der Eismann: DAS Bild von Kurt Diemberger.
Der Eismann: DAS Bild von Kurt Diemberger.

Mit dem Dhaulagiri gelang dir die zweite Erstbesteigung eines Achttausenders - 1960. Armin Hary holte damals im 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen Gold und war auch der erste Mensch, der diese Strecke in 10,0 Sekunden schaffte. Schnellspurts waren eher nicht das Deine. Schon damals gab es viele ehrgeizige Rennsemmeln an den Bergen. Trotzdem hast du immer wieder am Gipfel auf die anderen warten müssen. Auch wenn du mal einer der ganz Schnellen warst, hast du den Satz geprägt: "Wer langsam geht, geht gut. Wer gut geht, geht weit." Denn "rennen kann man auch woanders, da braucht man den Berg nicht".

Seiltanz des Lebens. Sechs Achttausender hast du erfolgreich bestiegen, einen sogar zweimal. Ein Sammler warst du dennoch nie. Mit offenen Augen warst du unterwegs. Dich begeisterte das, was sich an grandioser Landschaft und an Gastfreundschaft fremder Menschen vor dein Auge und in dein Herz bewegte. Fotoapparat und Filmkamera wurden feste Begleiter. 19 Filme hast du geschaffen und einige Bücher geschrieben.

Dazwischen bist du auch gefragter Vortragsreisender und so ganz nebenbei auch Ehrenpräsident von Mountain Wilderness. Nein, nebenbei geht bei dir schon überhaupt nicht. Aber nur mal so gefragt: 80 Jahre, das ist einiges. In dieser Zeit hast du die damals schwersten Kletterrouten gemeistert und Berge in aller Welt bestiegen. Kurt, kann es sein, dass deine Lebenszeit derart verdichtet war und ist, dass all das, was du erleben durftest und musstest, für die Leben einer ganzen Fußballelf reichen würde? Als ich mich einmal mit unserem gemeinsamen Freund, dem Filmproduzenten Hans Jürgen Panitz unterhalten habe, kam die Frage auf: Warum hat dein Leben eigentlich noch keiner verfilmt?

Seiltanz auf ganz dünnem Faden. In den vergangenen drei Jahren haben viele der besten Bergsteiger der Welt versucht, den K 2-Gipfel zu betreten. Dieser Achttausender ist wunderschön und dabei todgefährlich. Viele Jahre hat Hans Kammerlander, selbst einer der allergrößten seiner Zunft, sich an diesem zweithöchsten Berg der Erde die Zähne ausgebissen, bis er ihn endlich geschafft hatte. Gerlinde Kaltenbrunner hat mit ihrer kolossalen Leistung als erste Frau alle 14 Achttausender ohne Flaschensauerstoff bestiegen. Einige Jahre vor ihr verlor die großartige Alpinistin Alison Hargreaves an diesem Berg ihr Leben.

1986 war das "höchste Filmteam der Welt" am K 2 unterwegs, du und deine Partnerin Julie Tullis. Schon im Jahr zuvor seid ihr beide unterhalb des Gipfels umgedreht. Damals sagtest du: "Der Gipfel ist, dass wir wieder unten sind." Am 4. August 1986 standen Julie und du stolz und glücklich am Gipfel. In deinem Buch "K 2 - Traum und Schicksal" beschreibst du die unfassbare Tragödie. Den Todessturz der Partnerin, die dich mitgerissen hat, beinahe mit ins Jenseits. Deine irrwitzigen Anstrengungen, trotz der unbändigen Schmerzen von Seele und Körper im Diesseits bleiben zu - wollen? Müssen? Dürfen?

Es ist noch nicht lange her, da hast du gehadert, weil deine Knie manchmal nicht mehr so wollen wie du. Ich hab dich gefragt: "Was, wenn du die Wahl hättest, Knie oder Kopf?" Denn was in dem alles gespeichert ist, das ist ein großer Reichtum. Wüsste ich alles, was du schon vergessen hast - ich würde davon sehr profitieren. Das soll nicht heißen, dass du vergesslich bist. Wenn du könntest, du würdest vielleicht nochmal losziehen zum Nanga Parbat oder zum "Kantsch". Einmal hast du gesagt, dass du dir die Zeiten deiner Höhen und Tiefen nicht zurück wünscht. Die Zeit sei gewesen, wie sie war...

Lieber Kurt Diemberger, von 03. bis 06. April wirst Du nun in Chamonix und Courmayeur mit dem Pilole d'Or ausgezeichtent. Wir meinen: Völlig zu Recht und gratulieren herzlich.

Weitere Informationen zum Piolet d'Or gibt es hier: www.pioletsdor.com